Zur Kunst der strategischen Infamie zählen Pejorationen, also Bedeutungsverschlechterungen oder auch Verkürzungen oder winzige Veränderungen eines Wortes oder Namens, aus dem sich eine Abwertung ergibt. Beispiele dafür sind „Gutmensch“ statt „(bewusst) guter Mensch“ oder „Emanze“ statt „(geistig von Mannesdominanz) emanzipierte Frau“ (denn rechtlich sind das alle Österreicherinnen seit der Familienrechtsreform 1975). Wenn solch eine sprachliche „Variation“ aber unbewusst „passiert“, spricht man aus psychoanalytischer Sicht von einer „Fehlleistung“, in der sich das wahre denken Durchbruch verschafft. So soll sich Erwin Ringel bei der Frage, welches Zimmer dem Gastprofessor David A. Jonas zugewiesen werden sollte, mit „Wo werden wir ihn denn umbringen?“ statt „unterbringen“ versprochen haben – und tatsächlich verschied Jonas dann in Wien (persönliche Mitteilung von Gernot Sonneck).

Multitasking bedeutet die Ausführung von zwei oder mehreren Aufgaben zur gleichen Zeit. Man könnte scherzhaft von „Muttitasking“ sprechen – denn für Mütter von Kleinkindern ist das alltägliche Herausforderung: Gemüse putzen, Fleisch braten, Salat zubereiten, nebenbei gleich abwaschen und immerzu Kind/er und womöglich noch Haustiere wie auch Insekten und andere Eindringlinge im Auge behalten … und wenn Eltern oder Göttergatte (und die sind natürlich keine Eindringlinge – oder doch natürliche Eindringlinge? – Achtung! Scherz!) anwesend sind, die auch noch charmant mitbetreuen …

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Von Christian Morgensterns (1871–1914) Gedichten ist vor allem ein „Palmström-Vers“ bekannt, in dem der Titelgeber von einem Wagen überfahren wird, sich juristisch schlau zu machen versucht und entdeckt, dass dort ein Fahrverbot bestand, er daher den Unfall geträumt haben müsste. Daher schließt das Gedicht mit dem berühmten Satz: „Weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf.“

An diesen Satz musste ich denken, als ich im Kurier (24.08.2018, Seite 2) las „Anhaltende Kritik: Ein Mann, sieben Funktionen“.  Untertitel: „Harald Mahrer: Rote sprechen von ,Postenschacher‘, Macht des Notenbank-Präsidenten ist relativ“. Dass die SPÖ sich aus welchen Gründen auch immer (Rat der Spin-Doktoren?) entschlossen hat, ihre Oppositions-Rolle leider nur als ewige Nörglerin anzulegen, hat sich im vergangenen Halbjahr der türkis-blauen Regierung deutlich gezeigt: Das will ich als deren Strategie respektieren. Was ich aber nicht unwidersprochen lassen will, ist das Phänomen, worauf sich der Postenschacher-Vorwurf bezieht. Den kenne ich nämlich aus der Zeit, als ich noch Mandatarin der SPÖ war, nur zu gut: Wenn jemand „gefördert“ werden sollte, wurden ihm (nie ihr) viele Funktionen „zugetraut“ (d. h. entsprechend paktiert), damit er möglichst viele Anhänger (d. h. künftige Wählerschaft) gewinnen konnte – wollte man jemand verhindern, egal wie kompetent er war, rief man Postenschacher oder Funktionsvielfraß und unterstellte ihm Karrieregeilheit oder Ärgeres.

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Vor allem aus dem Bereich von Lehrenden wie vor allem auch Lehrlingsausbilder höre ich immer wieder Klagen, dass die „Jugend von heute“ nicht mehr grüße, nicht mehr pünktlich sei und überhaupt Respekt vor Älteren vermissen lasse. Auf meine Frage, was die Beschwerdeführer dagegen zu unternehmen planten, kommt meist ein unsicherer Blick in die Leere, manchmal noch die zage Frage „Mit dem Jugendvertrauensmann reden?“. Ich schlage dann immer vor, das „Problem“ direkt anzusprechen, als (Fachausdruck) „Selbstoffenbarung“: „Mir ist wichtig, dass wie einander grüßen – und wenn es nur ein Kopfnicken, Lächeln, „Hi“ ist … aber am liebsten wäre mir, wenn Du/Sie mir einen Guten Tag wünscht und umgekehrt.“

Von dem amerikanischen Lyriker und Schriftsteller Robert Bly (*1926), der vor allem durch sein Buch „Eisenhans“ als einer der Väter der „mythopoetischen“ Männerbewegung bekannt wurde (die mit Hilfe von Märchen, Sagen und Mythen Initiationswege zum Mannsein aufzeigen will), stammt auch ein Buch mit dem Titel „Die kindliche Gesellschaft“. Darin schreibt er, die erziehende Stellung der Mutter habe sich ab dem Zeitpunkt verändert, als sich die Unterhaltungsindustrie zwischen sie und die Kinder gedrängt habe, und er bringt ein Beispiel: „Die Musikindustrie erkannte bald, dass sich Riesenprofite machen ließen, wenn jede Generation dazu gebracht werden könnte, ihre eigene Musik zu haben. [ – ] Die Eltern hatten dabei keine Chance. Die Stars der Unterhaltungsbranche waren tausendmal interessanter als die eigenen Eltern. Die Jugendlichen ,verstehen‘ die neue Musik, und bald hören sie nur noch diese. Sechs-, Siebenjährige hören jetzt Rap, dessen Texte offen Hass auf Frauen artikulieren. Tatsächlich beziehen unsere Kinder die meisten Werte aus Musik, Video und Kinofilmen …“ Weiterlesen

Wenn jemand gesellschaftliche Spielregeln bricht (wie US-Präsident Donald Trump bei der Queen https://www.krone.at/1739579), stellt sich die Frage: Macht er das absichtlich um zu zeigen, dass er nichts von Erbmonarchien bzw. gekrönten Häuptern hält – oder ist er nur ungebildet oder unbelehrbar – oder will er das überspielen wie in einem Slapstick? Oder wie in einem Wildwest-Film, in dem der linkische bis ungehobelte Held erst von einer liebenden Frau „gezähmt“ werden muss?

Bei Jugendlichen sind es oft Mutproben wie etwa: Wer traut sich mehr, die Lehrerschaft zu provozieren? In Filmen finden das viele Zuseher lustig (weil späte Rache an eigenen Schultyrannen) – aber wenn dann der eigenen Nachwuchs aktuell vor dem Schulverweis steht, meist nicht mehr … (In der von mir konzipierten PROvokativmethode gilt es, mögliche „Kampfangebote“ in „Spielangebote“ umzudeuten nach dem „homöopathischen“ Motto „Verhaltensauffällige Schüler brauchen verhaltensauffällige Lehrer“).

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Das schlechte Benehmen von Touristen wird immer mehr zum Aufreger, schreibt Birgitta Schörghofer in den Salzburger Nachrichten (25.08.2018, S.20), zitiert aber auch Kritiker der Unarten von Einheimischen. Ich kann mich noch gut an eine Flugbegleiterin erinnern, die bei mir Lebens- und Sozialberatung studierte, und sich über die lautstarken Anpöbeleien alkoholisierter österreichischer Fluggäste beklagte: „Ich habe mich meiner Landsleute geschämt – das ist doch keine Visitenkarte für unser Land!“

Ich spreche bei solchen – wohlwollend formuliert – Grenzverkennungen von umgekehrter Vogel-Strauß-Politik: Man wähnt sich in der Anonymität nicht erkennbar (und belangbar) – so wie Zweijährige ihren Kopf in Mutters Rock verstecken (oder hinter elterlichen Hosenbeinen). Und auf dieses Alter regredieren ja auch viele Menschen unter Alkoholeinfluss, lallen und schlagen um sich (zappeln) wie ein Kind, bevor es sprechen und seine Muskeln beherrschen gelernt hat. Besonders die Schließmuskulatur:  Im August 2011 pinkelte Obelix-Darsteller Gérard Depardieu in den Gang eines startenden Flugzeugs (https://www/sueddeutsche.de/leben/gerard-depardieu-pinkelt-in-flugzeug-ich-will-pinkeln-ich-will-pinkeln/1.1132046). Üblicherweise werden kleine Kinder im Laufe des dritten Lebensjahres von selbst sauber – und lernen auch zu fragen, wenn sie sich etwas nehmen wollen, und zu danken, und zu grüßen … wenn sie Vorbilder haben und wenn sie „gut ankommen“ wollen. Heute fehlt oft beides. Nur zu nörgeln, „Das gehört sich nicht!“ ist zu wenig – da lernt man nichts.

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Üblicherweise wird jemand als Nestbeschmutzer bekrittelt, der wagt, Unregelmäßigkeiten in der Familie, im Betrieb oder im eigenen Staat öffentlich zu machen. Loyalität, Corpsgeist – ich nenne es „Krähensolidarität“ (denn eine hackt der anderen laut Volksmund kein Auge aus) – gilt als hoher Wert.

Andersrum wird wiederum Außenstehenden Kritikberechtigung abgesprochen – selbst wenn sie nur eine Beobachtung darstellt und keine Wertung.

Derzeit wird Österreichs Botschafterin in der Schweiz, Ex-Außenministerin Ursula Plassnig, z. B. von der Basler Zeitung als „Verwirrte Diplomatin“ und „erstaunlich frech“ bezeichnet (Salzburger Nachrichten,  25.08.2018, Seite 9) , weil sie es gewagt hätte, eigene Beobachtungen und Gedanken über ihr Gastland in einem Interview mit Avenir Suisse zu reflektieren.

Mehr Respekt für die Person wäre angesagt – nicht unbedingt für unbeliebtes Verhalten, das darf schon, aber bitte sachlich, kritisiert werden.

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Vorerst: Auch ich habe in der Tanzschule gelernt, einen Knicks zu machen, wenn man sitzend aufgefordert wird und sich gleicherart zu bedanken (zumindest wenn der Tanz angenehm war – andernfalls kann man ja den Stümper grußlos stehen lassen, wenn frau sich traut). Irgendwo gibt es sogar noch Fotos von damals, auf denen ich vor pickligen Jünglingen versinke …

Als die – aus parteipolitischer Sicht ebenso wie aus propagandistischer nachvollziehbare – Kritik an Außenministerin Kneissls Hochzeitsinszenierung losbrach, ließ mich das vorerst unberührt. Sie wird wissen, was sie tut oder nicht tut und sie wird allenfalls sachliche Kritik dort rechtfertigen, wo die dazu sachlich Kompetenten und Berechtigten sind. Erst als ich von dem Knicks erfuhr, wollte ich mir ein genaueres Bild machen und sah mir das Video an. Und da konnte ich deutlich erkennen, wie Putin und Kneissl sich lachend selbst persiflierten.

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Eine Flut von Hasskommentaren hätte Schauspieler Till Schweiger erhalten, schrieb DER STANDARD am 16. August (Seite 28), nachdem in einem Video zu sehen war, dass er seine 20jährige Tochter Lilli auf den Mund küsste. (Darauf habe er mit einem neuen Video mit Wangenkuss und „Nochmals Vater-Tochter-Liebe ohne Küsse auf die Lippen. Jetzt zufrieden?“ gekontert.)

Mich erinnert das an die viele „Skandale“, in denen Lokalbesitzer_innen „küssende“ homosexuelle Paare ihres Lokals verwiesen, weil sich angeblich andere Gäste angewidert fühlen würden. In einem dieser mir persönlich bekannten Fälle hatte der ältere Mann – ein guter Freund von mir – den Jüngeren getröstet, der unmittelbar zuvor eine Prüfung nicht bestanden hatte. Er erzählte mir, dass gleichzeitig an einem der Nebentische ein Hetero-Paar in leidenschaftliche Schmuserei verstrickt war, während er nur ein „Weine-doch-nicht-Bussi“ gegeben hätte. Aber offensichtlich hatte er die sexuelle Identität des Pizzeria-Wirten gefährdet. In einem anderen Fall, der einen Empörungsschrei in der Tagesberichterstattung auslöste, hatte die Besitzerin des altehrwürdigen Café Prückl zwei Frauen aus dem Lokal gewiesen, weil sie sich geküsst hatten – sich allerdings Tage und Berichte später im Nachhinein entschuldigt und eine Versöhnungsgeste angeboten.

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Ein mutmaßlicher Terrorist, der „voreilig“ nach Tunesien abgeschoben wurde, muss deswegen nach Urteil eines deutschen Oberverwaltungsgerichts zurückgeholt werden, obwohl er als Gefährder gilt und ein Einreise verbot in den Schengen-Raum besteht (Salzburger Nachrichten, 20.08.2018, S. 3).

Der Beamte folgt der juristischen Logik: Wenn irgendwo / irgendwann in einem Verfahren ein Fehler gemacht wurde, hebt man alles nachfolgende auf und verweist an den Zeitpunkt vor dem Fehler zurück.

Wenn eine Mutter ihre Kleinkinder bei Gluthitze im versperrten Auto allein zurücklässt und Passanten die Polizei rufen, weil die Kleinen zu kollabieren drohen, ziehen die Beamten unverrichteter Dinge ab, wenn die Mutter am Ort des Geschehens erscheint – es gibt ja keinen Beweis, wie lange die Kinder eingesperrt waren, und: Sie leben ja noch. (newsletter@reply.oe24.at , 20. august 2018, 17 h)

Gesetzestreue ist ein hoher Wert – sie sollte aber nicht den „gesunden Menschenverstand“ außer Kraft setzen.

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Zu den sexuellen Mythen gehört auch die Phantasie, dass sich Homosexualität an einem bestimmten Aussehen oder Verhalten erkennen ließe.

Am 17. August 2018 war in der Tagesberichterstattung zu lesen, dass einem afghanischen Asylwerber der Aufenthaltstitel verweigert wurde, weil er nicht dem geistigen Klischee des beurteilenden Beamten entsprach: Der junge Mann wäre weder an „Gang, Gehabe und Bekleidung“ als schwul zu erkennen gewesen. Offensichtlich hatte dieser sich am Revuestar Albin aus dem Film Ein Käfig voller Narren orientiert. À propos Film: Ich erinnere mich noch, wie enttäuscht die weiblichen Fans waren, als sich im Zuge von deren Aids-Erkrankung herausstellte, dass Rock Hudson (1925–1985) – filmischer Dauerliebhaber von Doris Day – schwul war oder auch Anthony Perkins (1932–1992). Sie folgten dem Mythos, wenn ein Mann mit einer Frau verheiratet war, müsse er logischerweise heterosexuell sein.

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