Jedes Mal, wenn ich an Journalismus-Akademien „Wie schreiben bei Gewalttaten?“ unterrichtet und eindringlich empfohlen habe, so sachlich wie in einem Gerichtsakt zu formulieren, kam der Protest: „Aber uns ist doch immer gesagt worden, wir sollten Geschichten so schreiben, dass die Leserschaft emotional berührt wird!“

Eben nicht, kontere ich dann immer und erzähle ein Erlebnis aus den 1970er Jahren, als ich – noch schlichte Juristin – begonnen hatte, mich in der von mir gegründeten Familienberatungsstelle in Favoriten der Sorgen der Bevölkerung anzunehmen. (In diesem Zusammenhang Dank an Dr. Rosemarie Fischer, heute Santha – ohne ihre Informationen hätte ich wohl nie diesen ersten Schritt zu diesem Berufswechsel getätigt!)

Damals kam einmal ein Mann mit einem dicken Aktenordner, in dem er eine umfangreiche Dokumentation der Zeitungsberichte über sexuelle Misshandlungen von Kindern gesammelt hatte. „Die tun das nur, wenn sie unter Alkohol stehen – nicht?“ forderte er meine Zustimmung. Ich gab sie ihm nicht – weil ich die Antwort nicht wusste. Aber ich wunderte mich, dass er deswegen in die Beratungsstelle gekommen war. Einige Jahre später, bereits psychosozial fortgebildet, wusste ich: Das wäre ein Ansatz gewesen, seiner eigenen Betroffenheit nachzuspüren … vor allem, ob er sich nicht an den „emotionalisierenden“ Berichten „begeilte“.

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In der Zeit im Bild 2 am Montag, 22.02.2021, ereiferte sich Ulrike Guérot (* 1964) heftig – unter mehrfacher Betonung „als Politikwissenschaftlerin“ – dass der Staat (welchen die in Österreich lehrende Deutsche konkret meinte, blieb offen) 97% der Bevölkerung in Geiselhaft nähme um 3% zu schützen. Diese 3% konkretisierte sie als Alte, Kranke – Diabetiker, Asthmatiker – und Dicke. (ZIB 2 vom 22.02.2021 um 22:00 Uhr – ORF-TVthek)

Das hat mich entsetzt – erinnert es doch sehr an die NS-Denkweise vom „lebensunwertem Leben“ und deren ideologische Basis in Friedrich Nietzsches „Genealogie der Moral“ (wonach, grob gesagt, „die blonde Bestie“ auf Grund ihrer Stärke das Recht habe, die Schwachen zu dominieren).

Was mich aber noch mehr gestört hat, war die Behauptung, sie würde ein „strukturelles Argument“ einbringen – erklärt hat sie die von ihr, wohlwollend formuliert, „angedachte“ Struktur nicht. Oder meinte sie etwa den von ihr so nebenbei erwähnten Gleichheitsgrundsatz? Der betrifft bekanntlich das Verbot der Diskriminierung „vor dem Gesetz“ auf Grund von Geburt, Geschlecht, Stand, Klasse, Bekenntnis, auch bei Behinderungen (Art. 7 B-VG) – nicht aber auf Grund von Verhalten! Aus sachlichen Gründen können aber immer Ausnahmen gerechtfertigt erscheinen. Das zu überprüfen obliegt den Höchstgerichten, findet daher im Nachhinein statt und da „ist man bekanntlich immer klüger“.

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Als eine Art Psychohygiene bezeichneten die 4 Angeklagten (3 Frauen, 1 Mann)  ihre Miss-Handlungen an BewohnerInnen eines Pflegeheims. (Kurier, 18.02.2021, S. 20). Das entspricht der subjektiven „Äußerung“ von Ärger, Ekel, Wut und psychischer Überforderung: Man „lässt Dampf ab“ – aber in Richtung derjenigen, die sich nicht wehren können außer zu schreien. Und genau das fordert neue Übergriffe heraus – denn viele haben in ihrer Kindheit gelernt „Wenn du schreist, fangst gleich eine!“

Äußern – Inneres nach Außen bringen – kann (und sollte) man aber auch anders: Idealerweise in einer solidarischen Supervisionsgruppe, in der man seine Befindlichkeit aussprechen und Verständnis erfahren kann. Man kann es schreiben, also auf Papier „bannen“. Dort bleibt es dann ja auch „festgehalten“. Und man kann einen Plan machen – beispielsweise eine spezifische Fortbildung – um mit unerwünschten Gefühlen umzugehen.

Leider ist Grausamkeit für viele nichts Unerwünschtes, sondern traditionelle „Erziehungsarbeit“ – allerdings nicht für sich selbst.

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Bei einer – coronabedingt illegalen – Abschlussparty in der Kaserne Güssing kam es zu sexuellen Handlungen zwischen Männern (Der Standard, 11.02.2021, S. 12) und Fotos davon gelangten „nach außen“; dies veranlasste den Bundesheersprecher Michael Bauer zu der Aussage, das wäre „das Widerlichste, was ich in meiner 35jährigen Dienstzeit beim Bundesheer sehen musste.“ Nun ja, Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Manchen graust schon, wenn jemand nicht aussieht wie Lindsey Vonn oder Markus Rogan – und andere stehen sich gerade auf Melissa McCarthy oder Woody Allen.

Bauer sagte aber auch: „Es gibt schon Fälle, wo Menschen homosexuell sind und andere zu Handlungen zwingen.“ Und da zeigt Michael Bauer, dass ihm – wie so vielen anderen „Autoritätspersonen“, Erzieher- und Richterschaft mitgemeint – wesentliches Wissen fehlt: Homosexuelle Handlungen bedeuten noch lange nicht homosexuelle Orientierung!

In meiner über 50jährigen Berufspraxis als Juristin wie auch Psychotherapeutin sind mir viele Fälle von verheirateten heterosexuellen Männern bekannt geworden, die aus Neugier, Langeweile oder auch Augenblicksideen – und alles ohne jegliche Spur von Gewalt oder Sex-Kauf oder Einsamkeit – mit Männern sexuell „experimentierten“. Dass es danach intrapersonale oder interpersonelle Konflikte gab – deswegen kamen sie ja in Beratung bzw. Therapie (ebenso wie auch Frauen, die für sich klären wollen, wieso sie ohne eigentliches Wollen bei ähnlichen Aktionen „mitgetan“ hatten!) – hat vor allem mit den gesellschaftlichen Bewertungen zu tun, und diese wiederum mit Bevölkerungspolitik oder religiösen Geboten.

Was Bauer aber offensichtlich nicht weiß oder wissen will, sind die „lustigen“ Inszenierungen gleichgeschlechtlicher Handlungen, oft als Initiationsriten, oft aber auch als Demütigung der als „Frau“ definierten Person. Sie dienen dem Aufbau von Corps-Geist oder Hackordnungen und finden in „geschlossenen“ Institutionen wie z. B. Gefängnissen statt (nachzulesen in meinen Büchern „Menschenjagd“ und „Tabuthema kindlicher Erotik“). Ich erinnere an den „Pastern“-Skandal im GAK Anfang dieses Jahrtausends (Dies und Das.. » Lecker, lecker… (homepagemodules.de)). Und diesen Brutalbrauch gibt es noch immer: Sexuelle Übergriffe in Skigymnasium Stams: „Da wurde eine Tube eingeführt“ – Übergriffe im Sport – derStandard.at › Sport.

Vor einigen Jahren wurde mir in der Einzelsupervision von einer entsetzten Turnusärztin berichtet, dass eine verzweifelte Mutter mit ihrem Präsenzdiener-Sohn nächtens im Spital erschienen war: Der 18jährige war von seinen Zimmerkameraden vergewaltigt worden und schwer verletzt. Was die Ärztin so fertig machte, war die Reaktion der Kollegenschaft, die hinterrücks über die Situation scherzten – ob man den Rekruten auf die Gynäkologie überweisen sollte, hahaha – eine klassische Form psychischer Abwehr, wenn einem etwas zu nahe – „unter die Haut“ – geht. Ich habe damals eine Kollegin, die im selben Spital Sexualberatung anbot, angerufen und auf die Notwendigkeit spezifischer Schulungen für die Ärzteschaft hingewiesen – fand aber bei ihr kein Verständnis … oder zu wenig Mut, Bildungslücken zu thematisieren.

Sexuelle Orientierung hat mit Liebe zu tun – und Liebe ist fürsorglich, man will ja dem/der Geliebten nicht schaden.

Manche Dominanzspiele, egal ob grausam oder albern (12.07.2004: Krenn zu Skandal um Priesterseminar: „Buben-Dummheiten“ (orf.at), dienen hingegen der Absicherung der eigenen Geschlechtsrolle als Mann – dann, wenn die Frauenrolle persifliert oder verächtlich dargestellt wird – egal, ob das im Suff geschieht oder absichtlich. Egal ob im Priesterseminar, im Sport oder im Bundesheer. Das kann man meist sogar in jeder Faschingssendung beobachten.

Tragisch, dass die Güssinger Vorkommnisse zu einem Suizid geführt haben. Genau das zu verhindern, haben sich die Selbsthilfe-Organisationen homosexuell l(i)ebender Menschen jahrelang abgemüht. Aufklärung ist dringend notwendig – vor allem bei den Bundesheer-Ausbildnern. Gerade sie könnten mit ihrem Vorbild zu einer „neuen Männlichkeit“ beitragen.

Moritz (Name geändert), Kameramann, hat sich von seinen Statement-Shirts getrennt und meinem jüngeren Sohn – Kollegen – geschenkt. Er hat jetzt nämlich eine Partnerin – und die Sprüche auf den Leiberln (hochdeutsch: Leibchen, neudeutsch T-Shirts) waren nun zu sexy – oder besser: zu sexistisch. Mein Sohn hat sie mir gegeben – als Musterbeispiel für Geschmacklosigkeiten.

Geschmäcker sind bekanntlich verschieden, wie sich am Beispiel des Tiroler Brigadiers gezeigt hat, der in einem Youtube-Video – ganz in Schmuddelzivil samt der Aussage, er spräche nur „als Staatsbürger und nicht als Angehöriger des Heeres“ – sonst hätten diejenigen, die ihn nicht kennen, ja nicht gewusst, dass er ein hoher Offizier ist – seine Kritik an den Corona-Bekämpfungsmaßnahmen der Bundesregierung präsentierte … in einem Statement Shirt mit einem Drohspruch in weißer altdeutscher Schrift auf schwarzem Stoff (daher der Neonazi-Symbolik zuzuordnen), den er, so seine Entschuldigung, irrtümlich dem deutschen Dichter und Freiheitskämpfer Karl Theodor von Körner (1791–1813) zugeschrieben habe (https://www.youtube.com/watch?v=GyC8U3kb2gU).

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Fortsetzung von Brief Nr. 09

Ein Abonnent meiner „Briefe gegen Gewalt“ schrieb mir, ich möge doch für Nichtjuristen erklären, was ich mit dem letzten Absatz meines Briefes Nr. 9 gemeint habe.

Hier dieser letzte Absatz:

Ich plädiere für eine gesetzliche Möglichkeit von Patenschaften: Wer will, dass Kinder oder Ältere nicht abgeschoben werden, soll für die Person Pate bzw. Patin werden können (und dabei Unterstützung bekommen) – auf bestimmbare Zeiten (wie zwecks Schul- oder Berufsausbildung und mit vertraglichen „Dankzeiten“ der Rückerstattung analog Firmenstipendien), allein, ohne Familienband. Jugendämter trennen ja auch, wenn das Kindeswohl als gefährdet deuten, und schieben emotionale Bindungen mit zweifelhaften Psychodiagnosen weg, wie ich aus meiner Beratungstätigkeit nur zu gut weiß.

 Also: Als Juristin weiß ich, dass man alles in Gesetzesform kleiden kann, egal wie inakzeptabel es vielen erscheint, und als Theologin ordne ich dies dem binären Denken (d. h. dem Sündenfall aus der Einheit „in Gott“, wie auch immer man diesen Begriff interpretieren will – wir sollen uns ja kein Bild machen! 2. Mose 20, 4 – in die zweigeteilte Welt mit „gut“ und „böse“) zu, und als dem radikalen Konstruktivismus verpflichtete Psychotherapeutin will ich aufzeigen, wie wir nach eigenem Vorteildenken eben die Kategorien von Gut und Böse erschaffen – so wie schon Blaise Pascal darauf hingewiesen hat, dass der Gipfel der Pyrenäen entscheidet, auf welcher Seite man als Irrender (Verbrecher) gilt oder als Weiser (Befreiungsheld). Nur: Jeder Gipfel hat nicht nur zwei Seiten – er hat mehr, und jede bietet andere Aspekte – jeweils ein bisschen verschobene („ver-rückte“).

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