Da las ich doch soeben „Mann schlägt seine Freundin (31) tagelang – Kärnten | heute.at“ – ein 44jähriger „verlor völlig die Nerven“ und „schlug zu“ und „offensichtlich nicht das erste Mal“.

Diese vielfach benützte Ausrede für gewalttätiges Verhalten ist unwahr: Nerven kann man nicht „verlieren“ – man hat sie immer (auch wenn sie zerstört wurden, und da kann man vorhandene medikamentös anregen, die Funktionen der fehlenden zu übernehmen). Was man verlieren – oder besser „wegschmeißen“ – kann, ist beispielsweise Selbstbeherrschung, Anstand, Respekt und – Vernunft.

Wegschmeißen ist ein Willensakt, genau so wie zuschlagen, und der sollte daher begründbar sein, zumindest wenn man über sich selbst, sowie Motive und Ziele nachdenkt – und deshalb sollten Begründungen auch eingefordert werden: Damit man anfängt, nachzudenken. Ein Grund kann etwa in der Entscheidung für Selbstverteidigung liegen, oder auch im Versuch, seine Empörung darüber auszudrücken, physisch angegriffen worden zu sein. Die häufigsten Gründe sind aber, jemand anderen einzuschüchtern, zu demütigen, zu bestrafen und „klein zu kriegen“. Da steckt bereits das Wort „Krieg“ drin.

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Wenn man attackiert wird, hat man – wie in der Tierwelt – grob gesprochen drei Möglichkeiten zu reagieren: Kämpfen (da gehört auch die Selbstverteidigung dazu), flüchten oder sich totstellen (auf Menschenart heißt das dann: resignieren, sich unterwerfen lassen und depressiv werden).

Attackieren kann man auf vielerlei Weise, nicht nur sichtbar körperlich (denn der Körper ist immer dabei – auch mit Blicken, Worten oder Körpersprache werden Attacken „verkörpert“). Das Ziel ist immer, andere zu dominieren – ihnen Zeit (z. B. sich zu äußern), Raum (z. B. Bewegungs- oder Rückzugsraum), Eigentum und Rechte, und, besonders beliebt, Ansehen zu nehmen. Die Liste kann noch lange weiter ergänzt werden, es geht aber stets darum, siegreich zu sein.

Man braucht nur die Redensweisen von Politikern und Politikerinnen zu beobachten und merkt dann bald, auf welche Weise einerseits trivial aggressiv oder besserwisserisch überheblich „Kampfstimmung“ verbreitet wird – oder mit bekümmerter Miene Schuldgefühle hervorgerufen werden sollen. Beides zählt zum Repertoire der sogenannten „Schwarzen Pädagogik“ (so der Titel eines Sammelbandes historischer Erziehungsratschläge von Katharina Rutschky) und ist vermutlich allen von frühester Kindheit an wohlbekannt – wie auch all die Versuche, sich mehr oder weniger erfolglos dagegen zu wehren.

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Die finnische Regierungschefin Sanna Marin tanzt auf einer privaten Party – und sie wird massiv kritisiert (Debatte über Party-Videos finnischer Regierungschefin reißt nicht ab | Tiroler Tageszeitung Online – Nachrichten von jetzt!), von der Oppositionsseite natürlich, so sind wir es ja auch von unserer heimischen gewöhnt: Nur nichts auslassen, womit man die Erfolgreicheren runtermachen kann – besonders wenn man dazu kein Fachwissen braucht sondern nur – Häme.

Da nützt es wenig, wenn sofort auch das Recht auf Privatleben verteidigt wird – die Schlagzeile, eine Person an der Regierungsspitze müsse immer hundertprozentig einsatzbereit – und diese Anforderung stets über alle Zweifel erhaben nachprüfbar – sein, ist kreiert und wird verbreitet. Fama heißt so etwas – oder eigentlich Infamie. Versuch einer Skandalisierung.

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In meinem letzten Buch (das 66. oder 67. – habe den Überblick verloren … alle auf www.perner.info unter Publizistik/Bücher) „Pflegen – ohne auszubrennen“ habe ich betont, dass Pflege ein kreativer Akt ist. Es ist nachher nicht mehr so wie vorher, und: Wenn man für eine bestimmte „Herausforderung“ – noch – kein „Rezept“ weiß, muss man kreativ werden und eines erfinden.

Leider trauen sich das nur diejenigen, die sich ihrer Erfindergabe sicher sind – und das ist man immer erst im Nachhinein, und auch erst durch anerkennende Rückmeldungen.

Bei Erfindungen denken die meisten an die weltberühmten Erfinder wie Edison oder Tesla – oder auch an Daniel Düsentrieb aus den Mickey Mouse Hefterln. Bei Designern ist es schon etwas anderes – da muss es jemand schon in die Rangliste der weltberühmten Modeschöpfer:innen gebracht haben, vielleicht noch ein Kultmöbelstück erfunden haben …  während man Architekt:innen eher als Baumeister oder aber Künstler (und immer männlich) sieht, denn als Kreative. So wird ja auch die österreichische Architektur-Pionierin Margarete Schütte-Lihotzky (1897–2000) primär nur von Frauen gewürdigt, denen sie mit ihrem Entwurf der Frankfurter Küche viele unnötige Gänge zwischen Herd, Kredenz, Tisch und Waschbecken ersparte, und ihre Idee des Ein-Küchenhauses überhaupt als unrealistisch belächelt – hätten da ja die Frauen (und vielleicht sogar Männer?) eines Mehrparteienhauses einander kennenlernen, unterstützen und vielleicht auch Solidarität entdecken können …

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Da hat ein Finanzbeamter – eine Beamtin wird es doch hoffentlich nicht gewesen sein? – eigenmächtig ohne den Beteiligten etwas zu sagen, den Betrieb des Ehemannes mit dem ererbten seiner Gattin – Weinbau- und Kellermeisterin – zusammengelegt – und gleich erhebliche Nachforderungen vorgeschrieben (Landwirtin verzweifelt – Finanzamt „vereint“ Betriebe: „Kalte Enteignung“ | krone.at).

Nun gut – es wurde eine Einspruchsfrist versäumt – und seit einigen Jahren gilt zugestellt, auch wenn ein amtliches Schriftstück an eine falsche Adresse ging – die des Ehemannes (!) und nicht die des zuständigen Rechtsanwalts. Das wird nun wohl alles nachgeprüft werden. Hoffe ich zumindest. Und den Tatsachen entsprechend korrigiert. Hoffe ich ebenso.

Was mir aber Hoffnung auf Besserung nimmt, ist, dass wie vor der „Großen Familienrechtsreform“ Christian Brodas Ende der 1970er (!) Jahre von einem gemeinsamen Betrieb ausgegangen wird – obwohl es zwei eigenständige sind, und das nur, weil die Eheleute die Grundfläche gemeinsam gekauft und einen gemeinsamen Webauftritt haben. Strategische Partnerschaft heißt so etwas, oder Synergie … aber vermutlich sind das für die agierende Beamtenschaft Fremdworte. Eine betriebswirtschaftliche Schulung wäre angesagt – und eine familienpolitische.

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Wenn in einem Kreuzworträtsel ein anderes Wort für „Wut“ mit 4 Buchstaben gesucht wird, haben routinierte Rater:innen die Wahl zwischen „Zorn“ und „Rage“ – und unbedacht schleicht sich die Überzeugung ins Alltagsdenken, dass alle drei Begriff das gleiche menschliche Reaktionsmuster bedeuten. Dem ist aber nicht so – und das hat leider zur Folge, dass man dann in seiner möglichen Selbststeuerung behindert wird.

Aus psychoanalytischer Sicht wird zwischen der „ungerichteten“ Wut des Säuglings und dem „zielgerichteten“ Zorn des etwa zweijährigen Kindes unterschieden: Ein Baby im ersten Lebensjahr kann erst im Laufe der Zeit Ziele „sehen“ – riechen und schmecken hingegen kann es das fast schon von Anbeginn an, vor allem die Mutterbrust, und manche Männer bleiben diesem Ziel dann ihr Leben lang treu – während das „greifen“ (zuallererst Zupacken mit dem Mund) erst mit zunehmender Muskelkraft und -übung in individuell unterschiedlicher Zeit erlernt, d. h. eingeübt wird. Die begleitende Willensbeherrschung braucht dann noch mehr Zeit – und Anleitung.

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In meiner Facebook-Blase taucht immer wieder ein Foto und Spruch der oberösterreichischen Gerichtspsychiaterin und Autorin des giftgrünen Büchleins „Dummheit“ (Verlag Kremayr & Scheriau, 2021) Heidi Kastner auf, der sinngemäß lautet, heute würden sich dumme Leute ihrer Dummheit nicht mehr schämen.

Wie könnten sie auch – wenn sie ihre von Kastner diagnostizierte Dummheit gar nicht wahrnehmen … denn würden sie das, wären sie ja nicht mehr dumm.

In ihrer Tätigkeit als Gerichtssachverständige wäre sie immer wieder mit leicht intelligenzgeminderten Menschen konfrontiert gewesen, schreibt Kastner – aber es sei meist Gier, Wichtigtuerei oder die Unwilligkeit, Grenzen zu akzeptieren, die sie vor Gericht gebracht hätten, und so teilt sie diese Personen auch in „Lernverweigerer“ und „Denkfaule“ ein, erweitert mit „Querulanten“, „Faktenverweigerern“, „Ignoranten“, „Verschwörungstheoretikern“, und widmet sich schließlich denen, denen aus ihrer Sicht „emotionale Empathie“ fehlt. Aber gibt es denn auch eine andere als emotionale? Aus psychotherapeutischer Sicht bedeutet Empathie 100%ige Einfühlung – also viel mehr als nur Mitgefühl; sich in jemand anderen „hineindenken“ oder ihn bzw. sie verstehen zu können, ist daher keine Empathie (weil dies heute ja ein Modewort geworden ist). Darüber bei Carl R. Rogers (1902–1987), der als erster Empathie als Heilfaktor erkannt hat (und den ich noch als Ausbildner erleben durfte), nachzulesen, ersetzt nicht die Bereitschaft und Erfahrung, sich von Gefühlen anderer zutiefst betreffen zu lassen – besonders, wenn man an die Grenze der Unerträglichkeit kommt (wie z. B. der Machtlust von Sexualstraftätern). Deswegen hat Rogers auch immer davor gewarnt, zu werten bzw. zu bewerten – und deswegen habe ich publizistisch davor gewarnt, als Psychotherapeuten zu „begutachten“ (weil unsere Beziehungsformen wie auch Sprache vermutlich therapeutisch wirkt und daher die Gesprächspartner:innen verändert – und das ist nicht der Sinn einer Begutachtung „im Nachhinein“). Weiterlesen

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler kann sich eine auf „Hass im Netz“ spezialisierte Staatsanwaltschaft ähnlich der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft vorstellen, wie sie in der ORF-Sendung „Im Journal zu Gast“ von sich gab (Hass im Netz: Ruf nach eigener Staatsanwaltschaft – news.ORF.at).

Aber wäre es nicht sinnvoller, nicht nur Hass, und nicht nur im Netz, sondern Terror und da eben auch Psychoterror, und zwar als Gesundheitsschädigung, für eine Qualifizierung vorzusehen? Und vor allem Richterschaft und Exekutive hierfür besonders zu schulen? Und nicht nur Strafverschärfung bei Suizid oder Suizidversuch (§ 107 a (3) StGB) vorzusehen, sondern generell bei Todesfolge (z. B. bei manipulierten Kraftfahrzeugen)?

Leider kommt es häufig vor, dass sich sogar Fachleute (Ärzteschaft mitgemeint) in Konfrontation mit erschreckenden Geschehnissen zur Abwehr emotionaler Betroffenheit in makabre Scherze oder Zynismus flüchten – oder in Ungläubigkeit. Ich erinnere mich an viele derartige Reaktionen in meinen zahlreichen Seminaren „Wahrheitsfindung nach Vergewaltigung“ für das Innenministerium in den 1990er Jahren; aber einmal berichtete ein Kriminalbeamter von einem Fall, bei dem er und die Kollegen (damals nur Männer) der überlebenden Frau nicht geglaubt hätten – bis sich bei Nachfolgetaten herausgestellt hatte, dass deren Bericht hundertprozentig wahr war – und man hätte vorbeugen können, wenn man die Frau ernst genommen hätte.

In der Fachsprache heißt das „sekundäre Viktimisierung“ – es wird die verletzte Person ein zweites Mal verletzt.

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