Mit großem Interesse habe ich die ORF-Berichterstattung vom niederösterreichischen SPÖ-Parteitag in Schwechat verfolgt – und war entsetzt. Da rief doch die designierte Parteivorsitzende und damit auch Oppositionsführerin Dr. med. Pamela Rendi-Wagner eine Kampfansage ins Publikum und nannte dabei die derzeitige Regierung „asozial“.

Damit kein Missverständnis entsteht: Mir ist klar, dass einige Regierungs-Vorhaben nicht dem entspricht, was die SPÖ als sozial bezeichnet wissen will – trägt sie doch das programmatische Wort in ihrem Namen: „sozial-demokratische“ Partei. (In der Zeit, als ich Mandatarin der SPÖ war, hieß sie noch „sozialistische“ Partei Österreichs.) Auch die Nationalsozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (NSDAP) beanspruchte diese Bezeichnung für sich. Allerdings besteht ein Unterschied, wenn einem Begriff die Endsilbe „-istisch“ angefügt wird: Dann will man auf eine Steigerung, Übertreibung oder Verzerrung hinweisen. Biologisch ist beispielsweise etwas anderes als biologistisch. Und auch zwischen human und humanistisch besteht solch eine Differenzierung.

Wenn sich daher eine Partei beispielsweise als christlich-sozial bezeichnet, ist das eine andere Selbstdarstellung als würde sie sich christlich-sozialistisch nennen … und dann kann man überprüfen, wie weit ihre Programme und Handlungen der christlichen Soziallehre entsprechen. Das setzt allerdings einen Dialog voraus (der dringlich und sinnvoll wäre) – nicht aber einseitige Etikettierungen.

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Über 3.600 nachgewiesen missbrauchte Kinder und Jugendliche (die meisten unter 14 Jahren) bei über 1.600 Klerikern (ohne geschätzte Dunkelziffern), das ist die erschütternde Anzahl von sexuellen Übergriffen, die eine neue Studie im Auftrag der deutschen Bischofskonferenz zu Tage brachte. Von den Forschern wurde dabei eingemahnt, dass die Thematik weiter bearbeitet gehöre – vor allem seien die kirchlichen Machtstrukturen, die Verpflichtung zur Ehelosigkeit wie auch der problematische Behandlung von Sexualität und besonders Homosexualität in der Kirche zu hinterfragen. (https://www.abendblatt.de/politik/article215410889/Katholische-Kirche-stellt-Studie-zu-sexuellem-Missbrauch-vor.html)

Dass in straffen Hierarchien viele Filter das Aufsteigen von beschämenden Informationen aus dem Untergrund in die Höhen interner oder externen Öffentlichkeit be- bzw. verhindern, betrifft allerdings nicht bloß die „Institution“ Kirche – das fängt schon in der „Institution“ Familie an. Deswegen braucht es ja Orte des Vertrauens, wo man sich furchtlos äußern kann. Genau diesen Ort stellt die katholische Männerkirche nicht dar – dabei wäre jeder Ort der Seelsorge (im weitesten Sinn) die richtige erste Zuflucht – wie auch Arzt- oder Psychotherapie-Praxen, Beratungsstellen und viele andere Gewaltschutzeinrichtungen. Nur: Auch dort können Wölfe im Schafspelz sitzen. Oder anders formuliert: Männer, die ihre (sexuelle) Männlichkeit nicht kontrollieren (können oder wollen).

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„Der Preis für Macht und Autorität ist das Ablegen von Weiblichkeit“, wird die Politikforscherin Kathrin Stainer-Hämmerle im Kurier vom 25.09.2018, Seite 2, zitiert, und: „Dass eine Frau in einem Kleid auf der Bühne steht und ruft ,Alle mir nach!‘ widerspräche den gängigen Vorstellung einer Führungsfigur.“ Diesen Behauptungen widerspreche ich sehr energisch – denn mit genau solchen Sätzen werden Legenden gebaut.

Offensichtlich ist der Forscherin das berühmte Gemälde „Die Freiheit führt das Volk“ von Eugène Delacroix (1798–1863) nicht im Sinne: Da ist die Freiheit als barbusige Frau dargestellt, die den Männern voran geht. Sie „führt“. Weiblicher geht wohl nicht mehr … und wenn man in dem Buch „Symbole der Macht – Macht der Symbole. Die Französische Revolution und der Entwurf einer politischen Kultur“ der kalifornischen Geschichtsprofessorin Lynn Hunt (* 1945) dazu nachliest, weiß man auch, warum. Hunt schreibt über die vielen Darstellungen der Figur der „Freiheitsgöttin“: „Wie eine Heilige der Gegenreformation stand sie für die Tugenden, die von der neuen Ordnung so sehr herbeigesehnt wurden: die Überwindung von lokaler Beschränktheit, Aberglauben und Partikularismus im Namen eines disziplinierten und universellen Kultes.“ (Seite 82.)

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Es war einmal … ein Bundeskanzler, der hielt Stellung trotz Dialyse. Eine Gesundheitsministerin, die führte ihre Geschäfte trotz Chemotherapie. Ein Außenminister, der führte Österreich in die EU trotz schwerster Parkinson-Symptome. Ein Nationalbankpräsident, der lenkte Österreichs Währungspolitik trotz Schlaganfall, Aphasie und Rollstuhl. Menschen mit Verantwortungsgefühl eben.

Es gibt aber auch Menschen, die steigen aus, wenn es für sie nicht mehr stimmt … und wagen sich in eine unsichere Zukunft hinein. Aber sie bestellen vorher ihr Haus. Franz Werfels Novelle vom „Tod des Kleinbürgers“ fällt mir ein, der sein schwindendes Leben hinauszögern will, damit seine Frau in den Genuss seiner Versicherungsprämie kommen kann…

Und dann gibt es Menschen, die schmeißen alles hin, wenn es sie nicht mehr freut. Weiterlesen

Wie kommt es, dass manche Leute wildfremden Anrufern Geld oder kompromittierende Sexfotos von sich selbst anvertrauen, wurde ich unlängst gefragt. Weil sie es schaffen, ihre Ausbeutungs-Opfer in bestimmte Gefühlszustände zu versetzen, lautete meine Antwort, und: Weil viele Leute „Höflichkeit“ höher wertschätzen als Mißtrauen, Zögerlichkeit oder Widerstand.

Es sind vor allem Personen mit altertümlich klingenden Vornamen, die sich diese Telefongaukler heraussuchen, um ihnen Angst zu machen, ihrem Kind oder Kindeskind drohe eine Anzeige und nur sie als vermeintliche Polizisten könnten dies abwenden. Andere geben sich als Inkassobeauftragte aus und behaupten forsch bei Jüngeren, sie hätten eine offene Rechnung einzutreiben. Oder man hätte ihr Auto beschädigt … oder den Gartenzaun … Es geht immer darum, psychischen Druck auszuüben und das gelingt, wenn man der anderen Person so ungute Gefühle macht, dass sie alles tut, um aus dieser Bedrängnis (strafrechtlich je nach Wortwahl: Nötigung oder Erpressung) herauszukommen.

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Efgani Dönmez kanns nicht lassen. Mein Vergleich mit den lykischen Fröschen, die unentwegt weiterquaken (mein Brief gegen Gewalt Nr. 69, „Froschmänner“ s. www.haltgewalt.at, wo alle meine Briefe zu finden sind) vom 03.09.2018) hat sich bewahrheitet … dennoch wirft seine „Aggressivbeschwerde“ gegen „Binnen-I-Feministinnen, welche nicht Informationsarbeit, sondern Erziehungsarbeit, statt Aufklärungsarbeit einseitig verkürzte Meinungen verbreiten“ (www.oe24.at/oesterreich/politik/Wirbel-um-Anti-Sexismus-Trainings/348099137?sc_src=email_1457217&sc_uid=sZOUbgJkX1&sc_llid=3270&sc_eh=a5d69149b3c4f2131)  Licht auf einen Umstand, der es meiner Ansicht nach wert ist, genau diskutiert zu werden: Wie „erzieht“ man „unerzogene Menschen“?

Christine Bauer-Jelinek, gelernte Volksschullehrerin und selbsternannter Wirtschaftscoach (als Psychotherapeutin verfügt sie offensichtlich über keine Zusatzbezeichnung, ist daher keiner „Schule“ zuzuordnen, was ich sehr schade finde, weil damit fachlicher Diskurs über Grundlagen, Sichtweisen und Ziele ausgeschlossen wird) neigt ausbildungsgemäß zu einem pädagogisierenden Stil (wobei ihre „Stundenzusammenfassungen“ am Ende ihrer Buchkapitel ja durchaus hilfreich sind!). Dass das manchen Lernunwilligen nicht recht ist, kann wohl gut nachvollzogen werden. Nur: Jede Lernverweigerung weist darauf hin, dass die „Didaktik“ der Unterrichtswilligen verbesserungsbedürftig ist.

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Man solle doch nicht alles gleich hochspielen, lassen sich manche professionelle Kommentatorinnen vernehmen (vgl. profil 37/ 08.09.2018, Seite 11), wenn es um den Vorwurf sexistischer Diskriminierungen geht, manche redeten halt gelegentlich „dummes Zeug“. (Interessanterweise kommen solche Abwiegelungsversuche bei rassistischen Entgleisungen nicht vor!)

Ursprünglich nur auf Frauen bezogen, kann Sexismus heute geschlechtsneutral unterschieden werden in einen direkten, in dem Betroffene ohne sachlichen Grund konkret abgewertet bzw. ausgeschlossen werden, und einen indirekten, bei dem die dementsprechende geistige Einstellung maskiert wird – beispielsweise als Kontaktversuch, naive Frage oder Scherz. Allerdings hat schon Sigmund Freud in seiner Abhandlung über den Witz und seine Beziehung zum Unbewussten zwischen tendenziösen, also eigentlich aggressiv auf Verletzung zielenden, und nicht tendenziösen (einfach nur albern-lustigen) unterschieden. Diese Unterscheidung ist auch bei der Bewertung von Sexismus-Vorwürfen hilfreich. (Das steht auch in meinem Buch „Heilkraft Humor“.)

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Und wieder hat ein Referent des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einen Afghanen, der als Fluchtgrund seine Verfolgung als Homosexueller angegeben hatte, nicht geglaubt, und diesmal deshalb, weil er auf dessen Smartphone keine Homosexuellen-Pornos gefunden hatte (Der Standard, 8./9. 9. 2018, Seite15).

Ich frage: Muss man (oder frau) zum Beweis der geschlechtlichen Orientierung Pornos schauen? Und sich vielleicht an ein Biofeedback-Gerät anschließen lassen, damit der Herr Referent (denn ich vermute, dass es ein Mann war, der sicher ist, dass seine eigenen sexuellen Gewohnheiten „normal“ im Sinne von Alltagsgewohnheit sind, d. h. von allen anderen Männern geteilt werden) an den Reaktionszeichen überprüfen kann, bei welchen Bildern die Erregungskurve des jeweiligen Probanden steigt? (Hoffentlich habe ich jetzt die Mitarbeiterschaft des BFA nicht auf diese menschenrechtsverletzende Idee gebracht – die hatten nämlich schon einige Wissenschaftler.)

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In Ovids Metamorphosen gibt es die Geschichte von den lykischen Bauern, die von der Göttin Altona in Frösche verwandelt wurden, weil sie ihr das Trinken aus einem See verweigerten – aber sie lernen nichts daraus sondern quaken weiter böse Worte: lateinisch klingt dies lautmalerisch „Quamvis sunt sub aqua, sub aqua maledicere temptant“, d. h. Wort für Wort übersetzt: „Wenn sie auch sind unterm Wasser, unter Wasser übelzureden versuchen sie weiter“. (Das „sub aqua, sub aqua“ ahmt das Froschgequake nach.) Daran musste ich denken, als ich die üble Nachrede – das Übelgequake – des 42jährigen Nationalratsabgeordneten Efgani Dönmez las (https://orf.at/stories/2453419/2453420), indem er auf die Frage, wie die 40jährige, verheiratete Diplompolitologin Sawsan Chebli in Deutschland SP-Staatsekretärin geworden wäre, ätzte, man(n) möge sich doch ihre Knie ansehen (Klartext: Möglicherweise weil sie einflussreiche Männer kniend sexuell bedient habe).

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