Sich nicht klar auszudrücken, ist eine der häufigsten Ursachen für Konflikte. Meist will sich jemand nicht festlegen, hat vielleicht alte Kindheitsängste vor Negativreaktionen der jeweiligen Vorgesetzten – Eltern mitgemeint – oder er oder sie hatte nur solche Vorbilder mangelnder Selbstbewusstheit. Oder aber er oder sie ist zu Recht besorgt, keine passenden Formulierungen zu finden – vor allem wenn Zorn oder Wut „zu Kopf steigt“.

„Sich seines Selbst bewusst“ zu sein bedeutet, „zu sich zu stehen“, vorausgesetzt allerdings, dass man auch eine eigene Position besitzt. Solch eine zu entwickeln, braucht Zeit – und einer der Gründe, weswegen Menschen mit Zeitdruckmache gehetzt werden, liegt im Verhindern, dass sie nachdenken oder nachfühlen. „In sich hineinzufühlen“ zeitigt oft gegenteilige Erkenntnisse, als das übliche angepasste Funktionieren, zu dem oft schon von klein auf hin dressiert wird. Deswegen finde ich beispielsweise „Schulspiel“ so wichtig – denn da können „SuS“ (d. h. Schülerinnen und Schüler) die eigene Kongruenz (das heißt die innere Wahrheit mit der nach außen „verkörperten“) in der jeweiligen „Rolle“ trainieren – und damit auch umgekehrt die eigene „Echtheit“ (Authentizität) im Alltag.

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In dem Buch „Deglobalisierung“ des Schweizer Allgemeinmediziners und – Eigendefinition „1968ers“ – Luzerner Ex-Mandatars Peter Mattmann-Allamand (Promedia Verlag 2021) habe ich vieles wiedergefunden, was ich seit gut drei Jahrzehnten immer wieder in Erinnerung rufe: Dass wir in allen Bereichen zur Ganzheitlichkeit zurückkommen müssen, wenn wir nicht „durch Einseitigkeit abstürzen wollen“. Zur Verdeutlichung verwende ich schon seit damals immer das Gleichnis vom Baum, dessen Wurzeln immer stärker und größer werden müssen, wenn seine Krone wächst – sonst fällt er irgendwann um und zerbricht.

So zeigt Mattmann-Allamand anschaulich die Negativfolgen einer global gesteuerten und primär auf Gewinn und unaufhörliches Wachstum zentrierten Wirtschaft, die beispielsweise ihre Produktionsstätten immer wieder dorthin verlagert, wo die Arbeitskosten am billigsten sind, oder militärische Absicherungen ihrer Investitionen unter dem Friedensetikett propagiert, indem sie durch Errichtung von „Stützpunkten“ ihre „Schutzbereitschaft“ demonstriert. Sichtweisen, die für einen Gesamtüberblick hilfreich sind – welche der gegensätzlichen politischen Bestrebungen man dann unterstützen oder bekämpfen mag, ist eine andere, höchstpersönliche Frage.

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„Dass in Frankreich die Schweigepflicht der katholischen Priester vom Staat infrage gestellt wird, veranlasst den Vatikan zu einer scharfen Reaktion.“, heißt es im Kurier vom 18. Oktober 2021 (S. 3), jedoch in Österreich gelte die Beichte weiterhin als unantastbar, wird nachfolgend beruhigt.

Naja. Da bin ich skeptisch – denn bei der durchaus gleichwertigen Verschwiegenheitspflicht der Psychotherapeut:innen gehen die Fachmeinungen auseinander. (Ich sehe das als ethisches Problem: Prinzipiell Schweigepflicht – nur wenn man ein höherwertiges Gut – Leben oder Gesundheit etwa – retten will, ist die Verantwortung für den allfälligen Bruch zu übernehmen; den Wissensdurst der Juristenschaft oder mediale Neugier zu stillen, ist aus meiner Sicht kein höherwertiges Gut.)

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Da wurde unlängst eine 44jährige Kindergartenleiterin im Burgenland – nicht rechtskräftig – zu einem Jahr bedingte Haft verurteilt (Ein Jahr bedingte Haft – Pädagogin quälte ihre Schützlinge im Kindergarten | krone.at). Wenn ich zurückrechne, so müsste die Frau ihre Ausbildung so um die Jahrtausendwende absolviert haben. Da war das Züchtigungsverbot von Kindern bereits etwa zehn Jahre in Kraft … also ist anzunehmen, dass das kriminelle Fehlverhalten nicht Wissensmangel war, sondern vermutlich Machtrausch – und dazu noch Sadismus.

Machtrausch besteht (im Gegensatz zu Macht) in der Unwilligkeit bzw. Unfähigkeit zu ertragen, dass jemand anders reagiert als erwartet wie z. B. mit Unterwerfung und Gehorsam. Dazu gehört auch Liebedienerei bis hin zur Speichelschleckerei (auf Anführung des A-Worts, mit dem dieses Verhalten am anderen Ende des Verdauungstrakts bezeichnet wird, verzichte ich).

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Da war ich doch vorige Woche zu einem Klubabend einer Vereinigung, die „katholisch“ in ihrem Namen trägt, eingeladen, um mein heuriges Frühjahrs-Buch „Mit Recht und Seele“ (basierend auf meiner jahrelangen Lehrveranstaltung „Angewandte Sozialpsychologie für JuristInnen“ am Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Wien) vorzustellen. Der Tenor meines Bemühens war und ist Propaganda für wertschätzende Kommunikation – vor allem um Workplace Violence und andere Racheakte (wie auch indiskrete Weitergabe von Informationen, die der Amtsverschwiegenheit unterliegen müssten, welche dann auch wiederum Gewalthandlungen hervorrufen könnten) präventiv zu verhindern. Immerhin gab es in den vergangenen Jahren einige Messer- wie auch Schussattacken auf Gerichtsangehörige, Kommunalbeamte, Bürgermeister, aber auch andere Angehörige mit staatsverliehener Autorität.

Von den gut vierzig Anwesenden waren etwa die Hälfte honorige Senioren aus juristischen Arbeitsfeldern – aber die andere Hälfte waren ganz anders, schon von Aussehen und Gehabe, „interessierte“ Gäste, aber nicht an meinen Überlegungen, wie ich leidvoll erfuhr, sondern an anklagend-aggressiver Agitation gegen die Regierung und deren Zumutung, sich gegen das Covid-19-Virus impfen zu lassen.

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Da kreiert doch heute Ronald Pohl – die Edelfeder der Tageszeitung Standard – den Neologismus „Regierungs-Rotwelsch“ für die unsäglichen Sager in den öffentlich gewordenen Chat-Protokollen von, nein, nicht Hinz und Kunz, sondern Schmidt und Kurz.

Ja, sowas entsteht, wenn man sich als Volksvertreter an Mundl Sackbauer („Ein echter Wiener geht nicht unter“) orientiert – aber halt, gehört diese legendäre Wiener Volksfigur nicht zum sogenannten Pöbel?

„Anpöbeln“ ist eine Attacke mit offenem Visier – der schleimende Mund wird öffentlich. Ich erinnere mich an die Aussagen des ehemaligen Nationalratspräsidenten Andreas Khol, der zu Ende der langjährigen großen Koalition, vom ORF angeekelt, formulierte, dass einem „wo immer man den Einschaltknopf betätigte, rote Gfrieser entgegen geronnen sind“ (Parlamentarische Materialien) – aha, dachte ich mir damals, dazu gehörte also auch meines, und daher konnte ich sein mehrfach demonstriertes Ignorieren meiner Person (z.B. bei gemeinsamen Podiumsauftritten oder anderen Zusammentreffen) elegant übergehen ohne mich zu kränken.

Wolfgang Schüssel wiederum erregte als Außenminister durch sein legendäres Frühstücks-Interview, in dem er den deutschen Bundesbankpräsidenten Tietmeyer als „richtige Sau“ bezeichnete (Loses Mundwerk – DER SPIEGEL), internationale Aufmerksamkeit sogar auch „der dritten Art“, als er nachher versuchte, seine „tief“gründigen Bewertungen abzustreiten.

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In den heutigen Nachrichten rund um die Anschuldigungen gegen den Bundeskanzler – vorerst stellvertretend für mehr oder weniger nahe Mitarbeiter der letzten Jahre – fiel mir auf, dass immer wieder die Forderung nach einer „untadeligen“ Person für dieses Amt erhoben wurde.

Das habe ich mit einer Mischung von Befremden wie auch Amüsement aufgenommen. „Untadelig“ ist nämlich nur eine Bewertung – es ist aber keine Tatsachenaussage.

Tatsächlich kann man nach Lust und Laune tadeln – und das geschieht ja seit vielen Jahren: in Beziehungen, in Familienzweigen, in schulischen Einrichtungen, beim Militär … und besonders gern in Medien.

In den verschiedenen psychotherapeutischen Schulen findet sich hingegen überall der Grundsatz und die Mahnung: Die „Person“ ist immer zu respektieren – nicht aber ihr konkretes Verhalten, denn das unterliegt ihrer Willensfreiheit. Genau das überprüfen ja dann die jeweils zuständigen Gerichte und verlangen Beweise, und wenn sich diese jenseits der – aus welchen Absichten heraus – unterstellten Motive mehrdeutig erweisen, wird durch die Befragung der „getadelten“ Person zu erspüren versucht, ob diese ihr Verhalten so glaubhaft erklären kann, dass man sie als von Schuld freisprechen kann oder eben nicht.

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Günter Kaindlstorfer bewirbt auf Facebook seinen heutigen „Kreuz und Quer“-Beitrag über das „Scheitern“.

2019 habe ich in der evangelischen Pfarre Traiskirchen einen Vortrag unter dem Titel „Scheitern tun nur Schiffe“ gehalten: Halt! Gewalt! › SCHEITERN tun nur Schiffe (haltgewalt.at). Mir war dabei wichtig darauf aufmerksam zu machen, wie mit der Metapher eines Schiffbruchs Katastrophenstimmung vermittelt wird – daher würde ich, wenn es schon unbedingt Kapitäns- oder Matrosensprache sein soll – lieber Formulierungen wie „Wendepunkt“ oder „Kurskorrektur“ verwenden.

Überhaupt Katastrophenstimmung: Die wird vielfach aufgebaut, wenn sich etwas ereignet, das man so gar nicht will – beispielsweise ein Fleck (Nicht genügend) in einem Zeugnis; nicht, weil das so furchtbar wäre … furchtbar sind eher die Reaktionen der Eltern oder sonst Nahestehenden (denn bei Entfernteren ist es meist unerheblich). Anderes Beispiel: Die Beendigung einer „Beziehung“ – oder was man dafür gehalten hat. Denn nur privates oder berufliches Zusammenwirken ist noch lange keine echte Beziehung, sondern man „hat nur gemeinsame Bezugspunkte“.

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Gabriela Gödel kritisiert in der Kronen Zeitung, dass im Gerichtsverfahren gegen den Mann, der seine Lebensgefährtin nach Niederschlagen und Würgen schließlich bei lebendigem Leib dem Verbrennungstod überlassen und dazu noch den Zugang zum Tatort, ihrer Trafik, versperrt hatte, das Video ihres Sterbens – die Kamera hatte der Eifersuchtswütige selbst installiert – gezeigt wurde.

Ihren Vorschlag, es nur den Geschwornen zu zeigen, verstehe ich – verteidige aber die derzeitige Gesetzesregelung der absoluten Öffentlichkeit, ausgenommen es würde das Menschenrecht auf Schutz der Privatheit (der sexuellen Intimität) verletzt. Der Videobeweis ist unabdingbar, wenn der Angeklagte seine Absicht bestreitet – und das tat er ja – denn im Wahr-nehmen seines Tuns wird seine Geisteshaltung sichtbar, deswegen heißt das ja auch so.

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Es gibt mehrere Arten von Schweigen, das die Gesundheit schädigt. Eines davon ist das „Machtschweigen“: Dabei wird Fragenden durch Kommunikationsverweigerung demonstriert, wie machtlos, aber eigentlich auch wie wenig sie einem (weil meist männlich) wert sind.

Es gibt aber auch ein Machtlosigkeits-Schweigen: Dabei weiß er oder die andere einfach nicht, „wie tun“. Aber statt das zu sagen – denn dann könnte man ihm oder ihr ja hilfreich entgegenkommen, indem man die eigenen Absichten und Motive verdeutlicht – wird eine geheimnisvolle, jedoch gleichzeitig mehrfach bedeutungsvolle Umrahmung gewählt. Tatsächlich gehört das zu den Methoden des „crazy making“: Die eigene Verwirrung der Gedanken und Gefühle wird auf die andere Person „übertragen“, und die verliert damit ihre Intuition (das „Gespür“);  die ist aber ein wesentlicher Teil von Selbstschutz.

Und dann gibt es das „Angstschweigen“. Das kennen fast alle aus ihrer Kindheit: Eltern, Lehrkräfte oder andere „Autoritäten“ pflegen ja oft vorauseilend einen drohenden Ton anzuschlagen, wenn sie etwas in Erfahrung bringen wollen (und spielen damit ihre Eltern etc. nach) um einem – aus eigenem Erinnerungsschatz – von vornherein „Unschickliches“ zu unterstellen. Wenn etwa das Kind „bedrückt“ heimkommt, wird oft gleich gebellt „Was hast Du schon wieder angestellt?“ – auch wenn es noch gar kein „erstes Mal“ gegeben hat – anstatt besorgt (!) zu fragen „Ist Dir etwas passiert!“. (Tiefenpsychologisch entschlüsselt will man damit Sorgen von sich wegdrängen.)

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