Es gibt mehrere Arten von Angst – vor allem aber ist zwischen Realangst und sogenannter neurotischer (d. h. auf alten biographischen Nervenverbindungen beruhender) Angst zu unterscheiden. Augenblicklich fällt das vielen Menschen ziemlich schwer – wird ja überall von Angst berichtet und das hat auch gute Gründe, dennoch ist die Unterscheidung wichtig und notwendig, um die eigenen Reaktionen steuern zu können.

Nach der Bewusstseinsquadrinität nach C. G. Jung befinden sich Vernunft und Emotionen in einem komplementären Spannungsverhältnis: Je mehr Emotionen überwiegen, desto weniger kann man sachlich denken und umgekehrt, und ebenso verhält es sich mit der Körpersteuerung und der Intuition (Zukunftssicht), denn blind vor Schmerz verliert man die Zukunftsperspektive – außer man hat „gelernt“ (d. h. bereits passende Wahrnehmungs- und Handlungsnervenzellen gebildet),  die körperlichen, seelischen und geistigen Signale so in Einklang zu bringen, dass keines davon dominiert sondern alle gleich verfügbar sind.

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Dass der Tausendmeilenweg mit einem Schritt beginnt, wird Laotse oft zitiert [https://www.aphorismen.de/zitat/13967]. In meiner Sexualtherapie-Ausbildung betonte die Lehrtherapeutin Dr. med. Verena Middendorp, eine gelungene sexuelle Begegnung begänne mit einem freundlichen Zulächeln beim Aufstehen frühmorgens. Dementsprechend könnte man auch sagen, jeder Krieg beginnt mit einer Demütigung – einem Vorenthalten von Respekt – und diese Ur-Sache kann in der frühesten Kindheit wurzeln und ein Leben lang wachsen, wenn sie nicht verändert wird.

Aber so wie der Athener Historiker Thukydides (ca. 454–398 v. Chr.) [https://de.wikipedia.org/wiki/Thukydides] aufzeigte, dass Schönheit im Auge des Betrachters liege, könnte man analog formulieren, dass Demütigung im Herzen des Empfindenden liegt: Ob er oder sie dies dann mit einem souveränen Bonmot, mit Protest oder mit Kampf- und Kriegshandlungen beantwortet, liegt an friedliebender oder kampflustiger Gesinnung – und dem Finden oder Erfinden von alternativen Verhaltensweisen.

Derzeit dominieren Kriegsgesinnungen und mutwillige „erste Schritte“: Das beginnt beispielsweise mit den Bemühungen mancher Aktivist:innen der „cancel culture“ [https://de.wikipedia.org/wiki/Cancel_Culture], die Beseitigung von Erinnerungssymbolen wie Ortsbezeichnungen, Denkmälern oder Museen zu fordern. Ich finde es richtig, von Zeit zu Zeit zu überprüfen, ob das „Denk mal!“ seinen Zweck erfüllt und allenfalls zur Zeit der Einführung positiv Gedachtes durch kritische Zusatzinformationen zu ergänzen, wenn Negatives bekannt wird. Aber Beseitigung bzw. Vernichtung finde ich nicht richtig. Das wäre eine Kriegshandlung.

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Jeder Mensch trifft jeden Tag Entscheidungen: Schon für ein Baby gibt es in jedem Augenblick mehrere Verhaltensmöglichkeiten – aber die Wahl wird spontan, unbewusst getroffen. Manche Menschen behalten diesen „Automatismus“ ihr ganzes Leben bei.

Salutogenese – Aufbau und Förderung von Gesundheit (im Gegensatz zu Pathogenese, der Entstehung von Krankheit) – besteht in meiner Definition im Treffen von bewussten Entscheidungen. Zu diesen gehört auch die jeweilige Wahl der eigenen Gesinnung: Aus welchem „Geist“ heraus soll gehandelt werden – aus einem Kampfgeist oder Friedensgeist? Aus Rachsucht? Eitelkeit? Gier? Zorn? Heißblütig oder eiskalt?

Seit Donnerstag, 24. Februar 2022, dominieren die Berichte und Kommentare zum Einmarsch Russlands in die Ukraine die Schlagzeilen in den Medien, und dabei die Frage, mit welchen Sanktionen (Drohungen, Strafen, Negativfolgen) dieser „Angriff auf Europa“ (Titel auf Seite 1 des KURIER am 25.02.2022) gestoppt werden kann. Das bedeutet, quasi homöopathisch, Gewalt mit Gewalt zu bekämpfen.

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„Die Abwertung des Staates und der Politik haben direkte Konsequenzen für die politische Imagination.“, schreiben der Linzer Wirtschaftsprofessor Walter Ötsch und die streitbare Falter-Redakteurin Nina Horaczek in ihrem neuen Buch „Wir wollen unsere Zukunft zurück! Streitschrift für mehr Phantasie in der Politik“ (Westend Verlag, S. 61). Eine der Ursachen dafür ortet das Autorenduo im propagierten Bild einer „geteilten Welt“: „Auf der einen Seite steht der gute Markt, auf der anderen der böse Staat.“ (S. 60)

Haben wir doch genau jetzt – nur steht dem „bösen Staat“ eine angeblich gute Minderheit gegenüber, die sich als „das Volk“ wähnt – und das reale Volk schweigt. Dabei sind wir doch alle das Volk, das Staatsvolk nämlich, und daher auch der Staat. Wer Zeitgeschichte nicht miterlebt – und auch in der Schule nicht gelehrt bekommen hat – kennt vermutlich nicht die Geschichte des Jahres 1989 und die Entstehung des Slogans „Wir sind das Volk“ im Arbeitskreis Gerechtigkeit Leipzig (Wende und friedliche Revolution in der DDR – Wikipedia) – in einem Arbeitskreis, wohlgemerkt, was bedeutet: kein Gebrüll von anonymen Massen, sondern wohldurchdachter und mutig verantworteter Protest gegen das Terrorregime DDR.

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„Wo beginnt Pfarrerbashing? Oder Papstbashing?“ fragte mich jüngst eine Journalistin im Zusammenhang mit meinem neuen Buch „Das Schweigen der Hirten – Kirche und sexuelle Grenzverletzungen“ (edition roesner, erscheint zum Monatsende). Gute Frage! Laut Wikipedia bedeutet das Wort „öffentliche Beschimpfung“; es stammt vom englischen Wort „bash“ für „Schlag“, und dies finde ich passender: „auf jemand eindreschen“.

In Gesundheitsberufen pflegt man „Differentialdiagnosen“: Man prüft, ob die Symptome auch eine andere Krankheit bzw. Störung anzeigen könnten und arbeitet sich durch Ausschluss von Alternativen zur präzisen Erkenntnis vor. In den systemischen Therapien gibt etwas Ähnliches – die Methode „differenzieren“. Mit ihr wird überprüft, ob ein Wort auch kongruent dem entspricht, was damit beschrieben werden soll; Worte haben ja Suggestivkraft – und oft wird mit einem Alltagswort eine Tatsache verschleiert, verharmlost oder dämonisiert.

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Mit „Lücke im Gesetz: Ausschluss von Homosexuellen in Unterkünften ist legal“ wurde in der Tageszeitung KURIER vom 12.02.2022, Seite 6, informiert, dass der Wiener Michael Hirschmann bei seiner Vermietung von Ferienwohnungen in seinem „Arbeiter-Monteur-Quartier“ im niederösterreichischen Aggsbach Markt seit 2012 zu Recht Hausregeln aufstellen kann, dass homosexuelle Gäste ausdrücklich nicht willkommen seien. (Das gehört zu jedermanns „Hausrecht“ – gehört aber dem gegenwärtigen mitteleuropäischen Menschenrechtsstandard angepasst, denn es besteht ein wesentlicher Unterschied zwischen der eigenen Wohnung und einem Beherbergungsbetrieb.)

Mir geht es hier aber nicht um diese „Lücke im Gleichbehandlungsgesetz“, die zu schließen von SOS Mitmensch gefordert wird. Mir geht es um die erschreckende Unwissenheit dieses Quartiergebers. Denn der Herbergswirt argumentiert, er tue dies „aus Sorge vor Syphilis und Aids“.

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Als ich ein Volkschulkind war, ergötzte ich mich an dem Gedichtlein „Finster war’s, der Mond schien helle, Schnee lag auf der grünen Flur, als ein Wagen blitzesschnelle langsam um die Ecke fuhr. Drinnen saßen stehend Leute, schweigend ins Gespräch vertieft, als ein totgeschoss’ner Hase auf einer Sandbank Schlittschuh lief.“ Ob es noch weiter ging, weiß ich nicht … aber daran musste ich heute denken, als ich am Mittwoch (09.02. 2022) im KURIER auf Seite 21 den Artikel „Brennende Fragen nach Handydaten“ las.

Kurzer Inhalt des Berichts: Die Staatsanwaltschaft Wr. Neustadt lehnte die Auswertung der Mobilfunkdaten zur Ausforschung der möglichen Verursacher der Riesenbrandkatastrophe in Hirschwang an der Rax vom Herbst 2021 auf Grund der minderen Strafdrohung (bis zu einem Jahr bei Fahrlässigkeitsdelikten) ab. Es wurde also offenbar nur vom Achtsamkeitszustand der möglichen Verursacher ausgegangen – aber nicht von den Folgen. Diese waren: 13 Tage lang mussten 9.000 Einsatzkräfte gegen den Riesenbrand ankämpfen, 14 davon erlitten Verletzungen, der Forstschaden wird mit 30 Millionen Euro beziffert – von den Ängsten der im Nahumfeld betroffenen Bevölkerung ganz zu schweigen (und auch der ferneren: ich beispielsweise war in meiner Vorschulzeit bei einem meiner Onkel, Förster in Naßwald, im Höllental auf Besuch und erinnere voll Liebe diese Gegend, und habe mitgefühlt, mitgelitten und mitgezittert).  Und da rede ich noch nicht an die großflächige Beschädigung des Gesundheitsareals, von dem auch Teile des Wiener Wassers stammen und des „genius loci“ – des „spirituellen Geistes des Ortes“. In meinem Theologiestudium ging die Alttestamentlerin mit der Seminargruppe der Lehrveranstaltung „Heilige Berge“ auf die Rax!

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Die böseste Frage an Kinder, die es gibt, lautet: „Wen hast du lieber – die Mama oder den Papa?“ und ich nehme an, dass sie fast jede:r einmal gehört hat (meist von Großeltern, Tanten oder Onkeln). Tief verwurzelt in der Menschheitsgeschichte, lässt uns das Sicherheitsbedürfnis (2. Stufe der Bedürfnispyramide nach Abraham Maslow Maslowsche Bedürfnishierarchie – Wikipedia) nach Gleichen suchen und Andere als Feinde erleben.

So erging es einer Bekannten von mir, die, nachdem sie ihren Job als Führungskraft in einem Sozialbetrieb verloren hatte, erleben musste, dass die zuständige Jugendamtssozialarbeiterin den finanziell potenten (außerehelichen) Kindesvater – entgegen den Berichten des unterversorgten Sohnes – für die Obsorge geeigneter hielt als die beruflich entwurzelte Kollegin. Als diese in ihrer Verzweiflung gegenüber der Jugendamtspsychologin hervorstieß, manchmal wünsche sie sich, dass ein Lastwagen die Sozialarbeiterin zusammenfahren würde, fiel der Akademikerin nichts anderes ein, als dies sofort der Sozialarbeiterin mitzuteilen, worauf die wiederum die Kindesmutter bei Gericht anzeigte. Als langjährige Gerichtssachverständige für Kunstfehler in der Psychotherapie stelle ich dazu fest: zweimal Mangel an professioneller Impulskontrolle, zweimal Verletzung der Verschwiegenheitspflicht. (Bei Gericht wurde der Wutausbruch der Mutter jedoch sofort als das erkannt, was er war: ein Sich-Luft-machen im Vertrauen, aber keine wohldurchdachte Absichtserklärung.)

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Es gibt Wochen, da drängen sich nur so die Geschehnisse, in denen wohlversteckte Gewalt hervorlugt – und ich mir dann bewusst Zeit lasse, welches Thema ich als erstes aufgreifen will, denn jede Form von Druck – ob Zeitdruck, Leistungsdruck oder auch der der „Qual der Wahl“ – bedeutet auch, sich selbst Gewalt anzutun.

Eines der Themen, die meine Aufmerksamkeit auf sich zogen, war die sogenannte Lobau-Bewegung: „Camp weg, Protest bleibt“ titelte Der Standard (05./06.02.2022, Seiten 9–11): „Es begann mit einer Handvoll Menschen, die sich einem Bagger entgegenstellten, um ein Bauprojekt zu verhindern“ hieß es weiter von der „aufsehenerregenden Protestaktion“, auch wegen des Verhaltens der Stadtverantwortlichen, die letztlich das Camp räumen ließen – und damit auch die „Pyramide“, das Herzstück der „Wüste“. Ein Kunstwerk? Zumindest ein Zeitzeichen. Es wird zukünftige Generationen wohl nur mehr auf Fotos an das „handfeste“ Engagement der Öko-Aktivisten (kann man sie so nennen? Oder besser Klimabewegten? Warum gibt es noch keinen seriösen Namen für diese wachsende Zahl derjenigen, die den Kritikern wachsender Bodenversiegelung eine Stimme geben?) erinnern … während Denkmäler und Straßennamen derjenigen erhalten bleiben, die nicht gegen den Naziterror gegen die ungewollten Bevölkerungsteile protestierten.

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Das Jahr 2022 wird wohl als Jahr der Indiskretionen in die österreichische Polit-Geschichte eingehen. Damit ich nicht missverstanden werde: Ich war immer schon und bin auch nach wie vor für Transparenz und damit für eine klare Sprache – ich will mich auskennen und andere sollen das auch können. Deswegen halte ich es auch im Sinne der Analytischen Psychologie von C. G. Jung für wichtig, dass man auch den jeweiligen „Schatten“ – die dunkle, weil noch unbeleuchtete Rückseite jedes Seins – kennt und in Ruhe ihre Vor- und Nachteile analysiert.

Manche, die sich als Whistleblower fühlen, handeln aber nur aus narzisstischen Motiven, in Anbiederung zwecks der „15 Minuten medialen Ruhms“ (Andy Warhol), aus Enttäuschung oder Rache – bedienen aber dennoch nur Voyeurismus und einseitige Vorurteile.

Derzeit wird Empörung über die sogenannten Sideletters von Koalitionären – Nebenabsprachen z. B. über Postenbesetzungen – geschürt. Michael Völker im Standard (31.01.2022, Kommentar-Seite 20) titelt dazu „Gift für die Demokratie – Der maßlose Einfluss der Parteien gehört zurückgedrängt – Transparenz soll helfen“. Auf der Thema-Seite 2 berichten hingegen ehemalige Regierungsmitglieder von der seit langem parteiübergreifenden Übung solcher Verschriftlichungen von Absichten, quasi als vorbeugendes Heilmittel gegen Streit und Klimavergiftung.

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