Die böseste Frage an Kinder, die es gibt, lautet: „Wen hast du lieber – die Mama oder den Papa?“ und ich nehme an, dass sie fast jede:r einmal gehört hat (meist von Großeltern, Tanten oder Onkeln). Tief verwurzelt in der Menschheitsgeschichte, lässt uns das Sicherheitsbedürfnis (2. Stufe der Bedürfnispyramide nach Abraham Maslow Maslowsche Bedürfnishierarchie – Wikipedia) nach Gleichen suchen und Andere als Feinde erleben.

So erging es einer Bekannten von mir, die, nachdem sie ihren Job als Führungskraft in einem Sozialbetrieb verloren hatte, erleben musste, dass die zuständige Jugendamtssozialarbeiterin den finanziell potenten (außerehelichen) Kindesvater – entgegen den Berichten des unterversorgten Sohnes – für die Obsorge geeigneter hielt als die beruflich entwurzelte Kollegin. Als diese in ihrer Verzweiflung gegenüber der Jugendamtspsychologin hervorstieß, manchmal wünsche sie sich, dass ein Lastwagen die Sozialarbeiterin zusammenfahren würde, fiel der Akademikerin nichts anderes ein, als dies sofort der Sozialarbeiterin mitzuteilen, worauf die wiederum die Kindesmutter bei Gericht anzeigte. Als langjährige Gerichtssachverständige für Kunstfehler in der Psychotherapie stelle ich dazu fest: zweimal Mangel an professioneller Impulskontrolle, zweimal Verletzung der Verschwiegenheitspflicht. (Bei Gericht wurde der Wutausbruch der Mutter jedoch sofort als das erkannt, was er war: ein Sich-Luft-machen im Vertrauen, aber keine wohldurchdachte Absichtserklärung.)

Eigentlich hätten die beiden amtlichen „Helferinnen“ wegen dieser „Petze“ abgemahnt gehört – sie hatten ja auf Anonymität verzichtet. Anders die Naderer, die derzeit vertraulich gemeinte hochemotionale Chatnachrichten, an die sie auch nur aus ihrer Berufsnähe herankommen konnten, anonym den Medien zuspielen: „Ein garstig Lied! Pfui! ein politisch Lied / Ein leidig Lied!“ lässt Goethe den Zecher Brander in Auerbachs Keller dröhnen. Stimmt. Aber dass ein „Gassenhauer“ draus wird – dafür sorgen die Medien, die die Nachricht verkaufen – wie der Hehler das Diebesgut. Das finde ich Pfui.

Und dann das Moralisieren der ausnahmsweise (noch) nicht Betroffenen (ich hätte da auch einiges aus meiner Zeit als Mandatarin der SPÖ Favoriten zu erzählen, und zwar keine Spontanäußerungen, halte es aber wie im Scheidungsrecht: Was ein halbes Jahr vorbei ist, gilt als verziehen! Menschen ändern sich!)

Meinen Klient:innen sage ich immer, wenn sie in der Vergangenheit nach Beziehungs-Müll suchen: „Sie greifen doch auch nicht in die Klo-Muschel und tasten nach der Sch… von vor 14 Tagen – oder? Da machen nur Sie sich schmutzig!“

Und: Ich halte überhaupt nichts von Entschuldigungen oder, wie vom emeritierten Papst Benedtikt XVI., von Bitten um Verzeihung. Schuld gehört vor Gericht oder ins Beichtzimmer – aber für emotionale Äußerungen muss genügen, wenn man sagt: „Da hab ich mich geärgert und dachte, bei Vertrauten kann ich mich psychohygienisch ausschleimen – bitte um Verständnis!“ Kennen wir doch alle von uns selbst.

Übrigens: Ich bin eine (und heimatlose) Linke, aber ich fühle mich mit „Gsindel“ („Rotes Gsindl“: Johanna Mikl-Leitner entschuldigt sich für ihre Wortwahl | SN.at) oder Andreas Khols „roten Gfriesern“ (SPÖ wirft Khol „Demokratiebeschädigung“ vor – Inland – derStandard.at › Inland) nicht gemeint – und ich nehme an, die in der ÖVP, die Michael Häupl als „mieselsüchtigen Koffer“ (SPÖ tobt über „Arbeitsverweigerung“ | DiePresse.com) bezeichnet hat, auch nicht. Wie ich bereits in „Briefen gegen Gewalt“, z. B. am 13.01.2016 („Ageismus“) betonte, und wieder am 12.10.2021 („Regierungsrotwelsch“) – alle nachlesbar unter www.haltgewalt.at!) – es ist Wahlkampf … Merkt denn niemand, dass die Oppositionsparteien seit 2017 Permanentwahlkampf machen, und zwar immer mehr den von der dreckigen Sorte? Nur: So will ich Politikagieren in Krisenzeiten nicht erleben. Und immer mehr Österreicher:innen auch nicht.