Verfassungsministerin Karoline Edtstadler kann sich eine auf „Hass im Netz“ spezialisierte Staatsanwaltschaft ähnlich der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft vorstellen, wie sie in der ORF-Sendung „Im Journal zu Gast“ von sich gab (Hass im Netz: Ruf nach eigener Staatsanwaltschaft – news.ORF.at).

Aber wäre es nicht sinnvoller, nicht nur Hass, und nicht nur im Netz, sondern Terror und da eben auch Psychoterror, und zwar als Gesundheitsschädigung, für eine Qualifizierung vorzusehen? Und vor allem Richterschaft und Exekutive hierfür besonders zu schulen? Und nicht nur Strafverschärfung bei Suizid oder Suizidversuch (§ 107 a (3) StGB) vorzusehen, sondern generell bei Todesfolge (z. B. bei manipulierten Kraftfahrzeugen)?

Leider kommt es häufig vor, dass sich sogar Fachleute (Ärzteschaft mitgemeint) in Konfrontation mit erschreckenden Geschehnissen zur Abwehr emotionaler Betroffenheit in makabre Scherze oder Zynismus flüchten – oder in Ungläubigkeit. Ich erinnere mich an viele derartige Reaktionen in meinen zahlreichen Seminaren „Wahrheitsfindung nach Vergewaltigung“ für das Innenministerium in den 1990er Jahren; aber einmal berichtete ein Kriminalbeamter von einem Fall, bei dem er und die Kollegen (damals nur Männer) der überlebenden Frau nicht geglaubt hätten – bis sich bei Nachfolgetaten herausgestellt hatte, dass deren Bericht hundertprozentig wahr war – und man hätte vorbeugen können, wenn man die Frau ernst genommen hätte.

In der Fachsprache heißt das „sekundäre Viktimisierung“ – es wird die verletzte Person ein zweites Mal verletzt.

Genau deswegen ist Wissen darüber so wichtig, dass dank der bildgebenden Verfahren in der Gehirnforschung heute nachweisbar ist, dass auch seelische Verletzungen die gleichen Spuren hinterlassen wie körperliche. (Vgl. Joachim Bauer, Schmerzgrenze – Vom Ursprung alltäglicher und globaler Gewalt. Karl Blessing Verlag 2011).

Leider halten viele, die unbewusst Tätern zustimmen, „beharrliches Verfolgen“ (d. i. Stalking) für „eine Hetz“: Jagdlust. Der altösterreichische Literaturpreisträger Elias Canetti hat dies in seinem Buch „Masse und Macht“ an den vielen Arten von „Meuten“ verdeutlicht.

Die „Autorenbuddys“ Marina B. Jung und Alexander Wimmer haben zwei Formen solch einer Verfolgung in ihrem autobiographischen Roman „Wenn der Stalker zweimal klingelt“ (www.autorenbuddys.at) ausführlich dargelegt. Beeindruckend – vor allem, weil es der Wirklichkeit des unrealistischen Denkens, Handelns, Inszenierens, Selbstverteidigens und Schuldgefühle-Machens entspricht; sie haben nämlich auf literarische Dramatisierung verzichtet und tagebuchartig den Verlauf dargestellt – und das ist gut so.

Wichtig ist, dass die Allgemeinheit – die Gesellschaft, der Staat – erkennt: „A Hetz“ ist eine „Hetze“ und nicht lustig für die Person, die gehetzt wird – ganz im Gegenteil. Es bedeutet Hochstress und damit eine Gesundheitsschädigung, und die ist gleich da – nicht erst, wenn sie nach Jahren als Posttraumatisches Belastungssyndrom diagnostiziert wird; es gibt viele Verhaltensweisen, wie Menschen – bewusst oder unbewusst – Stress zu bewältigen versuchen. Verdrängung ist eine davon, emotionale Verhärtung eine andere.

Ob jemand mit Angst oder mit Ärger und Wut reagiert, ist für uns alle unerheblich, und Bewertungen sind nicht hilfreich – hilfreich ist, wenn Betroffene Beistand an seiner/ihrer Seite bekommt und alle anderen Präventionsanleitungen, denn die Ur-Sache ist noch alleweil das Agieren des Täters.