Wenn man attackiert wird, hat man – wie in der Tierwelt – grob gesprochen drei Möglichkeiten zu reagieren: Kämpfen (da gehört auch die Selbstverteidigung dazu), flüchten oder sich totstellen (auf Menschenart heißt das dann: resignieren, sich unterwerfen lassen und depressiv werden).

Attackieren kann man auf vielerlei Weise, nicht nur sichtbar körperlich (denn der Körper ist immer dabei – auch mit Blicken, Worten oder Körpersprache werden Attacken „verkörpert“). Das Ziel ist immer, andere zu dominieren – ihnen Zeit (z. B. sich zu äußern), Raum (z. B. Bewegungs- oder Rückzugsraum), Eigentum und Rechte, und, besonders beliebt, Ansehen zu nehmen. Die Liste kann noch lange weiter ergänzt werden, es geht aber stets darum, siegreich zu sein.

Man braucht nur die Redensweisen von Politikern und Politikerinnen zu beobachten und merkt dann bald, auf welche Weise einerseits trivial aggressiv oder besserwisserisch überheblich „Kampfstimmung“ verbreitet wird – oder mit bekümmerter Miene Schuldgefühle hervorgerufen werden sollen. Beides zählt zum Repertoire der sogenannten „Schwarzen Pädagogik“ (so der Titel eines Sammelbandes historischer Erziehungsratschläge von Katharina Rutschky) und ist vermutlich allen von frühester Kindheit an wohlbekannt – wie auch all die Versuche, sich mehr oder weniger erfolglos dagegen zu wehren.

Diese Wehrkraft soll ja auch zerstört werden: Man soll sich schämen, zurückziehen, verstummen. Sich alles gefallen lassen.

Gegenwärtig nimmt diese Taktik bzw. sogar Strategie, gezielt Schuld- und Schamgefühle zu erzeugen, laufend zu: „Kulturelle Aneignung“ als Gesellschaft spaltender Vorwurf einer quasi „Urheberrechtsverletzung“ ist offen nationalistisch. Übrigens: Die berühmten Jäckchen von Coco Chanel sind den österreichischen Trachtenjoppen nachempfunden! Ähnlich erinnern die ausufernden Bestrebungen, Werke der Weltliteratur wegen Fehldarstellung historischer Ereignisse zu vernichten (anstatt die von den Kritisierenden darin wahrgenommenen Blickwinkel oder sogar Absichten zu kommentieren) erinnert an die Bücherverbrennungen der Nationalsozialisten – und an Heinrich Heines Warnung: „Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.”

Nur weil es immer schon Bilderstürmer, Verbotslisten, Antimodernisten etc. gegeben hat, heißt das noch lange nicht, dass man diese Form von Vernichtung – etwas zu Nichts machen – ewig fortführen muss, soll oder darf. Mir fehlt der Protest gegen diese Einschüchterungsversuche, daher protestiere ich.

Mir imponieren diejenigen – z. B. Berichterstatter:innen – die nach wie vor „Krieg“ sagen und nicht „militärische Spezialaktion“. Mit „Neusprech“ à la George Orwells „1984“ wird versucht, „Neudenk“ zu verordnen – und andernfalls zu sanktionieren. Der innewohnenden Kreativität zolle ich Respekt – aber nicht dem Ergebnis, wenn es oktroyiert wird.

Frieden beginnt mit Akzeptanz von Koexistenz – und Bereitschaft zum gewaltverzichtenden Bereinigen von Konflikten. Dazu zählt auch der Verzicht auf Beschämung.
Ich zitiere mich selbst: „Sich vertragen, heißt Verträge schließen!“ Das ist die Basis jeder Partnerschaft, und Partnerschaft bedeutet immer auch Verzicht auf Dominanz und Bereitschaft zu Verständnis und Verständigung – und daher Einsatz von Verstand. Man kann verschiedene Standpunkte haben – und wie man vorgeht, die vielen Möglichkeiten von Annäherungen und Einigung auszuüben, kann man lernen. Und genau das sollte bereits im Elternhaus vorgeführt werden – siehe mein Buch „Friedenserziehung in der Elementarpädagogik“! – wie auch überall, z. B. im Parlament.