Wenn in einem Kreuzworträtsel ein anderes Wort für „Wut“ mit 4 Buchstaben gesucht wird, haben routinierte Rater:innen die Wahl zwischen „Zorn“ und „Rage“ – und unbedacht schleicht sich die Überzeugung ins Alltagsdenken, dass alle drei Begriff das gleiche menschliche Reaktionsmuster bedeuten. Dem ist aber nicht so – und das hat leider zur Folge, dass man dann in seiner möglichen Selbststeuerung behindert wird.

Aus psychoanalytischer Sicht wird zwischen der „ungerichteten“ Wut des Säuglings und dem „zielgerichteten“ Zorn des etwa zweijährigen Kindes unterschieden: Ein Baby im ersten Lebensjahr kann erst im Laufe der Zeit Ziele „sehen“ – riechen und schmecken hingegen kann es das fast schon von Anbeginn an, vor allem die Mutterbrust, und manche Männer bleiben diesem Ziel dann ihr Leben lang treu – während das „greifen“ (zuallererst Zupacken mit dem Mund) erst mit zunehmender Muskelkraft und -übung in individuell unterschiedlicher Zeit erlernt, d. h. eingeübt wird. Die begleitende Willensbeherrschung braucht dann noch mehr Zeit – und Anleitung.

Rage hingegen ist eine Wutäußerung ohne Ziel und Steuerung, obwohl man alt und erfahren genug wäre, sich selbst zu lenken. Wenn also der Volksmund „blind vor Wut“ formuliert, meint er eigentlich Rage – denn die Beifügung des Wörtchens „blind“ bezeichnet in solchen Zusammenhängen einen Zustand von Gefühlsüberflutung, in dem das Denkvermögen mehr oder weniger ausgeschaltet ist. Deswegen wäre es präventiv wichtig, alle Gefühle, die zu Kampf- und Zerstörungsverhalten führen könnten, bereits im Keim zu erkennen, zu modifizieren und wenn man das nicht schafft, sich selbst „aus dem Verkehr zu ziehen“. (Es gibt aber auch Situationen, in denen man sich bereits im Ansatz entscheidet, grenzüberschreitend zu agieren – dann sollte man auch bewusst die Verantwortung dafür übernehmen.)

Und wie schafft man die Modifikation, wenn man die Kampfenergie in sich aufsteigen fühlt, ihr aber Grenzen setzen will, werde ich oft gefragt. Indem man die Empfindung wahrnimmt, überprüft und mit einem zielgerichteten Wort (Autosuggestion) verändert – beispielsweise Wut zu Ärger verkleinert oder zu der Stimmung „not amused“ zu sein – oder enttäuscht, gelangweilt … wie auch immer. Ich vergleiche diesen Vorgang mit dem Würzen einer Speise: Auch dabei kann man „schärfen“, „verbittern“ oder „versauern“ – oder mit Milchigem (vgl. die „Milch der reinen Denkungsart“) wieder mildern.

Im Gefolge dieser Erläuterung wird wohl verständlich, weswegen ich aktuell warne, Worte wie „Hass“ oder „Streit“ ohne Nachdenken zu verwenden. Sie werden unbedacht, weil dauerpräsent, verwendet und vergrößern damit oft unpassenderweise ihre innewohnende Suggestivkraft. Oft würden alternative Worte wie „Ablehnung“ oder „Widerwärtigkeit“ bzw. „Uneinigkeit“ oder „Diskussion“ zur Verdeutlichung des Emotionsgehalts reichen … die Äußerung ist halt dann „fader“ („friedlicher“) – und sie steigert nicht Aufmerksamkeit, Quote und Umsatz im Medienbereich.