Die finnische Regierungschefin Sanna Marin tanzt auf einer privaten Party – und sie wird massiv kritisiert (Debatte über Party-Videos finnischer Regierungschefin reißt nicht ab | Tiroler Tageszeitung Online – Nachrichten von jetzt!), von der Oppositionsseite natürlich, so sind wir es ja auch von unserer heimischen gewöhnt: Nur nichts auslassen, womit man die Erfolgreicheren runtermachen kann – besonders wenn man dazu kein Fachwissen braucht sondern nur – Häme.

Da nützt es wenig, wenn sofort auch das Recht auf Privatleben verteidigt wird – die Schlagzeile, eine Person an der Regierungsspitze müsse immer hundertprozentig einsatzbereit – und diese Anforderung stets über alle Zweifel erhaben nachprüfbar – sein, ist kreiert und wird verbreitet. Fama heißt so etwas – oder eigentlich Infamie. Versuch einer Skandalisierung.

Aber was unterscheidet die shakende Ministerpräsidentin Marin vom britischen Pendent Boris Johnson? Das Alter? Sie ist 36, er ist 58. Die körperliche Gewichtigkeit – die nur zu oft auch gleichzeitig als mentale Eigenschaft interpretiert wird? Sie ist drahtig fit, er träge fett. Wäre sie ein Mann, wäre sie im Vergleichsvorteil – als Frau löst sie hingegen andere, möglicherweise unbewusste, möglicherweise aber auch „erlernte“ Assoziationen aus: Als Frau entspricht sie damit einem anderen Klischee als dem einer „Queen“.

Wenn eine Frau – egal welchen Beruf sie ausübt – „offen“ tanzt, wird sie zum Gegenstand eines anerkennenden oder abwertenden Voyeurismus. Dieser Effekt ergibt sich aus der Vielzahl der im Gedächtnis eingespeicherten Bilder – und wie alles, was sich unbewährt angesammelt hat, gehören auch diese überprüft und entsorgt. Hier wäre wohl Solidarität von „Herrscherinnen“ angesagt – so wie sie Spartacus im Film erlebt, wenn all seine Mitgefangenen auf die Frage, wer denn Spartacus wäre, „Ich bin Spartakus!“ rufen (Ich bin Spartacus – frwiki.wiki).

Das ist die eine Seite des Phänomens, dass man als „öffentliche Person“ nicht nur mit professionellen Meuchelfotos, sondern auch anderen Meuchelungen rechnen muss – man denke nur an die öffentlichen Auswertungen privater Chat-Nachrichten – wie auch daran, dass all diese Vorbilder Nachahmungen durch „Laien“ abgeben (und die Yellow Press oft derartige Lieferanten bezahlt).

Die andere Seite besteht in Selbstfürsorge: Ich erinnere mich gut, wie wir Nachwuchspolitikerinnen in den 1970er Jahren immer wieder ermahnt wurden, auf „Weiblichkeits-Fallen“ zu achten – in Höflichkeitsgesten etwa, denn eine Aufmerksamkeitsgeste wie Zucker-Reichung bei Tisch wäre bei einem Mann ein Plus, weil unerwarteter Dominanzverzicht – bei einer Frau hingegen ein Minus, weil sie damit zur gewohnt bedienenden „Mutti“ würde. Oder beim Outfit – Teil der nonverbalen Kommunikation – auf innewohnende Botschaften der Milieu-Zugehörigkeit zu achten.

Ergänzung von mir: Man kann allerdings auch aus Angriffspunkten eine individuelle „Marke“ machen – und das beginnt damit, die Überheblichkeits-Taktik der Angreifenden zu enttarnen: Schlecht reden, was man selbst nicht hat und kann.