Gabriela Gödel kritisiert in der Kronen Zeitung, dass im Gerichtsverfahren gegen den Mann, der seine Lebensgefährtin nach Niederschlagen und Würgen schließlich bei lebendigem Leib dem Verbrennungstod überlassen und dazu noch den Zugang zum Tatort, ihrer Trafik, versperrt hatte, das Video ihres Sterbens – die Kamera hatte der Eifersuchtswütige selbst installiert – gezeigt wurde.

Ihren Vorschlag, es nur den Geschwornen zu zeigen, verstehe ich – verteidige aber die derzeitige Gesetzesregelung der absoluten Öffentlichkeit, ausgenommen es würde das Menschenrecht auf Schutz der Privatheit (der sexuellen Intimität) verletzt. Der Videobeweis ist unabdingbar, wenn der Angeklagte seine Absicht bestreitet – und das tat er ja – denn im Wahr-nehmen seines Tuns wird seine Geisteshaltung sichtbar, deswegen heißt das ja auch so.

Was aber sehr wohl zu bedenken ist, und da hat frau Gödel Recht: Wenn man nicht mit Selbstschutzmethoden auf Unerträgliches vorbereitet ist, läuft man Gefahr, sich spontan zu identifizieren – und wenn man kein geborener Sadist oder Sadistin ist, wird man sich mit dem Opfer identifizieren. (Solche Methoden gibt es – ich habe selbst vor etwa 20 Jahren die BeamtInnen des Wiener Magistrats darin geschult, die die Aufgabe hatten, die Computer der Bediensteten nach gewalt-pornographischen Darstellungen von bzw. mit Kindern zu durchsuchen und dabei vielfach an ihre Toleranzgrenzen stießen.)

Dass man niemand zum Zusehen zwingen sollte – das wäre ja auch Gewalt – zeigt die Frage auf, ob und wie „Publikum“ auf massive Gewalt (wie auch die Möglichkeit der Verweigerung) vorbereitet wird. Ich erinnere mich an die massiven Proteste als der Film „Mondo Cane“ aus dem Jahr 1962 in Wien anlief – und dass der Film „Salo – Die 120 Tage von Sodom“ aus 1975, basierend auf dem Buch des Marquis de Sade, von Pier Paolo Pasolini lange verboten war. (Die 120 Tage von Sodom (Film) – Wikipedia)

Muss, soll man wirklich alles zeigen, was traumatisiert? Vor allem deswegen, weil – psychoanalytisch erklärt – die Gefahr besteht, dass man aus Scham über das eigene Entsetzen die persönliche Reaktion „ins Gegenteil verkehrt“, d. h. „abwehrt“, indem man sie verblödelt, lacht, das eigene Mitgefühl vernichtet und letztlich abstumpft („blunting“).

Diese Gefahr besteht allerdings auch in den Berufen, in denen man mit Bedrohlichem, Widerwärtigen und Widerborstigem, vor allem auch Ekligem zu tun hat. Ich habe vor gar nicht so langer Zeit dem Land Niederösterreich mein Fachwissen als Zusatzausbildung für Pflegende angeboten – aber leider wurde das trotz bereits erteilter Auftragszusage von „Abwehrenden“ in letzter Minute verhindert. In der Psychoanalyse spricht man in solchen Fällen von „Verdrängung“ dessen, was nicht ins Bewusstsein treten soll.