Da war ich doch vorige Woche zu einem Klubabend einer Vereinigung, die „katholisch“ in ihrem Namen trägt, eingeladen, um mein heuriges Frühjahrs-Buch „Mit Recht und Seele“ (basierend auf meiner jahrelangen Lehrveranstaltung „Angewandte Sozialpsychologie für JuristInnen“ am Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Wien) vorzustellen. Der Tenor meines Bemühens war und ist Propaganda für wertschätzende Kommunikation – vor allem um Workplace Violence und andere Racheakte (wie auch indiskrete Weitergabe von Informationen, die der Amtsverschwiegenheit unterliegen müssten, welche dann auch wiederum Gewalthandlungen hervorrufen könnten) präventiv zu verhindern. Immerhin gab es in den vergangenen Jahren einige Messer- wie auch Schussattacken auf Gerichtsangehörige, Kommunalbeamte, Bürgermeister, aber auch andere Angehörige mit staatsverliehener Autorität.

Von den gut vierzig Anwesenden waren etwa die Hälfte honorige Senioren aus juristischen Arbeitsfeldern – aber die andere Hälfte waren ganz anders, schon von Aussehen und Gehabe, „interessierte“ Gäste, aber nicht an meinen Überlegungen, wie ich leidvoll erfuhr, sondern an anklagend-aggressiver Agitation gegen die Regierung und deren Zumutung, sich gegen das Covid-19-Virus impfen zu lassen.

Obwohl ich mich in keiner Weise diesem Thema gewidmet hatte, wurde ich zur Zielscheibe vor allem einer Hassrednerin, die meinem Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie mit „Wir leben nicht in einer Demokratie – wir leben in einer Diktatur!“ heftig widersprach und von mir verlangte, ich solle in deren Sinn bei den Regierenden vorstellig werden.

Nun sind es nicht die Worte, die schädigen, sondern die damit übertragene „Energie“ – die über Atmung und (mittels Galvanometer messbare) Bioelektrizität verkörperten Neurotransmitter-Ausschüttungen. Üblicherweise spürt man so etwas im Bereich des Solarplexus. Der Volksmund benennt das mit „Tiefschlag“, „Das dreht mir den Magen um“ oder auch nur „magerln“. Dementsprechend antwortete ich, nachdem ich zuerst gesagt hatte, ich verstünde sehr wohl ihre Enttäuschung und Wut, „Ich muss Ihnen aber jetzt eine Grenze setzen: Sie attackieren mich – und mir ist schon ganz schlecht“ – zu einer weiteren Positionierung kam ich nicht, denn sie fiel mir sofort mit „Das ist mir wurscht!“ ins Wort. Gottlob schaltete sich der Veranstalter ein und wies die Frau mit Ausschlussdrohung zurecht (was leider keine Selbstverständlichkeit ist – man vergleiche mit manchen TV-ModeratorInnen). Ihr nachfolgender Redner brachte dann nochmals die gleiche Kritik an der „Impf-Diktatur“, aber in zivilisierter Sprache, sodass ich erklären konnte, weshalb ich für die Einhaltung der ohnedies vorgesehenen „demokratischen Spielregeln“ wie z. B. Gesetzesinitiativen oder Parteigründungen plädiere – und gegen „psychologische Kriegsführung“ bin.

Genau diese erleben wir seit einigen Jahren tagtäglich als sogenannten „Permanentwahlkampf“ – und die große Mehrheit distanziert sich von diesen „Energieübertragungen“, allerdings schweigend. Das wäre einer breiten Meinungsumfrage wert – initiiert vom Gesundheitsministerium und transparent ausgeschrieben. (Ich wäre neugierig, ob dann Ähnliches herauskommt, wie in meiner kleinen Studie „Bürgernähe im Zeitalter der Digitalisierung“ 2019 – nämlich, dass die Bevölkerung das schon lange nicht mehr goutiert.)

Leider wird die Empfehlung mancher Psycho-BeruflerInnen, die eigene Wut zuzulassen, als Erlaubnis zur totalen Grenzüberschreitung nach außen missverstanden. Gemeint ist dabei aber, Wut innerlich im Bewusstsein zuzulassen, anstatt ins Unbewusste zu verdrängen, und als „Information“ in salutogener – d. h. Gesundheit fördernder – Weise mitzuteilen (oder auch nicht, denn im Bewusstsein erscheint vieles nicht so riesenhaft wie in der ersten Emotion).