Moritz (Name geändert), Kameramann, hat sich von seinen Statement-Shirts getrennt und meinem jüngeren Sohn – Kollegen – geschenkt. Er hat jetzt nämlich eine Partnerin – und die Sprüche auf den Leiberln (hochdeutsch: Leibchen, neudeutsch T-Shirts) waren nun zu sexy – oder besser: zu sexistisch. Mein Sohn hat sie mir gegeben – als Musterbeispiel für Geschmacklosigkeiten.

Geschmäcker sind bekanntlich verschieden, wie sich am Beispiel des Tiroler Brigadiers gezeigt hat, der in einem Youtube-Video – ganz in Schmuddelzivil samt der Aussage, er spräche nur „als Staatsbürger und nicht als Angehöriger des Heeres“ – sonst hätten diejenigen, die ihn nicht kennen, ja nicht gewusst, dass er ein hoher Offizier ist – seine Kritik an den Corona-Bekämpfungsmaßnahmen der Bundesregierung präsentierte … in einem Statement Shirt mit einem Drohspruch in weißer altdeutscher Schrift auf schwarzem Stoff (daher der Neonazi-Symbolik zuzuordnen), den er, so seine Entschuldigung, irrtümlich dem deutschen Dichter und Freiheitskämpfer Karl Theodor von Körner (1791–1813) zugeschrieben habe (https://www.youtube.com/watch?v=GyC8U3kb2gU).

Der Bundesministerin für Landesverteidigung, seiner Chefin, hingegen schmeckte der Spruch so gar nicht: Sie reagierte mit vorläufiger Dienstenthebung zwecks Beurteilung durch die Disziplinarabteilung (Kurier, 03.02., S. 18).

Nun mag auch ein hoher Staatsbeamter (s)eine vom obersten Chef abweichende politische Meinung verkünden dürfen – wenn sie in gesetzestreuer und sachlicher Form vorgebracht wird. Solch ein Neonazi-Shirt entspricht als „Plakat am eigenen Leib“ weder dem einen noch dem anderen Kriterium. Oder anders gesagt: Damit darf ein Staatsbeamter „kein Leiberl reißen“. (Diese Wiener Redewendung bezieht sich auf den Brauch in manchen Sportarten, Sieger mit einem besonderen Trikot auszuzeichnen.) Aber vielleicht wähnte der Brigadier, es wäre noch der vorige Minister von der Freiheitlichen Partei im Amt? Die ist ja derzeit eifrig dabei, Menschenmassen zu regierungsfeindlichen Aktionen aufzurufen …

Mit Schaudern erinnere ich mich an das letzte Seminar, das ich zur Ausbildung von Polizeikadetten abhielt. (Ich hatte seit den 1990er Jahren zahlreiche Seminare für das Innenministerium gestaltet, meist zum Thema Vergewaltigung.) In dem gegenständlichen Seminar ging es um Stalking, denn der Neue § 107a des Strafgesetzbuchs sollte bald darauf (2006) in Kraft treten. Mein Co-Trainer und ich sahen uns damals etwa 30 Männern (und 3 Frauen) gegenüber – fast alle Skinheads, in schwarzen T-Shirts mit weißen altdeutschen Schriftzügen und Adlern und ähnlichen Kampfsymbolen und Doc Martens Stiefeln, die mit verschränkten Armen Abwehr demonstrierten, mir die Kommunikation verweigerten und nur in den Pausen mit meinem Co-Trainer sprachen. Ich bin damals sofort nach Ende der zwei Tage in Supervision gegangen – und wusste danach konkret, was Ruth Cohn (1912–2010), die Begründerin der Themenzentrierten Interaktion, mit ihrem Satz „Störungen haben Vorrang“, eigentlich meinte: Man muss solche Konfrontationen direkt ansprechen und beim Namen nennen.