Bei einer – coronabedingt illegalen – Abschlussparty in der Kaserne Güssing kam es zu sexuellen Handlungen zwischen Männern (Der Standard, 11.02.2021, S. 12) und Fotos davon gelangten „nach außen“; dies veranlasste den Bundesheersprecher Michael Bauer zu der Aussage, das wäre „das Widerlichste, was ich in meiner 35jährigen Dienstzeit beim Bundesheer sehen musste.“ Nun ja, Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Manchen graust schon, wenn jemand nicht aussieht wie Lindsey Vonn oder Markus Rogan – und andere stehen sich gerade auf Melissa McCarthy oder Woody Allen.

Bauer sagte aber auch: „Es gibt schon Fälle, wo Menschen homosexuell sind und andere zu Handlungen zwingen.“ Und da zeigt Michael Bauer, dass ihm – wie so vielen anderen „Autoritätspersonen“, Erzieher- und Richterschaft mitgemeint – wesentliches Wissen fehlt: Homosexuelle Handlungen bedeuten noch lange nicht homosexuelle Orientierung!

In meiner über 50jährigen Berufspraxis als Juristin wie auch Psychotherapeutin sind mir viele Fälle von verheirateten heterosexuellen Männern bekannt geworden, die aus Neugier, Langeweile oder auch Augenblicksideen – und alles ohne jegliche Spur von Gewalt oder Sex-Kauf oder Einsamkeit – mit Männern sexuell „experimentierten“. Dass es danach intrapersonale oder interpersonelle Konflikte gab – deswegen kamen sie ja in Beratung bzw. Therapie (ebenso wie auch Frauen, die für sich klären wollen, wieso sie ohne eigentliches Wollen bei ähnlichen Aktionen „mitgetan“ hatten!) – hat vor allem mit den gesellschaftlichen Bewertungen zu tun, und diese wiederum mit Bevölkerungspolitik oder religiösen Geboten.

Was Bauer aber offensichtlich nicht weiß oder wissen will, sind die „lustigen“ Inszenierungen gleichgeschlechtlicher Handlungen, oft als Initiationsriten, oft aber auch als Demütigung der als „Frau“ definierten Person. Sie dienen dem Aufbau von Corps-Geist oder Hackordnungen und finden in „geschlossenen“ Institutionen wie z. B. Gefängnissen statt (nachzulesen in meinen Büchern „Menschenjagd“ und „Tabuthema kindlicher Erotik“). Ich erinnere an den „Pastern“-Skandal im GAK Anfang dieses Jahrtausends (Dies und Das.. » Lecker, lecker… (homepagemodules.de)). Und diesen Brutalbrauch gibt es noch immer: Sexuelle Übergriffe in Skigymnasium Stams: „Da wurde eine Tube eingeführt“ – Übergriffe im Sport – derStandard.at › Sport.

Vor einigen Jahren wurde mir in der Einzelsupervision von einer entsetzten Turnusärztin berichtet, dass eine verzweifelte Mutter mit ihrem Präsenzdiener-Sohn nächtens im Spital erschienen war: Der 18jährige war von seinen Zimmerkameraden vergewaltigt worden und schwer verletzt. Was die Ärztin so fertig machte, war die Reaktion der Kollegenschaft, die hinterrücks über die Situation scherzten – ob man den Rekruten auf die Gynäkologie überweisen sollte, hahaha – eine klassische Form psychischer Abwehr, wenn einem etwas zu nahe – „unter die Haut“ – geht. Ich habe damals eine Kollegin, die im selben Spital Sexualberatung anbot, angerufen und auf die Notwendigkeit spezifischer Schulungen für die Ärzteschaft hingewiesen – fand aber bei ihr kein Verständnis … oder zu wenig Mut, Bildungslücken zu thematisieren.

Sexuelle Orientierung hat mit Liebe zu tun – und Liebe ist fürsorglich, man will ja dem/der Geliebten nicht schaden.

Manche Dominanzspiele, egal ob grausam oder albern (12.07.2004: Krenn zu Skandal um Priesterseminar: „Buben-Dummheiten“ (orf.at), dienen hingegen der Absicherung der eigenen Geschlechtsrolle als Mann – dann, wenn die Frauenrolle persifliert oder verächtlich dargestellt wird – egal, ob das im Suff geschieht oder absichtlich. Egal ob im Priesterseminar, im Sport oder im Bundesheer. Das kann man meist sogar in jeder Faschingssendung beobachten.

Tragisch, dass die Güssinger Vorkommnisse zu einem Suizid geführt haben. Genau das zu verhindern, haben sich die Selbsthilfe-Organisationen homosexuell l(i)ebender Menschen jahrelang abgemüht. Aufklärung ist dringend notwendig – vor allem bei den Bundesheer-Ausbildnern. Gerade sie könnten mit ihrem Vorbild zu einer „neuen Männlichkeit“ beitragen.