Derzeit überlagert die Polarisierung durch die Positionen „Einhaltung der Gesetze“ (Abschiebung auf Grund mehrfach negativer Bescheide ihrer Asylansuchen plus dazwischen staatlich finanzierter Rückkehr ins „sichere“ Georgien und neuerlich illegaler Wiederkehr nach Österreich) versus „geduldeter Rechtsbruch“ (Christian Rainer im Leitartikel in profil 05/2021). Offenbar waren es Mitschüler der 12jährigen Georgierin, die diese Duldung forderten, mit einer Medienkampagne, und mit Berufung auf „humanitäres Bleiberecht“ (Humanitäres Bleiberecht – Demokratiezentrum Wien).

Ich brüte jetzt seitdem über dem Thema … und ich will es nicht „abschieben“ – an andere von mir wegdelegieren im Sinne von „DIE sollen was tun!“ Das wäre Gewaltausübung – aber genauso kann man auch die „Staatsgewalt“ sehen, die hier offensichtlich geworden ist. Ja, nach unserer Staatsverfassung liegt das Gewaltmonopol beim Staat und seinen Ausführungsorganen, die sich an die Gesetze halten müssen – und sich dabei auch der Kritik, Überprüfung und Konsequenzen zu stellen haben.

Ich bin vom Ursprungsberuf Juristin – und ich habe seinerzeit als Politikerin einige legistische Neuerungen mit realisiert. Als Supervisorin habe ich aber auch LandesbeamtInnen begleitet, die in Asylverfahren Entscheidungen treffen mussten, und als engagierte Staatsbürgerin habe ich z. B. in den 1980er Jahren gemeinsam mit meinem damals noch gesunden Ehemann ein geflüchtetes russisches Kernphysiker-Ehepaar mit ihren Kindern betreut (die leider keine Arbeitsmöglichkeit in Österreich, wohl aber dann in den USA  bekommen haben – ein großer wissenschaftlicher Verlust für unser Land) – und später geflüchtete Kosovaren, und kenne daher auch die Mühsal der Behördenwege, wenn man hier selbst Verantwortung übernimmt und nicht an andere abschiebt.

Vor diesem Hintergrund mag ich mich weder gegen politische „Außenfeinde“ emotionalisieren lassen – denn dann kann man nicht gut sachlich denken – noch mir etwa mit dem Vorwurf sozialer Kälte (ein unbewiesener SPÖ-Slogan) oder Unchristlichkeit Schuldgefühle machen lassen, denn all das ist auch nur wieder Gewalt.

Ich trenne: einerseits was die Sache betrifft – und andererseits die Form. Die finde ich dringend verbesserungsbedürftig – wenn ich der Medienberichterstattung vom Wega-Einsatz Glauben schenke. Hier erwarte ich eine klärende Aussage vom Innenminister. Ich trenne aber auch zwischen Ist-Zustand und Soll-Zustand, denn es ist mir zu wenig, nur gegen etwas zu sein. Ich will mich für etwas einsetzen – etwas Besseres, vielleicht Neues, vielleicht eine dritte oder vierte Alternative statt nur im „richtig“-oder-„falsch“-Feinddenken hängen zu bleiben – und ich will dass die demokratischen Möglichkeiten, die uns allen offen stehen, benutzt werden, nicht die Gewalt der Straße (denn wir leben nicht mehr im 19. Jahrhundert, wo es nur diese Demonstrationsmöglichkeiten gab!).

Ich plädiere für eine gesetzliche Möglichkeit von Patenschaften: Wer will, dass Kinder oder Ältere nicht abgeschoben werden, soll für die Person Pate bzw. Patin werden können (und dabei Unterstützung bekommen) – auf bestimmbare Zeiten (wie zwecks Schul- oder Berufsausbildung und mit vertraglichen „Dankzeiten“ der Rückerstattung analog Firmenstipendien), allein, ohne Familienband. Jugendämter trennen ja auch, wenn sie das Kindeswohl als gefährdet deuten, und schieben emotionale Bindungen mit zweifelhaften Psychodiagnosen weg, wie ich aus meiner Beratungstätigkeit nur zu gut weiß.

Fortsetzung in Brief Nr. 10