Jedes Mal, wenn ich an Journalismus-Akademien „Wie schreiben bei Gewalttaten?“ unterrichtet und eindringlich empfohlen habe, so sachlich wie in einem Gerichtsakt zu formulieren, kam der Protest: „Aber uns ist doch immer gesagt worden, wir sollten Geschichten so schreiben, dass die Leserschaft emotional berührt wird!“

Eben nicht, kontere ich dann immer und erzähle ein Erlebnis aus den 1970er Jahren, als ich – noch schlichte Juristin – begonnen hatte, mich in der von mir gegründeten Familienberatungsstelle in Favoriten der Sorgen der Bevölkerung anzunehmen. (In diesem Zusammenhang Dank an Dr. Rosemarie Fischer, heute Santha – ohne ihre Informationen hätte ich wohl nie diesen ersten Schritt zu diesem Berufswechsel getätigt!)

Damals kam einmal ein Mann mit einem dicken Aktenordner, in dem er eine umfangreiche Dokumentation der Zeitungsberichte über sexuelle Misshandlungen von Kindern gesammelt hatte. „Die tun das nur, wenn sie unter Alkohol stehen – nicht?“ forderte er meine Zustimmung. Ich gab sie ihm nicht – weil ich die Antwort nicht wusste. Aber ich wunderte mich, dass er deswegen in die Beratungsstelle gekommen war. Einige Jahre später, bereits psychosozial fortgebildet, wusste ich: Das wäre ein Ansatz gewesen, seiner eigenen Betroffenheit nachzuspüren … vor allem, ob er sich nicht an den „emotionalisierenden“ Berichten „begeilte“.

In ihrer Stellungnahme in der Mitternachts-ZiB am Dienstag, 23.02.2020  zu dem nunmehr bereits vierten Frauenmord in diesem jungen Jahr (Frauenmord in Wien Favoriten – ZIB Nacht vom 23.02.2021 um 23:00 Uhr – ORF-TVthek)  mahnte die Gewaltforscherin Birgit Haller vom Institut für Konfliktforschung, Morde nicht als „Beziehungsdramen“ zu verharmlosen. Ich mahne ergänzend, Tyrannei, Drohung, Erpressung etc. nicht als „Konflikt“ zu verharmlosen – aber auch nicht zu dramatisieren. Dadurch wird das Geschehen nämlich oft als „unverständliche Einzeltat“ definiert (dabei genügte es, den innewohnenden Bestrafungscharakter für abgelehnte „Unterwerfung“ herauszuarbeiten).

Mit all diesen „Sprachtaktiken“ wird eine Kriminaltat ihrer Gesundheitsschädigung entkleidet, die Verantwortung für die „Tatvollendung“ auf die angeblichen „Konfliktparteien“ verteilt und Nachahmung samt verteidigender Selbstgerechtigkeit ermutigt.

Mord bleibt Mord.

Was es zu erforschen gilt, sind mögliche Gemeinsamkeiten zwischen den Tätern. Deswegen finde ich es auch verwirrend, bei Morden an (Ex-)Partnerinnen dramatisierend von Femizid (analog zu Genozid – Völkermord) zu sprechen, denn dieser setzt politische Planung oder auch staatlich hingenommene illegale „Traditionen“ voraus, wie die gezielten Tötungen weiblicher Föten und mitgiftarmer Ehefrauen in Indien.

Was mich auch irritiert hat, ist, dass durch die neue Regierung die männerpolitische Grundsatzabteilung im Gesundheits- und Sozialministerium aufgelöst und ihr langjähriger Leiter ins Verteidigungsministerium versetzt wurde. Ich hätte sie eher dem Bildungs- und Wissenschaftsministerium zugeordnet – aber ich weiß aus meinen jahrzehntelangen Erfahrungen quer durch alle Ministerien, wie sehr Beschäftigung mit Gewalt überall Tabuthema ist.