Halt! Gewalt!

Bundeskanzler Kern schafft das dienstägliche Pressefoyer nach dem Ministerrat ab und die Journalist_innen protestieren gegen diese „Einschränkung der Medienfreiheit“ (Kurier, 31. 8., Seite 2). Ich denke: Wenn man merkt, dass etwas nicht (mehr) stimmt, ist es gut, es zu ändern – und wenn man noch nicht weiß, wie, dann reicht es, fürs erste einmal damit aufzuhören. Sonst wird es zu einer Selbstvergewaltigung.

Aber: Seine Argumentation, „Politik nicht auf ein Hunderennen reduzieren zu wollen“, finde ich ziemlich „gewaltig“.

Erstens setzt man auf diese Weise Politiker mit Hunden gleich. Das darf man zwar denken – Gedanken sind ja bekanntlich frei – aber wie ich immer wieder betone: Bevor man „Worte dem Gehege der Zähne entfliehen lässt“ (welch schöne Formulierung Homers!) sollte man – wie bei Hunden – ihre Bissigkeit überprüfen.

Zweitens wird Kern im Kurier mit „er wolle nicht nur ein paar ,Soundbites‘ abgeben, um ,drei, vier Schlagzeilen‘ zu produzieren“ zitiert – aber er produziert mit dem Hundevergleich genau so einen „Beißton“ bzw. nur ein „lautes Biss-chen“.

Bei Bruno Kreisky waren es kein Soundbite. In der damaligen Medienlandschaft gab es noch deutlich erkennbare ideologisch betonte Blattlinien (oder eben gar keine) und daher nicht die Art von Konkurrenz, die sich heute aus weitgehender Konformität und Tempohast ergibt. Und Kreisky brauchte keine Spindoktoren von Presse und PR, also jenseits des „Herzens“ der Partei – er war ja selbst einmal Journalist gewesen – sondern er umgab sich intern mit klugen Gesprächspartnern. Und er hörte wirklich zu.

Der Medienhydra wechselnd Minister_innen als Leckerbiss-en vorzuwerfen (in Doppelsinn des Wortes) ist eine Möglichkeit von „Ersatzvornahme“, Methode „Gib Sandkisten-Kindern ein Küberl im Austausch für das zurückbegehrte Schauferl“. Themenbezogene Presskonferenzen sind eine andere. Mehr Pressestunden in den audiovisuellen Medien fände ich noch besser – vor allem als sinnreichere Werbung für „Eigenproduktionen“ als primär für Doku-Soaps.

Am besten fände ich allerdings, den internen „runden Tisch“ zum wertschätzenden Gespräch mit Journalist_innen der Wahl in heimeliger Atmosphäre (was Kreisky ja auch praktizierte). Nicht Massenabspeisung zum Zeitgewinn, sondern Muße für intime Diners zum gemeinsamen Durchkauen jeweiliger Themen der Zeit. Gerade in einer Gegenwart von geschwindigkeitsbedingter Oberflächlichkeit braucht es zuerst Entschleunigung, denn sonst gelingt Vertiefung nicht. Für beide Seiten! Das meine ich mit Waffengleichheit: Die Macht der Medien ist größer als die der Politik.

Nachtrag: In diesem Zusammenhang von „Debriefing“ zu sprechen, finde ich unangemessen. Debriefing ist vor allem eine Methode der Krisenintervention zur Prävention langfristiger Traumatisierungen. Welches Trauma will Kern da verhindern? Sein eigenes durch unliebsame Kommentare? Dass ungewohnte Worte – wiederum als „Soundbite“ – medial hingeschmissen willig multipliziert werden, wusste ja auch schon Bruno Kreisky. Ich erinnere mich, wie er einst mit dem Wort „Camouflage“ (Schminke, Tarnung) für Verunsicherung sorgte – lange vor Gerald Klugs „Situationselastizität“.