Halt! Gewalt!

Zu den besten menschlichen Eigenschaften gehört Neugier. Sie hat zwar oft die Vertreibung aus einem Paradies zur Folge – denken wir nur an das erste Menschenpaar – aber sie hilft, Gutes und Böses zu unterscheiden – allerdings unter der Voraussetzung, dass man vorher überprüft, wie weit man sich dabei „aus dem Fenster lehnt“, heißt: sich aus seiner Bezugsgruppe entfernt.

So frage ich in Supervisionen oder Mediationen meine Klient_innen immer wieder:  „Können Sie das auch beweisen?“ und bemühe mich dabei besonders freundlich zu sein um nicht in den strengen Verhörs-Tonfall zu verfallen, der nur verschreckt. Ich möchte im Gegenteil hilfreich sein, die passende Sprachform für Vermutungen, Ahnungen oder auch Unterstellungen zu finden.

Oft ist es ja nur „so ein Gefühl“, das in Sprache gekleidet wird – und oft hat man auch ganz richtig gefühlt, jedoch nicht mit listig aufgebauten Abwehrargumenten gerechnet.

Zu diesen gehört beispielsweise der Vorwurf „Du spinnst ja!“ Ich rate dann zur Zustimmung: „Natürlich spinne ich – ich vernetze meine Wahrnehmungsnervenzellen!“

Oder: „Das bildest Du Dir nur ein!“ Antwort: „Selbstverständliche bilde ich mir das ein – ich schaffe mir ein geistiges Bild von den Tatsachen.“

Aber sind es immer auch Tatsachen?

Wir alle besitzen nur einen beschränkten Wissensstand, gespeist aus den Informationen, die uns bisher verfügbar waren – und die haben sich durchs Internet massiv vermehrt, nur sind sie leider nicht immer „wahr“ (im Sinne von überprüft und auch von Gegnern anerkannt). Die Überprüfung müssen wir also selbst vornehmen bevor wir Informationen weitergeben – oder aber bei uns behalten und abwarten, welche Beweise sich hoffentlich noch ergeben werden.

Andere psychologische Verteidigungstaktiken bestehen in Beleidigtsein oder aber Empörung, Behauptungen, man würde diskriminiert oder „ausgegrenzt“, in Gegenangriffen wie Diffamierung oder psychiatrischen Diagnosen oder Strafanzeigen bzw. Ankündigung von solchen … oder aber Legendenbildungen. All diese Reaktionsmodelle haben wir – bewusst oder unbewusst – von Vor-Bildern abgeschaut; es gibt sogar Bücher, die man zur Inspiration und Übungsanleitung benutzen kann (z. B. die Bücher des Autorinnenduos Antonia Cicero und Julia Kuderna). Heute sind die Formen dieser psychologischen Kriegsführung klassischer Inhalt von Polittrainings, aber sie finden sich schon, positiv oder negativ bewertet, bei den antiken Rhetoren und sogar beim Kirchenlehrer Augustinus (im „Gottesstaat“).

Das Zeichnen phantastischer  Wortbilder „bedient“ das neugierige Publikum (da gehören wir alle auch dazu!)  mit Erklärungen – und die sind immer auch Interpretationen nach eigenem Gutdünken oder Gutwünschen.

Von dem weltberühmten Kärntner Kommunikationswissenschafter und Psychotherapeuten Paul Watzlawick stammt der Hinweis, „dass wir immer, wenn wir etwas von uns geben (z. B. eine Aussage), auch etwas von uns (nämlich aus unserem innersten Denken und Fühlen) geben“ (nachzulesen in seinem zusammen mit anderen verfassten Buch „Menschliche Kommunikation“).

Peinlich werden Verschwörungstheorien – und mögen sie noch so Tatsachen entsprechend sein – wenn sie ohne Kennzeichnung als Phantasie von hochrangigen Jurist_innen stammen. Nicht einmal im trauten ehelichen Doppelbett sollten solche geäußert werden – Ehepartner_innen stehen bekanntlich nicht unter einklagbarer Verschwiegenheitspflicht. Und „befreundete“ Journalist_innen schon gar nicht; zu deren Güteklasse zählt ja, unerhörte „Sager“ zu erfischen.

Selbst wenn man fast platzt vor Erregung über seine Entdeckungen, sollte man zum Eigenschutz die Geduld aufbringen, auf ein professionelles Gespräch mit einem juristisch erfahrenen Coach zu warten, um die richtige Sprachform für „Öffentlichkeitsarbeit“ zu entwickeln.