Und wieder häufen sich Medienberichte über die Entdeckung gefilmter sexueller Misshandlungen von Kindern auf den Rechnern ehrenwerter Bürger – darunter Lehrer und Priester, Personen, die berufsbedingt mit dem Vertrauen von Kindern rechnen können. Aber dürfen sie – und alle, die gerne mit Kindern arbeiten – auch noch mit dem Vertrauen der Eltern, der Vorgesetzten, der Nachbarn und anderen Nächsten rechnen?

In meinem Buch „Die Wahrheit wird euch frei machen – Sexuelle Gewalt im kirchlichen Bereich … und anderswo. Prävention Behandlung Heilung“ habe ich zwischen pädophilen, pädosexuellen und pädokriminellen Tätern unterschieden. Die ersten davon richten ihre Liebesgefühle, oder was sie dafür halten, zwar auf Kinder, halten eher scheuen Abstand oder sublimieren in Kunst oder eben auch Beruf (wozu in beiden Fällen auch Fotografie etc. zählt), die zweite Gruppe sucht sexuellen Kontakt, meist mit steigender Toleranz (d. h. es muss immer „mehr“ oder „intensiver“ sein), und der dritten Gruppe geht es nur um Geld (mögliche Erpressung inbegriffen). Und genau diese dritte Gruppe wird immer gefährlicher, weil sie quasi Marketing betreibt, indem sie aktiv neue „Kunden“ anwirbt, nämlich zuerst neu-gierig macht und ab Erstkontakt dann mit ihren „Produkten“ bombardiert. Den Stil kennen wohl alle, die schon einmal etwas von den legalen Angeboten aus dem Internethandel bezogen haben.

Ich erinnere mich noch gut, wie ich 1992 vor meinem Referat im Rahmen einer parlamentarischen Enquete zur sexuellen Ausbeutung von Kindern (mit Präsentation der Studie „Kennwort Knospe“ von Bernhard Knoll und Michael Weiner) einigen konservativen Abgeordneten gegenüber in der Cafeteria dafür plädierte, den Besitz solcher pornografischer Darstellungen von und mit Kindern strafbar zu machen. Ich erntete Ablehnung: Es sei doch nichts dabei, „nur zu schauen“. Ich argumentierte damals, aus dieser Logik sei auch nichts dabei, wenn ein Hehler gestohlene Pretiosen verkaufe, er verkaufe ja nur, und das ursprüngliche Delikt sei zu vergessen.

Eine Mutter wiederum verteidigte die Ablichtung ihrer Babys an und auf dem mehr oder weniger erigierten Penis verschiedener Männer als Kunstwerke, nachdem ihre Versuche, diese Fotos zu verkaufen, öffentlich bekannt geworden waren.

Der November ist der Monat, in dem sowohl der seelischen Gesundheit als auch der Gewalt gegen Frauen Gedenk- bzw. Mahntage gewidmet sind. Zwischen beiden Phänomenen weitet sich eine Bandbreite – und sie wird immer weiter. Eine Ursache dafür sehe ich in den unkommentierten filmischen Gewaltdarstellungen – und dem gegenüber der mangelnden bzw. unrealistischen Darstellung von Psychotherapie.

Wir wissen heute dank der bildgebenden Methoden in der Hirnforschung sehr genau, wie sich Gesehenes modellhaft im neuronal vernetzten Verhaltensrepertoire verankert; genau deswegen braucht es Gegenmodelle und Diskussion – um mehr Aspekte der Bewertung einzubringen als nur Anbetung von Preisen (egal ob in Form von Statuen oder in Geldscheinen oder Bitcoins).