Als ich ein junges Mädchen war und Jus studierte, weil mir Gerechtigkeit ein hoher Wert war (und noch immer ist), waren Morde eher selten: der Engleder, der Gufler, der Weinwurm – die Eckhardt. Man wusste: Der erste wollte sich an Frauen rächen, der zweite ihr Geld haben, der dritte kam mit seiner Sexualität nicht zurecht und bei der einzigen Frau unter diesen kriminellen Berühmtheiten war man sich nicht sicher, ob es nicht doch Ekel war und nicht finanzielle Not (oder Begehrlichkeit – wie man es eben gewichtet, bei Frauen fallen die Urteile fast immer härter aus, weil von ihnen permanente Aggressionshemmung verlangt wird; erst #MeToo hat da einiges zurechtgerückt: Irgendwann „läuft das Fass über“ und die Unterdrückung quillt heraus).

Die Tatwaffen waren ein Maurerfäustl (Alfred Engleder: Der Mörder mit dem Maurerfäustl | Nachrichten.at)), Gift (Max Gufler – Wikipedia), nur einer ein Messer (Josef Weinwurm – Wikipedia) – und die Frau einen Fleischwolf (Mordfall Johann Arthold – Wikipedia).

Heute dominieren Messer. „Cavalleria rusticana“.

In den ersten drei Monaten des Jahres 2021 zählt man nun schon den fünften Mord an einer Frau, die sich von ihrem gewalttätigen Partner trennen wollte – aber kann man überhaupt noch von Mord sprechen, wenn die Frau gezielt bewusstlos gewürgt wird, dann mit Benzin übergossen und angezündet und die Eingangstür extra blockiert wird, damit Hilfe verunmöglicht werden soll? Oder wenn die Frau mit unzähligen Messerstichen niedergemetzelt wird?

Ich nenne das Abschlachtungen. Es ist eine „qualifizierte“ Tathandlung. In den USA wird in solchen Fällen mehrfach lebenslängliche Haft auferlegt.

Ich weiß, wie sehr das ganze Umfeld des Opfers unter solchen Schreckenstaten zu leiden hat: Erst der Schock, dann das Grauen der Flashbacks, und die permanente Angst vor Wiederbegegnungen, wenn der Täter, z. B. wegen seelischer Abartigkeit eingewiesen, aus dem Maßnahmevollzug als „geheilt“ entlassen werden sollte – diese Gesundheitsschädigungen sollten auch berücksichtigt werden. Und die der Kinder.

Ich habe noch nie gelesen, dass in der Medienberichterstattung darauf hingewiesen worden wäre, was es bedeutet als „Kind eines Mörders“ wahrgenommen zu werden – egal ob dies im Bemühen um Mitgefühl geschieht, oder, wie ich von einigen meiner KlientInnen weiß, wenn einem in „wissenden“ Ämtern, Schulen inbegriffen, oder auch von übelwollenden Bekannten immer wieder quasi eine „genetische Disposition“ – ein „Erbschaden“ entsprechend der nationalsozialistischen Vererbungslehre – unterstellt wird.

Ich betreute einmal eine sehr religiöse Frau in Therapie, die in ihrer Jugend, frisch verheiratet, von einem gerade aus der Haft entlassenen Mörder, der in ihr Apartment eingedrungen war, vergewaltigt worden war und jahrzehntelang darunter litt, sich ihm gefügt anstatt ihn bekämpft zu haben. Sie konnte sich erst wieder zu ihrer Würde aufrichten, als sie erkannte: Sie hatte verhindert, dass er wieder zum Mörder geworden wäre (und sie zur Leiche, aber das war für sie nicht bewusstseinfähig).

Ich meine, man sollte all den hasserfüllten Männern, die sich die Macht über Leben und Tod ihrer Frauen zusprechen, Folgendes verstärkt ins Bewusstsein rufen:
Willst du, dass deine Kinder die eines Mörders, eines Schlächters werden?