Einträge von Rotraud A. Perner

Wahlkampf-Nausea

Nausea ist mehr als nur Brechreiz. Wo dieser sofort vorbei ist, sobald man das Unverdauliche aus sich heraus-gedrückt hat und einem Gefühl sauberer Leere Platz macht, dauert Nausea lang an: Man fühlt sich vergiftet, geschwächt, wund.

Das Wort stammt vom griechischen naus, das Schiff (vgl. Nautik, Schifffahrtskunde), und wer schon einmal seekrank war, weiß, dass diese Form von Übelkeit im Gehirn (durch eine Beeinträchtigung des Gleichgewichtsorgans infolge widersprüchlicher Sinneseindrücke) und nicht primär vom Magen her hervorgerufen wird […]

Vergessen

Der von mir unlängst hier („Eliten“, 25. 11.) zitierte Reginald Földy, mit dem ich gemeinsam „Die starken Zweiten – Träger des Erfolgs“ geschrieben habe, kam nicht mehr dazu, sein geplantes Österreich-Buch „Glücklich ist, wer vergisst – das Operettenlibretto als Staatsräson“ zu schreiben. Schade. Er hätte heute viel dazu zu sagen, wenn Bundespräsidentschaftskandidaten des Vergessens geziehen werden (kommentiert von Viktor Hermann in den Salzburger Nachrichten, 30. 11.) […]

Wahlanfechtungen

Wohl sicherheitshalber spricht nun auch Donald Trump von „illegal abgegebenen Stimmen“ und Betrug, nachdem Jill Stein, die erfolglose Präsidentschaftskandidatin der Grünen, eine Neuauszählung verlangt hat. Für wohlerzogene Menschen in Europa ist wohl irritierend, dass er immer wieder mit Kriminal-Etikettierungen wie „Verbrecherin“ und „gehört ins Gefängnis“ um sich schmeißt und nun neuerlich auf Wut macht – denn wäre er seiner Sache sicher, könnte er ja gelassen das Ergebnis abwarten […]

Eliten

Donald Trump tat es und Norbert Hofer tut es auch: Sie attackierten ihre direkte Konkurrenz und alle, die sie unterstützen, indem sie sie als vom Volk abgehobene Elite skizzieren. Nur Wahlkampfgetöse … oder doch mehr?

Geht es um „Eliten“ oder um „vom Volk abgehoben“? Von welchem Volk? Vom Wahlvolk? Das sind wir alle (außer diejenigen, denen das Wahlrecht entzogen wurde – die sind auch „abgehoben“. Und abgehoben wird ja auch das Fett von der Suppe – manchmal.) […]

Salut für ALLE Pflegenden!

Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer sagte bei einem Wahlkampfauftritt in Tirol wörtlich: „Kennt ihr einen Moslem, der im Pflegebereich arbeitet, der bereit ist, unseren Senioren vielleicht die Windeln zu wechseln? Ich kenne das nicht.“ Und er sagte den ersten Satz ohne besondere Betonung mit einer neutralen Miene, für den kurzen zweiten aber hackte er die einzelnen Worte ab und machte dazu eine Grimasse […]

Identifikationsangebot Gewalt

So rund um 15, in der Hochpubertät, stellt sich für alle die Frage: Was für ein Mann, was für eine Frau will ich werden? Den klügeren ist diese auszufüllende Zukunftsperspektive bewusst, sie fragen, sie denken nach, sie vergleichen – und sie suchen Orientierung an Vorbildern.

Letzteres tun auch die weniger Klugen, sie orientieren sich aber an Filmhelden und zunehmend auch Heldinnen, und die sind selten alltagstauglich weil generell gewalttätig. Kung Fu ohne die dazu gehörige Philosophie des Nicht-Angreifens […]

Selbstmultiplikation

Kaum hatte ich gestern meinen Abendvortrag – Thema „Mut zur Gesundheit“ – begonnen, als mich ein älterer Herr (vermutlich jünger als ich) mit den Worten unterbrach: „Man versteht nichts!“

Dieser Satz kann inhaltlich oder formal gedeutet werden: Unter Verzicht auf die Formulierung „man“ – die ja die Gesamtheit der Anwesenden mit einschließt – kann das „Ich verstehe nichts vom Inhalt“ oder „Ich verstehe nichts, weil ich hörbehindert bin“ heißen.

Der Joker-Effekt

Man soll den Teufel nicht an die Wand malen, sagt der Volksmund, sonst ist er da. Heute ist oft die Filmleinwand die Nachfolgerin dieser Malfläche, und man sieht auf ihr nicht nur das Aussehen sondern auch das Verhalten – und das kann zur Nachahmung inspirieren.

Im ersten Batman-Film in den 1960er Jahren mit Cesar Romero war der Joker, ein ehemaliger Hypnotiseur, ein harmloser Spaßmacher mit schrillem Lachen. Ab Ende der 1980er Jahre […]

Hypochonder

Oft seien es „harmlose Muskelverspannungen“, die Angst vor Herzinfarkt auslösten, lese ich im heutigen Kurier, aber diese ständige Anspannung wäre das Gefährliche, das zur Verengung der Herzkranzgefäße führen könne. Da orte ich eine typisch einseitig organmedizinische Sichtweise ohne Einfühlung in die Patientenschaft, und das enttäuscht mich …

Political Correctness

Rosemarie Schwaiger zitiert in ihrem Text über „Moralverkehr“ (profil 43 vom 24. Oktober 2016) wohlwollend den britischen Historiker Timothy Garton Ash mit „Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der wir jede Minute ängstlich aufpassen müssen, was wir sagen und was nicht.“ […]