Presseaussendung | Februar 2011

Aus aktuellem Anlass

Lehrertankstelle NOe feiert 1. Geburtstag

Aktivitätshinweis

Lehrertankstelle „live“ Termine in St. Pölten, Matzen, Bruck

 Nachgefragt

Aus der Praxis vom Team der Lehrertankstelle
Franz Babka Dipl. Lebens- & Sozialberater

Interview

Univ. Prof. Mag. Dr. Rotraud A. Perner kritisiert die aktuelle Diskussion zur Bildungsreform

 Aus der Praxis

Lehrerinnen erzählen aus der Praxis im Schulalltag
Dipl.-Päd. MA Elisabeth Dittrich
Dipl.-Päd. MA Sonja Wodnek

 Zum Nachlesen | Buchtipp

„Hand-Herz-Hirn“
als Anleitung zur Salutogenese mentaler Gesundheit speziell auch für Lehrkräfte …

 Hinweis – Tipp

PROvokativpädagogik Symposium am 11.5.2011 in Krems

Die Lehrertankstelle Niederösterreich feiert ihren 1. Geburtstag

Karin Eder

Dipl-Mediatorin
Koordinatorin der NÖ Lehertankstelle

„Die Lehrertankstelle –NÖ ist nun seit einem Jahr in Vollbetrieb! Ein Grund zum Feiern? Ja, finden wir, denn immerhin ist es durch diese, europaweit einzigartige Form von ONLINE Supervision & Coaching für NÖ LehrerInnen, möglich, völlig anonym und 24 Stunden täglich Unterstützung oder zumindest ein „offenes Ohr“ anzubieten.

Über 300 ERST-Anfragen erreichten uns, mit fast allen ergab sich eine weiterführende Korrespondenz die im Durchschnitt bei etwa 10 „Beantwortungen“ liegt. Einige sind uns als „Stammkunden“ treu, LehrerInnen welche vorallem den Austausch, die Reflexion, das Besprechen (Beschreiben) von Situationen und Gegebenheiten schätzen um einfach einen anderen Blickwinkel zu erlangen. Das bekommen wir auch durchwegs als Feedback: besonders geschätzt wird einfach die  Möglichkeit Themen, „Probleme“, schildern zu können und durch gezielte Rückfragen und Anleitungen die Wahrnehmung so zu erweitern, dass sich „Lösungen“ oder einfach andere Sichtweisen wie von selbst ergeben.

Erst unlängst schrieb ein/e offenbar sehr engagierte PädagogIn (auf Grund des anonymen Login’s ist für uns nicht zu erkennen wer anfragt) dass er/sie sich „nur mehr ausgebrannt“ fühle, da die Arbeit in der Integrationsklasse „so schwierig und anstrengend“ sei … nach Hinterfragen (Schriftwechsel), stellte sich heraus, dass die Arbeit als solches gar nicht als anstrengend empfunden wird, im Gegenteil diese mache eigentlich großen Spass, auch die Kinder sind ja gar nicht „schlimm“ (obwohl sehr arbeitsintensiv J) – nein, vielmehr der Mangel an gefühlter Wertschätzung der Arbeit, des Engagements, dieser Lehrkraft seitens der KollegInnen und Eltern, machten dieser/m LehrerIn so zu schaffen. … Einige Wochen und einigen Schriftverkehr später kam plötzlich die Nachricht von dieser/m LehrerIn, dass sich plötzlich „alles geändert“ hat: er/sie empfand eine Welle des Respektes und der Dankbarkeit für sein/ihr Tun und er/sie strotze nur so vor Energie und Tatendrang … Was war geschehen? Ein Coachingprozess welcher sich vorallem mit den eigenen Bedürfnissen und wie man diese „befriedigen“ kann, beschäftigt, um dahin zu kommen was man braucht um glücklich und balanciert zu sein. Die Wahrnehmungsänderung für sich selbst bewirkt auch die Änderung von Verhalten (Aktionen und Reaktionen).

Und von der Startsituation „sich ausgebrannt zu fühlen“ hin zum Ziel „vor Energie strotzen“ ist ein wunderbares Beispiel für Förderung der seelischen Gesundheit – und immerhin ist die Lehrertankstelle ja als Projekt der betrieblichen Gesundheitsförderung für LehrerInnen von Frau Univ.Prof. Dr. Rotraud A. Perner konzipiert worden.

Dass wir viele solcher Anfragen abwickeln durften und damit wirklich unterstützen konnten, ist doch tatsächlich ein Grund zum Feiern!“

Mag. Judith Holzhöfer

Soziologin, Institut für Stressprophylaxe & Salutogenese

 „Schule ist nicht nur ein Ort der Wissensvermittlung sondern viel mehr. Schule ist Sozialisation. Hier in diesem Raum, in dieser Institution, in diesem Sozialgefüge werden Menschen sozialisiert, es werden Denk- und Gefühlmuster internalisiert, es werden Sozialverhalten eingeübt und es trägt maßgeblich zur Entwicklung der Persönlichkeit der einzelnen Menschen bei.

Es könnte oder sollte auch der Raum von Kreativität, kritischem Geist und Neugierde sein. Ein Ort zu fragen und zu hinterfragen.

Oft hat man das Gefühl dass diese Aspekte vergessen werden und dass die reine Wissensvermittlung alles wäre. Vor allem Lehrer die sich der gesamten Tragweite der Schule bewusst sind, laufen oft Gefahr sich in diesem System alleine gelassen zu fühlen.

Gerade für diese engagierten Lehrer gibt es einen Ort um „aufzutanken“, um in Austausch zu treten um Unterstützung zu bekommen in solch einem wichtigen und vielschichtigen Bereich und mit Kraft und Freude bei der Sache zu sein oder zu bleiben. Die Frage hierbei ist: Wie geht es Lehrerinnen und Lehrern mit diesen Themen? Wie wird das Spannungsfeld Schülerschaft-Lehrerschaft-Kollegenschaft-Vorgesetze-öffentliche Meinung empfunden und ausgehalten oder auch abgebaut?

Die Lehrer-Tankstelle bietet die Möglichkeit in diesem Spannungsfeld Ent-spannung zu finden. Mit dem Angebot der Live Supervision bekommen Lehrerinnen und Lehrer die Möglichkeit die Themen die sie belasten zu bearbeiten und zu reflektieren. Dies kann nicht nur in Krisensituationen hilfreich sein (als Krisenintervention gesehen), sondern als salutogener und gesundheitsförderlicher Aspekt betrachtet werden um Belastungen abzubauen. Einzeln sind wir gut, im Austausch werden wir besser und stärker!“

Lehrertankstelle live

Aktivitätshinweis

Lehrertankstelle „live“ Termine in St. Pölten, Matzen, Bruck

„LehrerTankstelle LIVE: Supervision & Coaching direct“

kostenfreie Teilnahme – begrenzte TeilnehmerInnenzahl

ISS – Institut für Stressprophylaxe & Salutogenese

2243 Matzen | Bahnstraße 24
mit Univ. Prof. Dr. Rotraud A. Perner
jeweils 14–18 Uhr

Montag 28. Februar 2011
Montag 28. März 2011
Montag 18. April 2011
Montag 30. Mai 2011
Montag 27. Juni 2011

NÖ Landesakademie

3109 St. Pölten | Neue Herrengasse 17A
mit Dipl.-Mediatorin Karin Eder
jeweils um 16 Uhr / Seminarraum 2

Mittwoch 09. März 2011
Mittwoch 06. April 2011
Mittwoch 11. Mai 2011

In den Räumen der Sonderschule

2460 Bruck an der Leitha | Hauptplatz 8
mit Dipl.-LSB Franz Babka
jeweils 15.30–18.00 Uhr

Donnerstag 3. März 2011
Donnerstag 7. April 2011
Donnerstag 26 Mai 2011
Donnerstag 16. Juni 2011

Aus der Praxis vom Team der Lehrertankstelle

Nachgefragt bei

Franz Babka

Dipl.Lebens-&Sozialberater:

Lehrertankstelle, 1 Jahr online und Workshopberatung.

„Ich durfte in meiner Beratungstätigkeit für die „Lehrertankstelle“ die Erfahrung machen, dass sie von den meisten „Rat- Suchenden“ wirklich als ein Ort (real oder virtuell) des Auf-Tankens gesehen und verwendet wird. Was sind nun die Hauptkraftstoffe die nachgefragt und benötigt werden: Selbstvertrauen, Zugehörigkeit und Mut. Ich möchte diese Kraftstoffe und ihre Bedeutung für die Lehrertankstelle mit einigen Sätzen skizzieren.

Selbstvertrauen: Es sind vor allem die Lehrer, die sich durch hohes Engagement und Idealismus auszeichnen, die unsere Tankstellen „anfahren“. Ihre hohe Einsatzbereitschaft wird mittlerweile als selbstverständlich (von ihrem Umfeld, aber auch von ihnen selbst) gesehen – sie bekommen dafür kaum Anerkennung und Wertschätzung. Wo sie aber nicht „erfolgreich“ sind, ihre pädagogischen Maßnahmen nicht die Wirkung zeigen, die sie und andere erwarten, bläst ihnen ein kalter Wind ins Gesicht. Hier zeigt sich, dass mit dem Zu-spruch von Anerkennung und Wertschätzung das geschwächte Selbstvertrauen sich regeneriert und sie so gestärkt bereit sind, neue Wege in ihrem Unterricht zu gehen, aber vor allem auch wieder die Erfolge zu sehen, die sie täglich erzielen.

Zugehörigkeit: Schwächen zu haben, sich selbst zu hinterfragen, ratlos zu sein,…. all das sind Aspekte unseres Daseins, die wir zumeist verbergen, um das Bild, das wir (und andere) von uns haben nicht zu beschädigen. Im Austausch mit KollegInnen dürfen die TeilnehmerInnen der Workshops die Erfahrung machen, dass sie mit diesen „Schwächen“ nicht allein sind. Im Suchen nach Antworten und Lösungen entsteht ein starkes Gefühl von „Gemeinsam auf dem Weg sein“, das Kraft gibt, erstarktes wieder in Bewegung zu bringen. Der geschützte Rahmen, in dem sich jedeR so geben darf wie sie/er ist, wird für viele ein Ort der Authentizität und Zusammengehörigkeit, und ersetzt so, was viele Lehrerzimmer und Zusammentreffen unter KollegInnen nicht mehr bieten.

Mut zur Kreativität: Gestärkt durch Selbstvertrauen und Zugehörigkeit entwickeln viele der TeilnehmerInnen den Mut, ihre gewohnten (pädagogischen) Wege zu verlassen und nach Neuem (Denkweisen und Verhalten) zu suchen. Die spannende Erfahrung die dabei viele machen ist, daß die „Erfolgsquote“ viel höher ist, wenn sie aus einer neu gewonnen Leichtigkeit heraus auf ihre Umwelt reagieren und diese gestalten. Altbewährtes wird beibehalten, Neues erworben und nostalgisch

„Nutzloses“ entweder in einer geistigen Vitrine „ausgestellt“ oder auf einer ebensolchen „Müllhalde“ entsorgt. Die TeilnehmerInnen berichten zumeist sehr humorvoll, wie ihre Umwelt (SchülerInnen und KollegInnen) auf ihre neue Freiheit (im Denken und Tun) reagieren.

Für mich ist der Erfolg der Lehrer-Tankstelle, das Menschen zu ihr kommen um Aufzutanken, und durch ihre Veränderung zur Tankstelle in ihrem System (Umfeld) werden.“

Franz Babka betreut viele online Anfragen und auch die „Lehrertankstelle live“ in Bruck/Leitha.

Mythos Bildungsreform

Interview mit

Univ. Prof. Mag. Dr. Rotraud A. Perner

Sie kritisiert die aktuelle Diskussion zur Bildungsreform:

Frau Prof. Perner – Sie sind Pädagogikprofessorin an der Donau Universität Krems, haben 2007 und 2008 große Studien zur Stress- und Gewaltbelastung von Lehrkräften sowie KindergartenpädagogInnen durchgeführt, die PROvokativpädagogik erfunden – wie sehen Sie die derzeitigen Bemühungen um eine Bildungsreform?

„Zuerst möchte ich einmal klarstellen: Was derzeit unter dem Schlagwort „Bildungsreform“ medial publiziert wird, ist eine Verwaltungsreform. Mit Bildung hat das nichts zu tun. Und es stellt weiters einen Versuch dar, alle Macht dem Bund zuzuschanzen. Völlig klar: eine sozialistische – ich bleibe bei der alten Bezeichnung der SPÖ – Bildungspolitik sieht vermuteter Weise anders aus als eine christlich-soziale. Genau davor haben Eltern wie PolitkerInnen Angst und lassen die „rote Katze“ oder die „schwarze“ aus dem Sack. Wenn man aber wirklich mit Lehrkräften „an der Basis“ arbeitet und nicht mit SchreibtischpädagogInnen, kommt man drauf, dass es kaum Unterschiede gibt. Die tatsächliche Herausforderung heute besteht nämlich nicht im Indoktrinieren bestimmter Inhalte – Ideologien inbegriffen, da meine ich z.B. ökologisches Verantwortungsgefühl und kritische Konsumentenerziehung – sondern darin, dass die Kids überhaupt motiviert werden, zuzuhören und aufzunehmen.“

In ihrem Studienbericht „Mut zum Unterricht“ (Aaptos Verlag 2008) weisen sie darauf hin, dass viele Lehrkräfte beklagen, dass die Schülerschaft oft gar nicht mehr hören kann …

„Ja – die sinnliche Wahrnehmung verflacht und damit auch das Denken. Das hat mit der Reizüberflutung durch audio- visuelle Medien zu tun, mit zu wenig Anleitung zum „sanften“ hören als Gegengewicht zum Sich-zudröhnen-lassen, mit der Schnelligkeit des Zappens egal ob vor dem TV-Schirm oder dem Computer, mit dem Verlust der Fühlfunktion und so fort.

Hier gegenzusteuern bedeutet beste Primärprävention gegen Gewalt – vor allem auch Gewalt gegen sich selbst. Deshalb braucht es ja spezifisch ausgebildete PädagogInnen, deswegen habe ich ja die PROvokativpädagogik entwickelt – PRO großgeschrieben, es geht nämlich nicht ums Provozieren im Alltagssinn, sondern um prosoziales Beziehungsgeschehen quasi als Begleitmusik beim Unterrichten.“

Wieso sind Sie eigentlich nicht in den Gremien, die an der so genannten Bildungsreform arbeiten – beispielsweise die Expertenriege von Hannes Androsch?

„Auch wenn mich jemand gefragt hätte – und das hat niemand, denn was sich in Niederösterreich Positives entwickelt, wird ja in Wien, Medien mitgemeint, weitgehend ignoriert – sind für mich die Zeiten vorbei, wo ich mich mit Unternehmensberatern wie Andreas Salcher, Verwaltungsjuristen wie Bernd Schilcher oder Großindustriellen Volksbegehrenfinanciers um pädagogische Kompetenz streiten mag. 1978 hab ich zu Kreiskys 1400 ExpertInnen gehört, da war ich nur in Sozialarbeiterkreisen bekannt; heute blicke ich auf über 40 Fachbücher zurück – da kann man alles nachlesen. Und man kann bei mir studieren, an der Uni oder in meiner eigenen Akademie (s. www.salutogenese.or.at). Ich gebe lieber mein Fachwissen an die weiter, die es wirklich brauchen – Lehrkräfte, die im Feld stehen.“

Sie unterrichten an der Donau Universität im Fachbereich Migration und Globalisierung – wieso dort?

„Erstens weil Univ. Prof. Dr. Gudrun Biffl diesen Lehrgang unter ihren Fittichen haben wollte. Es geht ja in der PROvokativpädagogik nicht nur um den die Gesundheit Aller fördernden Unterrichtsstil, sondern auch um Antidiskriminierung, Gendersensibilität, Mediation, Dialog nach Buber und Bohm, Interkulturellen Respekt und Beantwortung von Aggressionen mit Gelassenheit und Humor, kurz um Gewaltprävention in umfassenden Sinn, und die beginnt immer bei uns selbst. Und zweitens weil eben Migration eine besondere Herausforderung für Lehrkräfte darstellt und daher die üblicherweise herabgewürdigten Fähigkeiten wie intuitives Wahrnehmen und Einsatz der Körperenergie – etwas, was PsychotherapeutInnen können oder zumindest können sollten – zur Überbrückung kultureller Differenzen nützlich, ich würde sagen, unersetzlich sind. Deswegen habe ich ja all das, was ich aus meiner über 40jährigen Praxis, vor allem auch als Sozialtherapeutin in der außerschulischen Kinder- und Jugendarbeit, als effizient und hilfreich erkannt habe, so verdichtet, dass man es in 2 Jahren postgraduate Studium erlernen kann. Psychoanalytische Sozialtherapie wie ich sie gelernt habe, ist nämlich was anderes als Schulpsychologie – die ich als Testinstitution für kognitive Lernschwierigkeiten nicht missen möchte – oder Sozialarbeit, die bei familiären Schwierigkeiten kompetent beraten kann, oder Psychotherapie als Heilmethode für seelische Verletzungen. Man könnte viel Geld einsparen, wenn Provokativpädagogik zur Basisausbildung aller PädagogInnen zählen würde. Aber das würde die genannten Berufsverbände nicht freuen …“

Jetzt sollen aber ohnedies alle PädagogInnen universitär ausgebildet werden …

„Hochschulstudien dienen nach dem Gesetz der wissenschaftlichen Berufsvorbereitung. Ich habe selbst lange am Zentrum für die schulpraktische Ausbildung der Universität Wien unterrichtet – Didaktik der Gewaltprävention nämlich – und weiß, dass die AbsolventInnen der alten Pädagogischen Akademien verglichen mit den LehramtsstudentInnen die besser ausgebildeten PädagogInnen waren. Ich habe ja selbst auch an der PädAk in Wien studiert und bedauere, dass die so genannte Aufwertung zu pädagogischen Hochschulen nicht mehr Kompetenz fürs Unterrichten gebracht hat, sondern nur mehr Pflichten zum wissenschaftlichen Arbeiten. Im Endeffekt geht es ja immer nur um Verschiebung von Budgetmitteln, Standesdünkel und vermeintliche Wettbewerbsvorteile. Um die Kids geht es nicht und ebenso wenig um die bemühte Lehrerschaft. Es stimmen die Lehrinhalte nicht mehr. Die Anforderungen an die PädagogInnen haben sich massiv verändert, die Kids sind überdreht, die Eltern überfordert, Vorgesetzte versuchen, nur kein Aufsehen erregen zu lassen und die Medien orientieren sich nach Skandalen. Tatsächlich bräuchte es multidisziplinär kompetente Schulombudsleute für die Lehrerschaft – so wie wir sie ja mit der NÖ Lehrertankstelle online und live anbieten.“

Wieso engagieren Sie sich eigentlich so für den Unterricht? Man kennt sie ja primär als Spezialistin für Fragen der Sexualität?

„Prävention sexueller Gewalt war ein Interessensgebiert von mir Ende der 1980er Jahre, als ich mit KollegInnen zusammen die Wiener Sexualberatungsstellen gegründet habe. Inzwischen gibt es dazu etliche Kopien – so wie auch zu den seinerzeit ebenfalls von mir in meiner Lebensberaterausbildung in Oberösterreich initiierten Love Tours – aber für kompetente Sexualpädagogik im Schulunterricht hat sich wenig verändert. Wie ich schon sagte: Die Medienleute wissen gar nicht, was ich wirklich arbeite (lacht). Aber zu ihrer Frage: Ich bin ein doppeltes Lehrerskind, auch die Schwester meines Vaters war Lehrerin, der Vater meiner Mutter, der Großvater meiner Mutter … es muss in den Genen liegen (lacht wieder). Als ich 1989 meinen ersten Lehrauftrag – „Kommunikation und Gemeinwesenarbeit“ an der Universität für Bodenkultur! – erhielt, seufzte meine Mutter beglückt: „Wenn das nur dein Vater noch erlebt hätte! Jetzt bist Du endlich doch am Katheder gelandet!“

Lehrerinnen erzählen aus der Praxis im Schulalltag

Gedanken zur persönlichen Gewaltprävention

Dipl.-Päd., MA Elisabeth Dittrich
Dr. Theodor Körner HS 4 in St. Pölten

„Gewalt ist immer mit Zwang verbunden. Psychisch wie physisch.

Gewalt ist Macht. Allein die Androhung von Gewalt kann schon psychische und physische Schäden hervorrufen.

Gewalt beginnt schon in der Familie. Wie im Buch „Schaff dir einen Friedensgeist“ beschrieben, gibt es viele „Tatorte“, an denen Gewalt ausgeübt werden kann.

Besonders schlimm für mich ist die Gewalt an Kindern. Sie können sich nicht wehren und werden eingeschüchtert.

Gewalt ist auch, ein Kind ständig so niederzumachen, dass es aus Angst angepasst ist. Es geht mir schlecht, wenn ich sehe, wie wenig wertschätzend manche KollegInnen Kinder behandeln. Manche Kinder werden schon prinzipiell schlecht behandelt. „Eh klar, von dir hab ich nichts anderes erwartet.“

Gewalt muss nicht immer die rein körperliche Gewalt sein! meisten vorbei.

Ich habe erst einmal eine Situation erlebt, wo eine Mutter einem Schüler gegenüber handgreiflich wurde. Ich bin nach einer Schrecksekunde dazwischengefahren und habe ihre Hand genommen und einfach „Nein“ gesagt. Wir haben dann noch ohne Anwesenheit des Kindes miteinander gesprochen und sie hat mir unter Tränen ihr Leid geklagt. Ich hab sie gebeten, in Zukunft das Kind nicht mehr zu schlagen, mehr auf den Buben einzugehen….

Nach Lesen des Buches „Schaff dir einen Friedensgeist“ und anderen Büchern, die Gewaltprävention bei Kindern behandeln bzw. nach diversen Vorträgen von Frau Dr.in Perner, hab ich nun immer wieder versucht, mich zu entschleunigen, vor jedem Statement durchzuatmen, einfach anders als sonst, eben provokativ, zu reagieren.

Lass jede Meinung zu! Jeder ist so, wie er ist! Lebe was anderes vor! Sei empathisch!

In meiner Klasse herrscht seit dem ersten Tag, als diese Kinder das Schulhaus betreten haben, ein sehr angenehmes Klima, ich möchte, dass alle freundlich umgehen miteinander, dass Gewalt vermieden wird.

Wir haben auch keine „Schulordnung“, sondern selbst zusammengestellte Verhaltensregeln, die unterschrieben worden sind. Ich freue mich über jede Stunde, die ich mit diesen lieben Kindern verbringen darf.

Demnächst möchte ich ein sechsstündiges Projekt in meiner Klasse: „Wir sind gegen Gewalt“ durchführen. Dies soll das Programm der „Weißen Feder“ gemeinsam mit anderen Elementen beinhalten.

Es ist immer wieder erstaunlich, was ein Lehrer mit Liebe und Empathie (und dabei doch Konsequenz) alles erreichen kann! Ich freue mich, dass die Früchte des Studiums PROvokativpädagogik an der Donau Universität Krems zu reifen beginnen und ich teile meine Maßnahmen auch gern anderen interessierten Kolleginnen mit.

Gemeinsam mit meiner Klasse versuche ich, den anderen vorzuleben, dass es ein Miteinander ohne Schimpfwörter und Gewalt geben kann. Ich kann keinen dazu zwingen, es genauso zu machen, aber ich möchte einen anderen Weg aufzeigen. Außerdem gibt es heuer bereits das 2. Jahr die Unverbindliche Übung „Schulfach Glück“ an unserer Schule. Glückliche Kinder sind nicht so gewaltbereit! Ich bin sehr froh, auch heuer wieder aus dem knapp bemessenen Stundenpool diese Stunde von meinem Bezirksschulinspektor erhalten zu haben!

Ich liebe Kinder, egal wie „schlimm“ sie auch sein mögen und genau das möchte ich ihnen immer wieder vermitteln.“


Schule, die glückt, Traum oder Wirklichkeit?

Dipl.-Päd., MA Sonja Wodnek
Volksschule Oed

„Die Volksschule Oed bei Amstetten liegt im Herzen des Mostviertels. In ihren Adern pulsiert eine Pädagogik, die auf das einzelne Kind ausgerichtet ist. Blickt man hinein, so sieht man SchülerInnen mit Montessori-Material arbeiten, eine Kindergruppe im Lernatelier, einige Kinder im Meditationsraum. Die Altersmischung von der ersten bis zur vierten Schulstufe bietet Anlass und Anreiz, jedoch nicht Auslöser, eine geeignete Lernumgebung für die Kinder zu schaffen. Soziale Spiele, Rollenspiele, psychomotorische Bewegungseinheiten und vieles mehr bewegen Kinder und Erwachsene nicht nur äußerlich. Die unfassbare Freude am Tun und Lernen wirkte ansteckend auf mich, Lehrerin an der Mehrstufenschule Oed, und ich begann das Studium der PROvokativpädagogik unter der Leitung von Dr.in Rotraud A. Perner an der Donauuniversität Krems.

Mein Blickwinkel wurde durch das lösungsorientierte Arbeiten geweitet, neue Perspektiven eröffnete die Rollenübernahme der Beobachterin im Dialog und erstaunt erlebte ich den Energiegewinn durch die Beschäftigung mit meiner eigenen Persönlichkeit. Beim Schreiben von Lebensmärchen, bei supervisierenden Gesprächen mit Gleichgesinnten, beim Kennenlernen schamanischer Arbeitsweisen, durch querdenkerische Aufstellungsarbeiten, in der Mediation als Form der Konfliktbewältigung lernte ich, neue Wirklichkeiten zu erträumen und Träume Wirklichkeit werden zu lassen.

Die Unterrichtsarbeit wurde nicht quantitativ bereichert durch neue Lernspiele und Lehrmaterialien, sondern qualitativ durch gezieltes Anerkennen der Bedürfnisse der Kinder, Eltern und LehrerInnen im momentanen Augenblick. Trotz Reizüberflutung und Konkurrenzdenken den Kindern Zeit und Raum zu geben, ihre Wirklichkeiten und Träume anzuhören, diese malen zu lassen oder aufzuschreiben, hilft ihnen leer zu werden, um dann Neues wirklich zu lernen.

Time out statt game over – durch ein Pausieren geht keinesfalls Lernzeit verloren, sondern das Ruhigwerden und Innehalten ermöglicht eine produktive Neuorientierung. Ein Schulalltag beginnt mit Frühstück, Spiel und Dialog. In dieser Zeit werden Fernsehsendungen und Computerspiele aufgearbeitet, Probleme diskutiert und Erlebnisse ausgetauscht. Im Unterricht wird Anteil am Weltgeschehen genommen, Fragen der Kinder werden als Unterrichtsimpulse aufgegriffen, mit dem Bewusstsein der alten Griechen, dass es beim Lernen nicht darum geht, Fässer zu füllen, sondern Flammen zu entzünden.

Der rege Austausch zwischen der gelebten Praxis im Regelunterricht und dem wissenschaftlichen Background der PROvokativpädagogik war so befruchtend, dass nach Dr.in Rotraud A. Perners Forderung „Verhaltensoriginelle Schüler brauchen verhaltensoriginelle Lehrer“ humorvoll eingetaucht wurde in eine Welt, in der Fehler als Lernchancen gesehen werden. Aussprüche wie „Bam Oida, wos hot a Wörtabuach mit Deitsch z´toan?“, werden bildhaft gesprochen nicht mit der Hornbrille gelesen, sondern humorvoll beantwortet mit „Oida Bam? Oides Buach? In keinem Wörterbuch find ich diese Wörter! Da müssen wir unbedingt weitersuchen!“ Ob dies gefunden wurde, ist nicht gewiss. Sicher ist aber, dass durch humorvolle Momente der Glücksbotenstoff Dopamin ausgeschüttet wird, der Lernmotor Nummer 1 ist.

Die Suche nach dem Glück rückt in Studium und Schule immer mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit, lässt neurologisches, psychologisches, pädagogisches, soziologisches und philosophisches Wissen vernetzen, um Lernen und Entwicklung des Kindes verantwortungsbewusst und zukunftsorientiert in Einklang zu bringen.

Wie die Sonne für die Solarenergie, so ist Glück für das Lernen unabkömmlich. Doch macht Gold einen Milliardär wie Dagobert Duck nicht glücklicher, auch das dauerhafte Glück macht nicht reicher. Es geht nicht um ein Schönlügen der Welt, sondern um ein lösungsorientiertes Arbeiten am Problem im Hier und Jetzt für eine lebenswerte, gesundheitsfördernde, glücksbringende, lernförderliche und gewaltpräventive Schule, um eine wirkliche Schule PRO Kind, PRO Eltern und PRO LehrerIn.

www.vsoed.ac.at

Zum Glück wirklich traumhaft!“

Hand-Herz-Hirn

Zum Nachlesen | Buchtipp

„Hand-Herz-Hirn“
Anleitung zur Salutogenese mentaler Gesundheit – speziell auch für Lehrkräfte

Rotraud A. Perner Psychotherapeutin (PA), Pädagogin, promovierte Juristin und in Ausbildung zur evang. Theologin, definiert Gesundheitsförderung als Bildungsproblem.

Als langjährige Universitätsprofessorin für Prävention und Salutogenese, bemüht sie sich immer auch in Vorträgen „an der Basis“ zu zeigen, dass Gesundheitsförderung nicht Monopol medizinischen oder psychologischen Geheimwissens sein soll.

Es gibt ganz einfache Denkmuster, mit denen jeder Mensch vorsorglich wahrnehmen kann, wo der Ausweg aus Sackgassen oder der richtige Weg an Kreuzungen gefunden werden kann.

Das vorliegende Buch fasst Kernaussagen und Anleitungen aus diesen Vorträgen zusammen.

Rotraud A. Perner
Hand – Herz – Hirn
aaptos Verlag / Wien 2011, 112 Seiten
ISBN 978-3-901499-99-9

PROvokativpädagogik Symposium

Hinweis – Tipp

PROvokativpädagogik Symposium

Festsaal im Haus der Regionen, Volkskultur NÖ
3500 Krems | Donaulände 56
11.05.2011 | 13–16 Uhr:

Da es mittlerweile schon über 50 in Frau Prof. Perner’s Masterstudium PROvokativpädagogik ausgebildete LehrerInnen gibt, welche alle dieses Studium als wesentliche Bereicherung in ihrem Arbeitsalltag bezeichnen, möchte Frau Prof. Perner dieses Thema in einem von der Donauuniversität veranstalteten Symposium behandeln um auf die Wichtigkeit der Inhalte (musische statt aggressiver Kreativität als PROsoziales Verhalten zur Bewältigung von Spannungszuständen, die Lehrkraft als Modell und Hilfe im Umgang mit schwierigen Situationen bzw. Menschen, insbesondere verhaltenskreativen SchülerInnen und als Gegengewicht zu den allgegenwärtigen Modellen der Gewalt in den Medien – auch als Mittel zur Gesundheitsförderung für SchülerInnen wie LehrerInnen = dazu gibt es bereits Masterarbeiten!!! ) hinzuweisen.“

Begrüßung

Univ.Prof. Dr. Gudrun Biffl
Dekanin der Donauuniversität Krems

Eröffnung

Landeshauptmannstellvertreter Mag. Wolfgang Sobotka (angefragt)

Referate von

Univ.Prof. Dr. Rotraud A. Perner
Univ.Lekt. Dr. Michael Benesch
Univ.Lekt. Mag. Wolfgang Wilhelm

Moderation

Dr. Michael Roither
Ressortleitung Bildung Salzburger Nachrichten und Leiter des Journalismuszentrums der Donauuniversität Krems