„Der Kunde ist König“, lautete eine Standard-Empfehlung an künftige Kaufleute in ihrer Lehrzeit und beinhaltete im Verborgenen den Rat, sich mit der Kundschaft nicht anzulegen, weil man sie sonst vergraulen und möglicherweise noch üble Nachrede provozieren würde. Und da es einem Sprichwort gemäß aus dem Wald so zurückschallt, wie man hineinruft, verhielt sich die Kundschaft dann auch königlich würdevoll.

Das hat sich geändert. „Beim Einkaufen entlädt sich der Zorn“, titeln die Salzburger Nachrichten vom 26. Juli, und wissen (im Untertitel): „Beschimpft und bespuckt: Die Aggression gegenüber Verkäuferinnen steigt. Schuld ist nicht nur die Hitze.“ Als Ursachen werden neben der zunehmenden Ungeduld der KäuferInnen auch Personalknappheit, junge unerfahrene und daher auch billigere MitarbeiterInnen und allgemeiner Zeitdruck angegeben.

Diese Angaben entstammen den Angaben der Betroffenen, spiegeln also deren subjektive Sicht wieder. Es gibt aber objektiv noch andere Auslöser: Kaufen bedeutet für viele nicht nur Versorgung mit Lebensnotwendigem, sondern vor allem erhoffte Steigerung des Selbstwertgefühls – darauf zielt ja auch vielfach die Produktwerbung, indem sie Familiendankbarkeit, „Spaß“ und Lustgewinn, vor allem aber auch Sieg über (erotische oder berufliche) Konkurrenz suggeriert. Damit wird Kauf aber zu einem kampfähnlichen Verhalten – und das nicht nur während „Weißer Wochen“.

Wenn man die eigenen Gefühle vor dem Anstellen an der Supermarkt-Kasse kontrolliert, kann man oft den aufsteigenden Ärger beobachten, dass man nicht der oder die einzige Person am Laufband ist – und dass die anderen „vor einem“ womöglich „mehr“ auflegen als man selbst. Frühkindliche Geschwisterrivalitäten kündigen ihren Aufstieg aus dem Seelenuntergrund an. Ich sage dann meinen KlientInnen, die „ausgezuckt“ sind und Ärger mit ihren Mitmenschen bekommen haben, dass solche Situationen wunderbare Gelegenheiten darstellen, Geduld zu üben – und die gehört zur Sozialkompetenz.

Wer als Kunde König herrschen (und nicht als Tyrann bekämpft werden), will muss vor allem zuerst sich selbst beherrschen. Und das muss man lernen und einüben wie jede Fertigkeit.