In ihrer Festrede anlässlich des 25-Jahre-Jubiläums der Donau Universität Krems (an der ich Professorin für Prävention und Gesundheitskommunikation war und u. a. meine Methode PROvokativpädagogik – nicht zu verwechseln mit dem ganz anderen Nachfolgeprodukt Provokationspädagogik – als Masterstudium implementiert, aber jetzt in meine eigene Akademie s. www.salutogenese.or.at verlegt habe), sagte die langjährige Vizepräsidentin des European Research Council (ERC) Helga Novotny, heute müsse man Wissenschaft erweitert betrachten – nicht bloß inhaltlich, sondern auch was die Ausgangslage der Wissenschaftler und ihr Herangehen im Forschungsprozess betreffe.

Diese präzise Aussage der international hoch anerkannten Wissenschaftsforscherin hat mir gut getan – denn obwohl ich in all meinen Professuren und Lehraufträgen von Rektoren und Institutsvorständen „geholt“ wurde und mich in meiner Forschungsarbeit wie auch Fachpublizistik immer ausdrücklich auf Thomas S. Kuhn (Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen; Die Entstehung des Neuen), Ernst von Glasersfeld (Radikaler Konstruktivismus), Ludwik Fleck (Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache) und Paul Feyerabend (Wider den Methodenzwang; Erkenntnis für freie Menschen) sowie Georges Devereux (Angst und Methode in den Verhaltenswissenschaften; Normal und anormal) berufe, gibt es logischerweise Personen, die mich genau deswegen abwerten, dass ich persönliche Zugänge ebenso ausweise wie auch den jeweiligen Forschungsprozess oder Projektverlauf. Und ich bemühe mich dabei, eine Sprache, die auf elitäre Unverständlichkeit verzichtet, anzuwenden. (Gelingt mir ohnedies nicht immer.) Auf www.haltgewalt.at sind unter Texte ein paar Beispiele – etwa meine heurige Ethikvorlesung an der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik, die ich Corona-bedingt per Video halten musste und daher auch gleich verschriftlicht habe.

Ich orientiere mich nämlich nicht an der Philosophen-Sprache Kants, Hegels, Kierkegaards oder Heideggers, sondern an der meiner Soziologen-Vorbilder Elias, Goffman oder Sennett und des Psychoanalytikers Erich Fromm – von Roland Girtler ganz zu schweigen, der mir bei meinen ersten Büchern – jetzt sind es etwa 65, muss demnächst wieder mal abzählen, vielleicht ergibt sich ein Jubiläum? – wertvolle Schreibetipps gab.

Es hat schon weh getan, dass Florian Klenk – erfahrungsgemäß (wie auch seine Zeitschrift Falter) mir gegenüber unfair – zu meinem Bericht zum „Bündnis gegen Gewalt“ in etwa schrieb, der wäre auf dem Niveau eines Schulaufsatzes. Es war ein Verlaufs-Bericht aus meiner analytischen Sicht, allerdings rücksichtsvoll gegenüber der Beamtenschaft des Innenministeriums, weil Kritik an Personen nicht mein Ziel war. Klenk ist vom Ursprungsberuf Jurist so wie ich – und er verzichtet ja auch auf Juristensprache … und die Bücher der von mir oben erwähnten Professoren-Kollegen kennt er vermutlich nicht.

In meinem neuen Buch „Komme was da wolle … Krisenkompetenz“ habe ich Roland Girtler u. a. mit dem Satz zitiert, die Soziologensprache ähnle einer „Liturgiesprache mit sakralen Zügen“ (S. 18). Auch nicht jede – wie man am Beispiel Sennett oder Fromm beobachten kann. Und in meinem soeben fertig gestellten Text „Tyrannei der Normalität – Über Dysfunktionen und Paraphilien“ für ein Psychosomatikfachbuch (wird nächstes Jahr bei Springer Heidelberg erscheinen) habe ich Devereux mit seinem „bitteren Scherzwort“ zitiert, „dass jedes psychiatrische Lehrbuch den Titel tragen sollte: ,Wie du mehr so wie ich werden kannst‘.“ (Angst und Methode, S. 208)

Im Gegensatz zu den Wissenschaftlern, die sich das Privileg einer Anstellung erobern konnten, kann man alle anderen zu den „freien“ – d. h. prekären – Berufen zählen (wie Heilberufler und andere – Künstler, stammen wir doch alle vom Archetyp des Schamanen ab), und die leiden unter dem Zwang zur Konkurrenz. Die ist aber, wie ich immer sage und schreibe, die Wurzel der Gewalt – auch der verbalen, jemand anderen von vornherein abzuwerten, nur weil er – und besonders sie – nicht ins Traditionsbild passt. Daher: Danke, Helga Novotny!