Wenn man möchte, dass jemand Fehler macht, bewährt sich die Methode, der Person Stress zu bereiten – ihr beispielsweise Fehler vorzuwerfen, ihre Entscheidungen in Frage zu stellen bzw. ihr etwas anzuschaffen und sie unter Zeitdruck zu setzen. Diese drei absoluten Stressfallen heißen: „Be perfect“ – sei fehlerlos, „please me“ – sei so, wie ich will, dass du bist, damit ich zufrieden bin (was aber außerhalb der eigenen Macht liegt!) und „hurry up“ – tummel dich. Fast jeder Mensch kennt solche Befehle aus der Kindheit , und dazu noch viele andere wie „Streng dich an!“, „Sei stark!“, „Lass dir nichts gefallen!“ – und paradox „Gib nach!“

Eric Berne, der Begründer der psychotherapeutischen Schule der Transaktionsanalyse, unterscheidet „Spiele“ im Sinne von „games“ gegenüber von „power plays“, d. s. Machtspiele. Dazu kann man all die oben angeführten „Befehls-Techniken“ zählen. Überhaupt ist es interessant zu beobachten, wie oft Menschen in Befehls-Sätzen sprechen und das von ihren AdressatInnen gar nicht wahrgenommen geschweigedenn verbeten wird – so gewöhnt sind sie offenbar daran.

Ein Power Play basiert darauf, dass eine Person Überlegenheit über die andere beansprucht, sich aber nicht einem fairen Wettbewerb stellen mag (wozu Regeln und eine Richterperson bzw. Jury gehören würden). Stattdessen versucht sie, die andere Person klein zu reden oder zu machen, und wenn diese bei diesem „Spiel“ nicht mitspielt, wird ihr Überheblichkeit, Arroganz oder Unsicherheit (s. „Brief“ Nr. 38) oder Unerfahrenheit oder was auch immer unterstellt. Der Volksmund spricht dazu: „Wenn man einen Hund prügeln will, findet man schon einen Stecken.“

Als ich noch Bezirksrätin (und Landtagskandidatin) in Wien Favoriten war, musste ich als Vertreterin des Bezirksvorstehers an der Betriebsbewilligung einer Videothek teilnehmen und wusste, dass es Anrainerbeschwerden gegen die auch zu spätnächtlichen Stunden zu- und abfahrenden Autos gab. Ich war die einzige Frau in der Kommission, und es fiel mir schwer, mir gegenüber den lautstark herumschreienden Männern Gehör zu verschaffen. Also atmete ich tief in den Bauch hinein, verstärkte die Resonanz meiner Stimme und konnte damit mit gleichem Stimmvolumen die Einsprüche der Bevölkerung zur Sprache bringen. Daraufhin sah mich einer der Männer verächtlich an und eröffnete sein Machtspiel mit den Worten: „Und das will eine Frau sein!“ Ich sah ihn daraufhin freundlich an und antworte im Tonfall einer gütigen Mutter: „Falls Sie es noch nicht bemerkt haben: Ich bin eine Frau!“ Bingo! Die anderen Männer lachten, und er dreht sich angewidert weg.

Wenn also Maria Stern letzthin von „Spielchen“ sprach oder Jörg Leichtfried „ausgespielt“ sagte, machen sie damit – siehe Schulz von Thun in meinem „Brief“ Nr. 38 – vor allem ihre eigene Denkweise offenbar: Sie spielen Power Plays – und das ist in der Politik üblich, wenn man bloß Spielpunkte machen will.