Menschen unterscheiden sich durch ihren Umgang mit der Zeit – und zwar nicht nur deswegen, weil und wie sie mehr oder weniger erfolgreich auf Geschwindigkeit trainiert wurden, sondern auch durch das Ergebnis ihrer biologischen wie auch sozialen Erbfaktoren: Es hängt von der Atmung und diese wiederum vom Körperbau ab, wie sehr jemand „fühlt“ – denn fühlen braucht Zeit, das geht nicht schnell – oder im schnellen Überblick „vernünftig“, d. h. ohne durch Gefühle abgelenkt zu werden, handelt. Letzteres Verhalten wird in Action-Filmen vorgeführt und von all denen, die sich mit den kämpfenden Filmhelden identifizieren (oder daraufhin trainiert wurden) nachgeahmt. (Und im Kampf sind Gefühle ja auch unangebracht.)

Menschen, die Bauchgefühl (Intuition) und Verstand zu balancieren wissen, sich daher Zeit zum Bedenken nehmen, erscheinen den Ungeduldigen oft unsicher – dabei sind sie aber bedächtig. (Da steckt mit der Silbe „dächt“ bzw. „dacht“ der Hinweis auf besonnenes, d. h. sinnhaftes Denken drin.) Will man also jemand als „unsicher“ definieren, braucht man nur herumnörgeln, dass er nicht schnell – d. h. im Umkehrschluss unter Zeitdruck unbedacht, nämlich nicht ausreichend bedacht – handelt.

Im NLP (Neurolinguistischem Programmieren) wird je nach bevorzugten Wahrnehmungs- und Denksystem zwischen Visuellen (betont aufs Sehen Ausgerichteten), Auditiven (aufs Hören Ausgerichteten) und Kinästhetikern (aufs körperliche Wahrnehmen, also Riechen, Schmecken, Tasten wie auch Fühlen und Spüren Ausgerichteten) unterschieden. Eine Möglichkeit, schnell zu unterscheiden, wer in welche Richtung tendiert, liegt daran, ihre Atmungs- und Sprechgeschwindigkeit zu vergleichen: Je mehr jemand auch fühlt, desto langsamer wird die Person sprechen – ein Teil der Wirkkraft von Bruno Kreisky. (Ich habe das bei mir selbst in Nachhinein beobachten können: Als Juristin – mein Ursprungsberuf – und Jungpolitikerin war ich viel schneller im Denken und Reden als dann, als ich den Berufswechsel zur tiefenpsychologischen – bei anderen, z. B. den verhaltenstherapeutischen oder systemischen Schulen ist das meist anders – Psychotherapeutin vollzog. Um wirklich zu fühlen, wie es anderen Menschen tatsächlich geht und nicht nur „erwartungsgemäß dargestellt“ wird, muss man ganz offen und entspannt sein – und das geht nicht mit gleichzeitiger angespannter Zielgerichtetheit.)

Dass JournalistInnen ungeduldig mäkeln, wenn ein Politiker nicht „aus der Hüfte“ Wortspenden „schießt“, wie wir es in letzter Zeit im Fernsehen beobachten konnten, hängt mehr mit deren Zeitdruck des Redaktionsschlusses zusammen als mit einer gerechtfertigten „Diagnose“. Nörgelworte (z. B. Anneliese Roher: „… sich nicht entscheiden können“, Beate Meinl-Reisinger: „Es wird auch schon Zeit!“), mit denen sie ihren Frust über vorenthaltene Aussagen (oder auch „Sager“) oder andauernde „Spannung“ ausdrücken, sollte man nur als deren persönliche Reaktionen verstehen – so wie Friedemann Schulz von Thun  formulierte: „Immer wenn jemand etwas von sich gibt, gibt er auch etwas von sich“.