Nunmehr lese ich fast täglich in den Salzburger Nachrichten mehr oder weniger feindselige Kommentare zu der Forderung, Straßen und Plätze und noch mehr umzubenennen, wenn der Namensgeber eine „NS-Vergangenheit“ aufgewiesen habe – was auch immer jemand darunter subsummieren will. (Heute etwa steht darin, dass sich Uni-Historiker mit den KollegInnen solidarisch erklären, die den der Debatte zu Grunde liegenden Bericht verfasst haben, weil der ÖVP-Bürgermeister Zusatzinformationen im Stadtplan für ausreichend hält und außerdem angeblich einem einzigen parteinahen Historiker sein Gehör schenken will – für mich nur ein Einschüchterungsversuch mittels medialer Mini-Öffentlichkeit.)

Das Grundproblem bleibt nach wie vor im Dunkeln – und dabei ist es die Ursache vieler Erkrankungen wie auch Delikte: Einen Menschen auf irgendein Detail seiner / ihrer Vergangenheit hin zu „etikettieren“ und damit ins Out zu drängen. In der Schule heißt das Bullying, anderswo Mobbing, Bossing, Staffing … nur für die Politik gibt es noch kein Code-Wort. Damit würde nämlich dieser Stil aus der behaupteten „Vergangenheits-Bereinigung“ herausgehoben und als das gezeigt, was er eigentlich ist: eine Anpatzerei.

Mich erinnert das auch an den Psychiater-Witz, in dem einer auf einer Party fragt, „Herr Doktor – bin ich verrückt?“ und der antwortet, „Kommen Sie in meine Ordination – ich werd‘ schon was finden!“

Stellen wir uns – wie bei den alten Ägyptern – eine Waagschale vor, in die jemand nach seinem Tod seine Großtaten und Untaten einwiegen lassen muss, und wo immer drauf geschaut wird, was er oder sie für die Familie, Kommune, Gesellschaft geleistet – oder unterlassen hat, wo er oder sie hätte leisten sollen.

Und vergleichen wir die Verdienste eines Herbert von Karajan oder eines Ferdinand Porsche mit ihrem heute verpönten Bemühen, Aufträge und Financiers für ihre Projekte zu gewinnen (was ja heute auch notwendig ist, solange man keine fixe Vollanstellung sein Eigen nennen kann). Auch heute wird von politischen Parteien – zumindest von meiner ehemaligen weiß ich es auch aktuell – Druck ausgeübt, wenn jemand eine bestimmte Sache (z. B. Wohnung, Arbeit, aber auch anderes) erreichen will, und umgekehrt blockiert, wenn er oder sie es „nur“ wagt, deren Gegner gut zu finden.

Ich fände es wichtiger, dass so lange noch ZeitzeugInnen leben (und hoffentlich nicht mehr Repressalien ausgesetzt sind), erarbeitet wird, wie genau sie die NS-Zeit erlebt haben (In diesem Zusammenhang großen Respekt vor den Büchern von Herbert Lackner, „Als die Nacht sich senkte“, „Die Flucht der Dichter und Denker“, „Rückkehr in die fremde Heimat“, alle im Ueberreuter Verlag), als solche Details ihrer Jugend-Biographien auszuschlachten (vorausgesetzt sie haben keine Ämter in der staatlichen Hoheitsverwaltung übernommen), was übrigens auch deren Kinder, Enkel und Urenkel trifft (weiß ich von konkreten Diskriminierungen vor Publikum).

Dass wir wohl alle rückblickend manches anders gemacht hätten (und oft nicht den Mut aufbringen, dazu zu stehen, aber auch aufrecht und aufrichtig die Kenntnisnahme zu fordern: „So bin ich nicht mehr!“), gehört zum Allzumenschlichen; zur menschlichen Größe gehört, die Hand auszustrecken und die Diskriminierten an die eigene Seite zu holen – so wie es Bruno Kreisky gelegentlich tat.

Gerade in Salzburg sollte man sich aber vor der „Jedermann“-Stimmung hüten, lustvoll Verdammnis zu inszenieren und bei totaler Verzweiflung dann ein (aktuell parteipolitisches) Glaubensbekenntnis zu fordern.