Ein Journalist hatte mich angerufen und mir ein „ordentliches Honorar“ angeboten, wenn ich für sein Blatt einen Kommentar zu den Chats aus der ÖBAG-Spitze schreiben würde.

Ich habe kurz geschwankt … das hat der erfahrene Medienmann gemerkt und gekonnt begonnen, Empörung zu schüren … aber ich habe dennoch abgelehnt – und das möchte ich hier begründen.

Ich kenne ja das Sprichwort, „Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen“ – aber ich will nicht spotten, schon gar nicht öffentlich, das überlasse ich den echten, den Berufskabarettisten, die haben den professionellen Humor, dass es witzig ist und nicht bloß aggressiv und überheblich.

Aggressiv und überheblich empfinde ich diese nunmehr veröffentlichten SMS und Chatverläufe ja auch – aber das regt mich nicht (mehr) auf: Die dahinter liegende Denkweise kenne ich nur zu gut, vor allem auch von Spitzenpolitkern der Partei, die ich 62 Jahre meines Lebens unterstützt (und wegen zunehmend frauenfeindlicher Äußerungen verlassen) habe, und auch von dem einen oder anderen „Spindoktor“ aus den 1980er Jahren (wobei es diese Bezeichnung damals noch nicht gab), Freunde meines Ehemannes, die, wenn sie aus den USA kurz mal nach Österreich kamen, in unserem Wohnzimmer saßen und „launig“ berichteten, wie sie ihre künftigen Ränke (Stichwort Waldheim) schmieden wollten.

Als ich mich nach Abschluss meiner psychoanalytischen Ausbildung auch im personzentrierten Ansatz nach Carl Rogers ausbilden ließ, war dessen quasi „erstes Gebot“ für mich völlig neu: Die Person nicht zu bewerten, weder positiv und schon gar nicht negativ, sondern wenn nötig, dann nur das Verhalten, und das auch nicht von oben herab „urteilend“ wie bei Gericht, sondern einfühlsam, aus dem Blickwinkel des Gegenüber, quasi wie in einer Selbstbefragung, Motive klärend und Motivationen verstehend. Das ist schwierig in Sprache zu bringen – wird aber offen angenommen, wenn man dabei „echt“ (authentisch, kongruent) ist – wenn Gefühl und Sprachausdruck identisch sind.

Deswegen kritisiere ich das, was ich „Menschenfresser-Humor“ nenne – die Übung, andere mit scheinbar witzigen Pointen zu blamieren, selbstgerecht an den Pranger zu stellen; in Wirklichkeit wird damit nur blanker Neid und Hass maskiert, ohne zu merken, dass das genauso überheblich ist, wie die Spöttelei ihrer Ziel-Personen. Ein Spiegel-Prozess.

Wohin die öffentlichen schnellen Pointen von Applaus-heischenden Spitzenpolitikern führen können, haben Donald Trumps Appelle an die „proud boys“ gezeigt.

Und die Hetzreden von Goebbels und Co. „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“ (Bert Brecht, Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui.)

Aber nicht öffentlich gedachte Entsorgung von Seelenmüll in vertraulichen SMS bzw. Chats an enge Bezugspersonen sollten nach wie vor tabu sein – genau so, wie in Seelsorge und Psychotherapie. Intimes muss intim bleiben. Sich daran zu begeilen oder noch „Schäuferln nachzulegen“ sagt mehr über diejenigen aus, die sich damit auf das gleiche Niveau begeben.

Charakterstudien hingegen gehören in den Bereich der Gerichtssachverständigen bei Kapitalverbrechen (d. s. solche an Leib und Leben).

Charaktereinschätzungen aber müssen ohnedies all diejenigen treffen, die anderen Funktionen zuteilen – beispielsweise den eines Parteiobmanns.

Es gibt genug Möglichkeiten, Kritik am öffentlichen Agieren sachlich und ernsthaft zu formulieren – man kommt damit aber halt vermutlich nicht so leicht „in die Medien“.