Da fand ich doch gestern im Kurier unter den Bildern des Jahres eines, wo EU-Kommissionspräsident Juncker sich von hinten herabbeugend einem vor ihm sitzenden Mann beidhändig in die Haare fährt – Untertitel: „EU-Präsident Juncker hatte es lustig mit sich“ (KURIER, 30.12.2018, S. 29). Ein Wiederholungstäter? Am 17. Dezember war die Vizeprotokoll-Leiterin der EU Ziel seiner „lustigen“ Attacke – er verwirbelte ihre langen blonden Haare (https://diepresse.com/home/ausland/eu/5547606/JeanClaude-Juncker-wuschelt-EUBeamtin-die-Haare). Also ein Haarfetischist? Wohl auch nicht, denn wie auf den Videos der Presse zu sehen, klopft er auch einmal dem damaligen Bundeskanzler Faymann mit einer zusammengelegten Zeitung auf den Kopf … Also ein Kopfjäger? Aber vielleicht will er damit nur demonstrieren, dass die EU keine Grenzen kennt … (auch lustig gemeint).

Vor Jahren war ich einmal bei IKEA einkaufen und erlebte, wie ein kleines Mädchen sich klagend an seine Mutter wandte: „Mami, warum greifen mir alle Leute in die Haare?“ Die etwa Fünfjährige hatte wohl einen afrikanischen Vater, denn sie war dunkelhäutig und hatte üppige schwarze krause Haare. Ich wandte mich damals der Kleinen zu und sagte, „Du hast ganz Recht – man darf niemand ohne dessen Erlaubnis angreifen und schon gar nicht am Kopf! Aber es gibt leider Leute, die ihre Hände nicht unter Kontrolle haben …“ Die Scheitelregion des Kopfes ist nämlich der Bereich, von wo aus wir mit dem Himmel verbunden sind – deswegen wurde dieser Bereich auch von Mönchen traditionell haarfrei gehalten. Für hochsensible Menschen fühlt sich eine Berührung an dieser Stelle wie ein Quetschen ihres Gehirns an. Man darf die Hand nur im Abstand drüber halten – und nur, wenn man bewusst segnen will. Alles andere schädigt. Es ist Machtmissbrauch „von oben“. (Es gibt auch einen „von unten“ – der gehört aber zu #me too.)

Leider wissen das viele Menschen nicht. Wem seine Sensibilität nicht von klein auf aberzogen, d. h. verboten oder ausgeredet wurde, spürt es zwar, weiß aber nicht, was konkret das Unbehagen auslöst. Seit dem Buch „Körperstrategien“ der kalifornischen Psychologieprofessorin Nancy M. Henley (1934–2006) sollte bekannt sein, dass statushöhere Personen – oder solche, die sich dafür halten – (weiße gegenüber farbigen Amerikanern, Männer gegenüber Frauen, aber auch dominante Frauen gegenüber Männern wie Frauen) sich ihre narzisstische Macht durch körperliche Übergriffe bestätigen (und meist unwidersprochen bleiben).

Andere Säugetiere (sind wir Menschen ja auch) hingegen wehren sich, wenn man ihr Revier verletzt.

Wir Menschen verfügen aber über Sprache. Wir müssen nicht „gute Miene zum bösen Spiel“ machen – wir können auch sagen, dass wir etwas nicht lustig finden. Und wir können uns allenfalls auch entschuldigen.

Genau das zählt zu meinen Neujahrswünschen.