Von dem Freud-Schüler Sándor Ferenczi stammt die Formulierung von der „Sprachverwirrung zwischen dem Erwachsenen und dem Kind“, wenn nämlich der Erwachsene mit seiner Erwachsenensexualität bewusst oder unbewusst in der „Sprache der Leidenschaft“ über das Kind herfalle während dieses nur in der „Sprache der Zärtlichkeit“ seine Sympathie ausdrücke.

Ich orte eine andere Sprachverwirrung – eine gezielte, die leider oft unbewusst übernommen, multipliziert aber leider nicht enttarnt wird. Am Wahlsonntag, dem 24.11.2019, sprach etwa Harald Vilimsky zweimal in der Sendung der Generalsekretäre von „Leihstimmen“ (der FPÖ), die aktuell bei der ÖVP „geparkt“ wurden – wie wenn die FPÖ ein Besitzrecht auf irgendwelche Stimmen hätte und die Wählerschaft Kraftfahrzeuge wären (oder eben „Vehikel“ der Parteien – eine interessante Sichtweise!). Wenn ich mich recht erinnere, gab es das Wort Leihstimmen schon im vorletzten Nationalratswahlgang (2017) – nur bin ich mir nicht sicher, ob von Seiten der SPÖ …? Und schon wiederholte Tarek Leitner am Montag in der ZiB um 19.30 diese Neuwortschöpfung. Das finde ich nicht richtig, denn dadurch kann sich dieser Begriff neuerlich unwidersprochen und unkritisiert in den Köpfen des Publikums verankern.

In der gleichen Sendung formulierte Nadja Bernhard: „Dieben gelingt spektakuläre Milliardenbeute in einem Dresdner Museum“. Warum spricht sie von „gelingen“? Schwingt da stille Anerkennung mit? Wäre nicht ethisch neutraler  gewesen, nur „Milliardenraub in Dresdner Museum“ zu texten?

Ein anderes Beispiel: Überschrift „Die Alten stehen uns im Weg“ – Untertitel „Samuel Koch wirft der Elterngeneration digitales Versagen vor. Jetzt startet der 25jährige seine eigene Universität“ (Salzburger Nachrichten, 21.11.2019, Seite 13). Im nachfolgenden Interview von Iris Burtscher erfährt man allerdings, dass der Jungunternehmer, der sich auch rühmt, die türkis-blaue Regierung in Start-up-Fragen beraten zu haben, nur erst für den kommenden Herbst einen Bildungscampus plant – dort jedoch keine anerkannte Ausbildung anbieten will; die Ausbildung – modular in den Bereichen Technologie, Wirtschaft und Design – soll kostenlos sein und durch Stipendien gedeckt, und „Wir haben dazu bereits eine Bildungsstiftung gegründet“. Wer „wir“ sind erfährt man in dem Interview genauso wenig wie aus dem legendären Wahlkampfvideo von Christiane Hörbiger. Dafür  doziert der Erstlingsautor, „Wir stellen früh die Sinnfrage in der Arbeit, das ist ein wesentlicher Unterschied in den Generationen“ und präzisiert auf Nachfrage, alt wäre bei ihm „ab 40“. Apropos „Sinn“: Soziale Gesinnung zeigt sich in seinen Aussagen jedenfalls keine.

In einer Qualitätszeitung hätte ich mehr kritische Nachfrage erwartet, auf Grund welcher Erfahrungen Herr Koch zu seinen generalisierenden Behauptungen kommt – und einen Kommentar zu der abwertenden Haltung gegenüber seinen Vorgenerationen. So zeigt sich nämlich der Start-up von Ageismus (Diskriminierung / Verhetzung auf Grund von Alter).