Halt! Gewalt!

Sprache sei ein Schlüssel, habe ich einen Ausspruch des polnisch-amerikanischen Ingenieurs und Linguisten Alfred Korbyzki in Erinnerung: Sie könne aufschließen aber auch einsperren.

Daran musste ich denken, als der “Politkberater” Thomas Hofer in der Talkshow “Im Zentrum” am 17. Jänner 2016 die Wählerschaft der Bundespräsidentschaftkandidaten Hundstorfer, Griss, Van der Bellen und Khol mit der Bezeichnung “Pensionistenkränzchen” etikettierte um auszuführen, dass die vier – alle im Altersbogen von Mitte 60 bis Mitte 70 – für Junge nicht attraktiv wären.

Was der ehemalige profil-Journalist damit als quasi geistiges Bild “umschloss”, war ein “Gefängnis” für “Alte” – denn ein “Kränzchen” ist eine geschlossene Gesellschaft, während unausgesprochen aber suggestiv mitgezeichnet das Bild von fantasierten “Jungen” in Freiheit im Raum steht. “Fantasiert” formuliere ich deswegen, weil ja er nicht klarlegte, was er unter Junge verstünde: Teens oder Twens? Leute um die 40 (die üblicherweise mit ihrer Midlife Crisis ringen und krampfhaft die Sanduhr des Lebens anhalten wollen)? Oder …?

Viel interessanter als das historische Alter der Kandidatenschaft sind ihre historischen Verhaltensweisen, Kompetenzen und Verdienste.

Auch wenn sich zumindest Griss und Van der Bellen für ein Fairnessabkommen hinsichtlich des Wahlkampfes einsetzen – wer da mit tut kann nur für sich selbst und die Personen, die sie oder er kontrollieren kann, Verpflichtungen eingehen – für alle anderen nicht. Und üblicherweise machen immer andere die “Dreckarbeit”. Erinnern wir uns nur, wie Gernot Rumpold immer als Jörg Haiders “Mann fürs Grobe” tituliert wurde … oder auch Norbert Darabos in seiner Zeit als Bundesgeschäftsführer der SPÖ ähnliche Namensgebungen hinnehmen musste.  Es finden sich immer Übereifrige, die sich im vorauseilenden Gehorsam bei den Lichtgestalten beliebt machen wollen, indem sie sich mit Schattenarbeit profilieren … oder umgekehrt.

Denn auch wenn jemand mit verbalen Prämierungen hochgelobt wird, kann dahinter der Versuch verborgen liegen, Wahrheit aufzufrisieren. So beispielsweise im Kurier vom  20. Jänner, in dem die ehemalige Höchstrichterin Griss als “Rechtsgelehrte” bezeichnet wird. Ein Rechtsgelehrter ist jemand, der sich in langer Zeit kontinuierlich in Forschung, Lehre und Publizistik hervorgetan hat. Das hat sie nicht. Ich selbst beispielsweise würde mich nie als Rechtsgelehrte bezeichnen obwohl ich – promovierte Juristin und an etlichen Gesetzwerdungen legistisch beteiligt – Wesentliches zur Wahrnehmung und Pönalisierung sexueller Gewalt forschend, lehrend und publizierend beigetragen habe. Es wäre nicht korrekt, sondern eine Art narzisstischer Aufblähung. Denn auch wenn ich “Rechtswissenschaften” studiert habe (wenn man das damals – nach der alten Studienordnung – prüfungsorientierte Strebern als Studieren bezeichnen mag), liegt meine wissenschaftliche Kompetenz wo anders – z. B. unter anderem in der Kommunikationswissenschaft und damit besonders der tiefenpsychologischen Entschlüsselung von Wortwahl.

Aber möglicherweise hat die Autorin des Artikels nur eine andere als die gewohnte korrekte Berusfbezeichnung gesucht …?

Oder sie wollte die Ex-Richterin gegenüber den tatsächlichen Hochschulprofessoren Van der Bellen und Khol “aufwerten”? Dann wäre dies aber ein Versuch, eine oberflächlich unkritische Leserschaft zu manipulieren – und das zählt bereits zur mentalen Gewalt.