Der Tiroler SPÖ-Vorsitzende Georg Dornauer, der sich bereits des Öfteren – allerdings nur mit (reaktionserwiesen!) inakzeptablen provokanten Äußerungen – Präsenz in Zeitungsmeldungen organisieren konnte, hat es wieder einmal geschafft, entnehme ich dem Kurier vom 16.08.: Er konnte in einem Interview mit der APA über künftige Regierungskonstellationen phantasieren. Dabei sagte der nicht an mangelndem Selbstbewusstsein leidende Nachwuchspolitiker: „Mit den Grünen im Sitzkreis will ich keinen Staat führen.“ (Hervorhebungen von mir.) Nun – diese Sorge wird ihm vermutlich erspart bleiben.

Aber darum geht es mir nicht. Ich bin auf die spöttischen Abwertung der „Methode“ Sitzkreis aufmerksam geworden – hatte ich genau das Gleiche doch erst drei Wochen vorher aus dem Mund einer Psychiaterin gehört, die vor mir in einer Fortbildungsveranstaltung referiert hatte. Bei ihr dachte ich mir, dass sei halt ein Seitenhieb auf mich als Psychotherapeutin – immerhin gibt es zwischen den „Psychoberuflern“ noch immer unterschwellige Konkurrenzen und nicht alle haben die menschliche Reife und professionelle Kompetenz (welche durch – Psychotherapeuten, nicht aber Ärzten oder Pädagogen und schon gar nicht Juristen vorgeschriebene – jahrelange, von Meistern begleitete, Selbsterfahrung und Supervision erworben wird), ihre geheimen Dominanzbestrebungen wahrzunehmen und im Zaum zu halten. Dass ich noch sechs andere Berufe gelernt habe und ausübe, darunter auch die Juristerei und Pädagogik, war der knapp 20 Jahre jüngeren Frau wohl nicht bekannt (oder unangenehm).

Im Sitzkreis zu arbeiten, hat als Methode den Sinn, Hierarchien wie Vorsitznahme an der – realen oder gedachten – Schmalseite eines Tisches oder an einem anderen „Goldenen Platz“ (beispielsweise vor einer Tafel oder Flipchart oder vor der Lichtquelle) zu verhindern: Alle sollen sich gleich fühlen können. Dass dies denen nicht recht ist, die einen geheimen Führungsanspruch besitzen, ist nachvollziehbar – und genau deswegen sollen solche Taktiken unterbunden werden.

Sitzkreise werden in pädagogischen, insbesondere erwachsenenbildnerischen, Kreativität und Persönlichkeitsentwicklung fördernden und daher auch therapeutischen Berufsfeldern genutzt. Im ärztlichen Bereich findet er sich in den sogenannten Balint-Gruppen, in denen sich selbstkritische ÄrztInnen u. a. mit ihrer Beziehungsgestaltung gegenüber ihren PatientInnen auseinandersetzen, vor allem aber auch im interdisziplinären Austausch mit den Angehörigen anderer Gesundheitsberufe, mit denen man besser, vor allem konkurrenzärmer kooperieren will.

Als ich noch SPÖ-Mandatarin war, in den 1970er und 1980er Jahren, waren wir PionierInnen mit unserer Arbeit im Sitzkreis: So haben wir die großen Reformen der Kreisky-Jahre erarbeitet, die Argumentationen und die Durchsetzungsstrategien. Und wir haben wirksam miteinander kooperiert, denn wir haben allfällige Ressentiments offen und wertschätzend angesprochen, weil: Im Sitzkreis gelingt der Austausch von Angesicht zu Angesicht unter der gemeinsamen Sozialkontrolle.