Da lese ich doch gerade auf Facebook einen Beitrag aus dem SPÖ-Parlamentsklub:

Wolfgang Sobotka benannte im wiedereröffneten Parlament einen Gang nach dem neoliberalen Ökonomen Friedrich August von Hayek. Konservative und Liberale berufen sich gerne auf seine Theorien. Doch die Ideen des umstrittenen Ökonomen haben sich historisch nicht bewährt. Auch Hayeks Menschenbild ist problematisch: Er ordnete alles dem Nutzen der Wirtschaft unter und unterstützte die Militärdiktatur in Chile.

Und weil mir in diesem zitierten Beitrag die Information fehlte, dass der Österreicher Hayek 1974 den Wirtschaftsnobelpreis bekam, suchte ich sofort den gesamten Artikel im Internet: Sobotka benennt Gang im Parlament nach Militärdiktatur-Unterstützer Hayek (kontrast.at).

Und dort steht das schon korrekt als Tatsache, nicht korrekt aber in der subtilen Abwertung der Person durch den hämischen Hinweis, dass er den Preis mit dem Schweden Gunnar Myrdal, der konträre Perspektiven vertrat, „teilen musste“. Ich sehe das eher als Zeichen der Anerkennung oppositioneller Denkleistungen – nicht politischer Programme (für die sich Myrdal engagierte) – denn da geht es um Wissenschaft, auch wenn diese dann oft Basis für Wirtschaftsprogramme liefert (und die Hintergründe lasse ich mal außen vor). Mir gefällt vieles auch nicht – aber über Geschmäcker lässt sich bekanntlich nicht streiten – und ich mag nicht mediale Vorbilder wie Dieter Bohlen als Juror (nicht als Musiker) nachspielen (der ja für diese „Rolle“ als „ugly“ bestens bezahlt wird). Es würde meine Seele vergiften – und die anderer sowieso.

Mir ist Hayek natürlich geläufig – denn zur Zeit meines Jusstudiums 1962 bis 1966 – in dem damals dominant auch Volkswirtschaftslehre enthalten war – wurde Hayeks Buch vom „Weg zur Knechtschaft“ (1943) in der Auseinandersetzung mit Student:innen der Hochschule für Welthandel (heute Wirtschaftsuniversität) heiß diskutiert. Die nachfolgende Geschichte der Sowjetunion hat seine Sicht auf diese Art von Sozialismus bestätigt – und in dieser Kontrastierung sollte man auch seine Überlegungen gewichten. Er war alles andere als Vertreter einer sozialen Marktwirtschaft und schon gar kein Sozialreformer. Er blickte nicht „nach unten“, sondern „in die Weite“. Aber Meinungsfreiheit gilt als Menschenrecht. Bei uns. Zumindest noch.

Zur Meinungsfreiheit gehört auch, auf nationale Nobelpreisträger:innen stolz sein zu dürfen – oder andere große Söhne UND Töchter.  Und es gehört zur Meinungsfreiheit, diesen Stolz nicht zu teilen.

Was aber nicht zur Meinungsfreiheit – Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention – gehört, ist die Unterdrückung unwillkommener Gegenäußerungen oder Handlungen, wie sie durch die zunehmende Usance der sogenannten cancel culture (Cancel Culture – Wikipedia) toleriert wird.

Intoleranz zu tolerieren, ist Unterstützung des Beginns von Gewalt. Deswegen wünsche ich mir für die Zukunft gewaltfreie – und damit auch wahlkampffreie – Parlamente und Sitzungssäle, und sachliche Kritik statt persönlicher Attacken. Es genügt doch zu sagen, „Ich bin mit … nicht einverstanden“. Oder zu fragen: „Welche Motive hatten Sie, … zu machen?“

Es gibt einen Witz, da fragt ein Mann auf einer Party einen Psychiater, „Herr Doktor – bin ich normal?“ und der antwortet: „Kommen Sie übermorgen in meine Ordination – ich werd schon was finden!“ Wir finden immer etwas, wenn wir suchen – das gehört zur selektiven (auswählenden) Aufmerksamkeit, und je routinierter wir so etwas als Beruf (wie z. B. Detektive, Analytiker und Analysten oder Lehrkräfte) oder Hobbynörgler (generisches Maskulinum!) eingeübt haben, desto schneller gelingt es – so wie der Volksmund sagt: Ein Dieb sieht auch bei einem Heiligen nur die Taschen.