Sie werden immer mehr: Männer, aber zunehmend auch Frauen, die auf fremde Erwachsene eindreschen, wenn diese nicht „folgen“.

Der 37jährige Wiener, der mehreren Frauen mit der Faust ins Gesicht schlagen wollte, ärgerte sich, dass diese ins Handy schauten oder mit dem Smartphone Musik hörten. Sie würden ihn nur „aufhalten“, schrieb die Zeitung Österreich (07.09.2019, Seite 12), und: „Die Frauen schauen die ganze Zeit ins Handy, und wenn ich sage, dass sie aufhören sollen, haben sie das auch gefälligst zu tun.“ Mich erinnert das an den ORF-Redakteur, der mich am 9. Februar 2017, als ich als Festrednerin beim Eintreffen in der Wirtschaftskammer Burgenland genau so niederschlug, als ich mich auf den einzigen freien Sessel gleich neben dem Eingang zum kurz Verschnaufen niedersetzen wollte (in der ersten Reihe war wie üblich ein Platz für mich reserviert). An den Folgen davon leide ich heute noch (u. a. 30% vermindertes Hörvermögen links).


Ebenso versetzte eine 42jährige Frau in einem Bus der Wiener Linien am 6. September einem Polizisten einen Faustschlag ins Gesicht, als dieser sie zu verhaften versuchte, nachdem sie einen 81jährigen Mann vom Sitz gezogen, getreten und schwer verletzt hatte. Sie mußte schließlich mit körperlicher Gewalt festgenommen werden.

Am 19. August war in den Salzburger Nachrichten (Seite 4) sogar zu lesen, dass ein Kunde eines Schnellrestaurants in Frankreich einen Angestellten in die Schulter geschossen hatte, weil sein Sandwich nicht schnell genug zubereitet wurde. Offenbar hatte er eine Hauptader getroffen, denn der Angeschossene starb noch am Tatort (und dem Täter gelang die Flucht).

Hinter all diesen — und zahlreichen ähnlichen Fällen — vermute ich gedankenlose Machtdemonstrationen: Wem die Worte fehlen, lässt Fäuste sprechen — und die Worte fehlen dann (denn der obenzitierte ORF-Redakteur ist Historiker, sollte also von der akademischen Ausbildung und dem Beruf her der Sprache mächtig sein), wenn man von Zorn überflutet wird UND sich nicht „beherrschen“ will. In diesem Wort steckt „Herr“ drin: Viele verstehen Herr als Ausweis dafür, dass man andere beherrschen darf und diese gehorchen müssen. Ich verstehe „Herr“ aber als Gegensatzbegriff zu „Knecht“ im Sinne von Verhaltensstil: Ein Herr zeigt sich dadurch überlegen, dass er sich selbst steuern kann und nicht wie ein roher Rüpel Gesetze und gesellschaftliche Regeln übertritt, egal aus welchen Gründen.

Antisozialen Menschen — solche, die sich über die Gesetze erhaben fühlen — muss man entgegentreten, man, das bedeutet wir alle, die wir Zeugen werden oder im Nachhinein mit solchem Fehlverhalten in Kontakt kommen. Die Täter werden immer versuchen, sich zu rechtfertigen und den Überlebenden oder Opfern Schuld zuzuschieben. Deswegen ist wichtig, solche Zornausbrüche auch in der alltäglichen Kommunikation zu ächten und nicht klein zu reden.