Thomas Gottschalk, so lese ich im heutigen Oe24-Newsletter, trennt sich nach 46 Jahren von seiner Ehefrau Thea (73), weil er sich in eine 57jährige verliebt habe – eine „hochdotierte Controllerin beim deutschen TV-Sender SWR“. Sein Alter wird nicht angegeben – er  wird demnächst 69, also mitten in der late-life-crisis – dafür wird seine Ehefrau als „geschasste“ bezeichnet (https://www.oe24.at/leute/deutschland/Gottschalk-Trennung-So-erfuhr-Thea-von-der-Neuen/373805846?sc_src=email_2616807&sc_lid=201773149&sc_uid=sZ0UbgJkX1&sc_llid=15518&sc_eh=a5d69149b3c4f2131).

Nun könnte man von der „Gewalt“ der Liebe sprechen, der man nicht widerstehen kann. Das ist eine Ausrede für die eigene Untreue, vor allem aber für die Gewalt gegenüber der Partnerperson.

Auf ein „Neumodell“ zu wechseln wie bei einem Auto oder Fernsehapparat ist eine Verhaltensmöglichkeit, die vor allem viel über die Beziehungsfähigkeit und soziale Kompetenz des quasi „Käufers“ oder „Mieters“ aussagt, der offenbar, wenn möglicherweise nur unbewusst, an seinen „Gewinn“ denkt.

Es gibt nämlich auch andere Verhaltensmöglichkeiten als dem Zitat aus Oscar Wildes Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“ zu frönen, wo es heißt, „Der einzige Weg, eine Versuchung loszuwerden, ist ihr nachzugeben“: Es bietet sich Ablenkung an oder Unterdrückung – aber da erzeugt der Druck meist nur noch mehr Gegendruck – oder Integration.

Integration bedeutet, sich selbst als verliebt wahrzunehmen und abzuwarten, wie lange dieser Zustand – quasi eine Mini-Psychose (so die Einschätzung von Sigmund Freud) dauert, welche Zukunftsphantasien er auslöst und ob er Belastungen aushält – und Lebensentscheidungen aufzuschieben. (Auch während man sich in Psychotherapie befindet, soll man keine Lebensveränderungen vornehmen, ohne sie in der Therapie zu besprechen: „Reflektieren, nicht agieren!“ lautet die „Spielregel“, weil ja vieles Unterdrücktes – Wünsche, Begehrlichkeiten, aber auch Ängste und Rachebedürfnisse etc. — aufsteigt aber erst verarbeitet werden muss, und das braucht Zeit.) Unter Verliebtheit verbergen sich ja oft narzisstische Bedürfnisse – Zugewinn an Bewunderungsenergie, Unterstützung bzw. Versorgung in Zeiten beruflicher oder privater Belastung, oder aber Dankbarkeit. Oft verliebt man sich, wenn man sein Berufsumfeld ändert und – oh Wunder! – findet man jemand attraktiv, der oder die bei der Eingewöhnung oder Wissensansammlung hilfreich ist. Ich denke da an etliche Klientinnen, die von den Nachfolgern ihrer Vorgesetzten, deren Chefsekretärin sie waren, wild umworben wurden – bis derjenige alles wusste, was er für seinen Erfolg brauchte, und sie dann aus seiner Nähe hinausekelte, oft sogar mittels Ghosting (d. i. Kommunikationsabbruch).

Wenn es aber scheint, dass „der Tod scheidet“ – in meiner Interpretation „in der Beziehung keine Energie mehr drinnen ist“ – sollte gemeinsam entschieden werden, ob und wie man die Beziehung verändern will: reinigen, wieder beleben oder in Würde bestatten. Wenn aber Spötter ätzen, ein Teil des ehemaligen Paares wäre „geschasst“ worden, verlangt es meiner Ansicht nach der Anstand, der Person, die man einmal geliebt hat, schützend beizustehen.

Ich lese, im heurigen Herbst will Thomas Gottschalk ein Buch mit dem Titel „Herbstbunt: Wer nur alt wird, aber nicht klüger, ist schön blöd“ bei Heyne herausbringen. Nomen est omen?