In seiner Abhandlung über den Witz hat Sigmund Freud den Unterschied zwischen „tendenziösen“ und „tendenzfreien“ Witzen verdeutlicht: Während erstere dritte Personen herabwürdigen bzw. dem Spott preisgeben, fehlt diese Absicht erkennbar in den „echten“ spaßigen Bemerkungen, die auf Wortwitz oder beispielsweise heiteren Vergleichen basieren. (Mehr dazu in meinem Buch „Heilkraft Humor“.)

Früher haben verbale – oder auch manifeste – Gewalttäter sich mit „War doch nur Spaß!“ herauszureden versucht, wenn man ihnen Grenzen gesetzt hat. Heute berufen sie sich auf „Satire!“ und zeigen damit nur ihren mangelnden Mut, zu ihrer niederen Gesinnung zu stehen (und manchmal auch nur Einfallslosigkeit, welche ich bei nachfolgenden Beispielen vermute).

Aktuell ist es die Häme, mit der – offenbar war er es selbst, denn er hat auf den Protest der Betroffenen reagiert – Falter-Chefredakteur der ZiB-Moderatorin Nadja Bernhard unterstellt hat, aus modischen Gründen eine „Fensterglas-Brille“ zu tragen und die er als „Satire!“ kleinreden wollte. (Doppelt falscher Beitrag: Nadja Bernhard zeigt Sexismus auf | kurier.at) Ich fühle mit Nadja Bernhard mit: Als ich in den 1990er Jahren eine eigene Fernsehsendung („Fair Play“) bekommen sollte, ist das unter anderem daran gescheitert, dass ich Kurzsichtige ohne Brille die Studio-Uhr neben der Kamera (zur Sendezeit-Kontrolle) nicht ablesen konnte – aber mit Brille im Blickkontakt zu den Gästen der Talkrunde behindert gewesen wäre.

Nun weiß ich aus eigener Medienarbeit, wie mühsam es ist, immer passende Themen für regelmäßige Kolumnen parat zu haben, und habe daher auch Verständnis für solche Ethik-Flops. Kein Verständnis habe ich aber für den Versuch des selbsternannten Pseudo-Satirikers Jan Böhmermanns, mit einem neuerlichen „Unsere Oma“-Song zu provozieren: WDR-Kinderchor feat. Jan Böhmermann – „Meine Oma 2.0“ | ZDF Magazin Royale – YouTube.  (Zur Erinnerung: das Lied „Unsere Oma ist ne alte Umweltsau“ rief hohe Empörung hervor.)

Offensichtlich ist er selbst der Textdichter dieser neuen Zeilen, singt er doch mit, und vermutlich hat er ein Jahr lang an der Ablehnung des ersten Liedes „gekiefelt“, so dass er (sich?) jetzt toppen wollte. Die beabsichtigte Botschaft hätte ja auch mit einer anderer Liedparodie vermittelt werden können …

Aber war das erste Lied noch so abstrus, dass man leicht erkennen konnte, dass die damit gemalten geistigen Bilder nicht der Wahrheit entsprächen – und das Problem eher in der Verführung kleiner Kinder zur frechen Respektlosigkeit (es gibt auch nicht freche, die ich durchaus für sinnvoll erachte) gegenüber ihren alten Verwandten liegt – zeigt sich diesmal deutliche Schuldzuweisung und damit Aufbau von Feindbildern – nämlich „den Alten“. Und das in einer Zeit, in der Ageismus – die Diskriminierung auf Grund des Alters (was auch Junge treffen kann) – ebenso zunimmt wie die schleichend zunehmende Denkweise, gebrechlichen „old olds“ (80 +) die Lebensberechtigung abzusprechen.