Frau stundenlang sexuell missbraucht“ lautet der Titel des Berichts in den Salzburger Nachrichten, 25. Juni 2021, S. 27.

Juristisch ist die Formulierung korrekt – und in diesem Fall wäre die in Therapeutenkreisen gängige Bezeichnung „die Überlebende“ die einzig korrekte – wurde in durch Alkohol und Drogen schwer beeinträchtigtem Zustand in die Wohnung eines der Angeklagten verbracht und dort massiv sexuell misshandelt. Sachgerecht ist diese Formulierung nicht: Sie wurde „sexuell gefoltert“.

Ein diesbezüglicher Straftatbestand wäre dringend einzuführen.

Liest man Art. 3 EMRK,

Artikel 3 – Verbot der Folter

Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
Anmerkung
Siehe dazu auch:
Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, 
BGBl. Nr. 492/1987

so scheint es, als gelte dies nur für „Staatsgewalten“. Offensichtlich hat sich bisher niemand vorstellen können, dass so etwas im Alltag vorkommt – außer in den sogenannten Snuff-Pornos (Snuff-Film – Wikipedia), in denen Menschen – Frauen! – bis zum Tod gefoltert werden. Viele Menschen halten das „nur“ für Fakes – sind es aber nicht.

Auch bei Vergewaltigung glauben sie meisten Leute, so etwas spiele sich so „wie im Film“ ab (z. B. „Angeklagt“ mit Jodie Foster: Angeklagt (1988) – Wikipedia), aber die Realität ist viel, viel ärger. Ich habe in den 1990er Jahren viele Seminare „Wahrheitsfindung nach Vergewaltigung“ für Kriminalbeamte (damals nur Männer) abgehalten und deren – verharmlosende – Phantasien erfahren. (In meinem neuen Buch – „Recht und Seele“, erscheint Mitte Juli – habe ich darauf Bezug genommen.) Ich habe damals öfters den Vergleich gebracht: „Stellen Sie sich vor, ich würde jetzt aufspringen, Sie überraschend niederdrücken und mit meinem Kugelschreiber in ihre Nase fahren – wie wäre das für Sie?“

Im Hinblick darauf, was die 29jährige Kindergartenpädagogin erlitten hat, müsste der Vergleich nun aber lauten: „Stellen Sie sich vor, jemand würde mit einem Messer oder Zange in ihren Darm hineinfahren und herumstoßen!“ – und das Blut abwaschen und weitermachen. Das gehört auch der Richterschaft gesagt.

Wir wissen seit Mitte der 1990er Jahre, dass bei Menschen, die zusehen – auch bei Filmen! – die gleichen Gehirnpartien aktiviert sind wie bei denen, die „agieren“. Und je öfter sie zusehen, desto mehr wird das zur „Normalität“ für sie – oder zur Quelle ihrer Neugier. (Steht auch alles in meinem neuen Buch.)

Deswegen kritisiere ich die derzeit für Schulen (Schüler- wie Lehrerschaft) angebotene Sexualpädagogik – sie braucht interdisziplinär ausgebildete Fachkräfte, nicht nur Fortbildungsseminare. Das hatte ich Bundesministerin Claudia Schmidt schon 2011 angeboten – wurde aber von der Fachabteilung mit „Wir haben eh gerade das Video ,Sex we can‘ gemacht“ abgelehnt – ohne sich überhaupt genau informieren zu lassen.

Und dann habe ich die aktuelle Gerichtsaalberichterstattung mehrerer Tageszeitungen verglichen:

Drei Männer vergewaltigten 29-Jährige, lange Haftstrafen – Österreich – derStandard.at › Panorama

20 Jahre Haft für fast tödlichen sexuellen Missbrauch | kurier.at

Drei Männer verurteilt – 41 Jahre Haft für brutale Vergewaltigung in Wien | krone.at

Opfer fast getötet – Männer wegen brutaler Vergewaltigung vor Gericht | krone.at

Offensichtlich haben alle, die diese Zeilen verfasst haben, kein Einfühlungsvermögen – nicht in die Überlebende, aber auch nicht in die Täter, denn: Deren Gefährlichkeit war offenbar kein Thema?

Manche Zeitungen zitierten den – von mir sehr geschätzten – Gerichtssachverständigen Peter Hofmann, der die durch die Substanzgaben hervorgerufene schwere Bewusstseinsstörung diagnostizierte, wie auch die Posttraumatische Belastungsstörung der überlebenden Frau.

Was ich in keinem Bericht vorfand und daher nun frage:
Und die 3 Täter wurden nicht psychiatrisch begutachtet?