Ein verheirateter Lehrer hat ein Verhältnis mit einer 13jährigen Schülerin begonnen und muss sich jetzt strafrechtlich verantworten, war heute in der Tagespresse zu lesen. Es wäre eine Liebesbeziehung gewesen, sagen beide. Aber Liebe ist eines und Geschlechtsverkehr ist etwas anderes – und meist ist beides nicht miteinander verbunden.

Liebe wohnt im Herzen – sie macht das Herz weit und warm, und wenn man keine Ahnung hat, wie man auf tantrische Art diesen Energiezuwachs zelebriert und dehnend steigert, dann flutscht diese Potenz schnurstracks in die Genitalien, wird dort aus-gedrückt und weg ist sie … und viele wollen dann möglichst bald Wiederholung, weil sie sich unbefriedigt fühlen, „es war noch nicht genug“ – und suchen wieder nach Sex und erkennen nicht, dass eigentlich das „Loch im Herzen“ unerfüllt geblieben ist.

Geschlechtsverkehr – und dieser Begriff umfasst viel mehr als nur den Zeugungsakt – ist eine Möglichkeit, den Erregungsdruck abzubauen. Es gibt aber auch andere – nicht nur den a la Oscar Wilde: „Der einzige Weg, eine Versuchung los zu werden ist ihr nachzugeben“.
Andere wie beispielsweise Kaltwassergüsse, Selbstkasteiungen, Holzhacken oder ermüdende Sportaktivitäten gehören heute vermutlich der Vergangenheit an … außer vielleicht in manchen Internaten. Sie betreffen aber primär den Körper und nicht Seele und Geist.

Wenn man die „schöpferische Expansion“ (Frederick Mayer) im Herzen zentriert (und nicht gleich in den Unterleib verschiebt), kann sie den ganzen Leib durchfluten – auch das Großhirn und damit die Vernunft – und in ihm auf lange Zeit strömen bleiben. Dann wird es möglich, in der Liebe zu bleiben und gleichzeitig darauf zu verzichten, einen anderen Menschen für die eigenen Wünsche und Ziele zu missbrauchen. Einen sexualunmündigen Menschen wirklich zu lieben heißt, in dieser Liebe zu leben und ohne zu manipulieren zu warten, bis die andere Person sexualmündig geworden ist – mit dem Risiko, dass diese sich dann anders als erhofft entscheidet. (Gleiches gilt auch für Erwachsene!)

Nun gibt es aber Beziehungskonstellationen, in denen die erwachsene Person in einer Elternersatzfunktion steht: Lehrkräfte und Erziehende, Angehörige von Psychoberufen, Ärzteschaft, Priesterschaft … alle, die von Berufs wegen besondere Fürsorglichkeit und besonderes Charisma auszeichnet, und wo selbstunsichere Menschen sich unbewusst eine Art von Adelung erwarten – aus dem Kreis der „kleinen“ in den Quasi-Olymp der „Großen“ aufsteigen zu können. Fast allen Angehörigen von Elternersatzberufen sind sexuelle Beziehungen zu ihren Schützlingen strafrechtlich verboten – und das hat den gleichen Sinn wie das Inzestverbot zwischen Eltern und Kindern bzw. Enkelkindern (und Geschwistern). Das besondere Machtgefälle soll vor allem die übermächtige Person hindern, die ohnedies bestehende emotionale Abhängigkeit zu fixieren und so die freie selbständige sexuelle Entwicklung der mindermächtigen Person zu behindern (es gibt noch andere Gründe).

Wenn jemand in einem Elternersatzberuf sich in einen Schützling „verliebt“ (= sie oder ihn sexuell begehrt), ist dringend Supervision angeraten um die unbewussten Motive ins Bewusstsein zu heben. In einer Studie betreffend Psychologen in Deutschland kam heraus, dass diese in mangelndem Wissen über Missbrauchs-Szenarien, unzulänglicher ethischer Ausbildung, unbefriedigenden oder fehlenden Partnerbeziehungen bestanden und vor allem in fehlender Supervision, in der das alles bearbeitet werden könnte (müsste).

Sich auf Liebe zu berufen ist eine Schutzbehauptung. Echte Liebe will dem anderen keinen Stress bereiten – sich selbst aber auch nicht. Denn zu glauben, man wäre selbst als Person gemeint (und nicht nur als Projektionsfläche für Wunschphantasien bzw. als Imago), wenn jemand in einer Abhängigkeitsbeziehung einem „kindlich“, nämlich hoffnungs- und vertrauensvoll Liebe anbietet, zeigt eher von geschmeichelter Selbstüberschätzung – aber wer gibt die schon gerne zu?