Als ich als junge Rechtswissenschaftlerin 1968–1975 als Referentin in der Volkswirtschaftlichen Abteilung der Oesterreichischen Nationalbank arbeitete (und zeitweise mit Franz Vranitzky das Zimmer teilte, war Deficit Spending das Thema: In Zeiten vermindertem oder ausbleibendem Wirtschaftswachstums mittels Investitionen auf Schuldenbasis die Wirtschaft ankurbeln. Damals sprach auch Bundeskanzler Kreisky sein mittlerweile „geflügeltes Wort“, dass ihm ein paar Milliarden Schulden weniger schlaflose Nächte bescheren würden, als hunderttausend Arbeitslose. Das sicherte ihm zumindest bei diesen Wählerstimmen. Keine bekam er dafür bei denjenigen, die eher den strengen Sparsamkeitskurs („austerity“) von Margaret Thatcher und später Ronald Reagan für den richtigen Weg hielten – vor allem auch, weil sie dadurch die Leistungsanstrengungen ankurbeln wollten.

Diese politischen Gegenströmungen wurzeln in einem wirtschaftswissenschaftlichen „Phantom“ – dem sogenannten „Magischen Dreieck“ von Vollbeschäftigung, Geldwertstabilität (d. h. auch gleichbleibendes Preisniveau) und ausgeglichener Zahlungsbilanz als Ziel der Wirtschaftspolitik. Leider kann man gleichzeitig, so zumindest die bisherigen Erfahrungen, nur zwei der innewohnenden Ziele erreichen – alle drei zusammen hat bisher nicht so richtig geklappt. Regierungen müssen sich also für zwei dieser drei Bestrebungen entscheiden, und üblicherweise geschieht das zu Ungunsten der Geldwertstabilität und es steigt die Inflation. Wenn man die Gesamtpolitik einer Regierung betrachtet, kann man bei „links“ orientierten Vorrang für Beschäftigungsmaßnahmen beobachten – wie z. B. die „Aktion 2000″ des leider so früh verstorbenen Sozialministers Alfred Dallinger (1926–1989), bei „rechts“ orientierten hingegen den Zahlungsbilanzausgleich („Nulldefizit“) bei Propaganda für Selbstverantwortung und Eigeninitiative der Bürgerschaft, Betonung auf Eigeninitiative (Wolfgang Schüssel: „Mehr privat – weniger Staat“). Das entspricht dem unternehmerischen Denken, bei dem man nicht darauf wartet, dass „Vater Staat“ tief in die Tasche greift und „sein Geld“ unter den „Kindern“ verteilt. Das Geld gehört nämlich nicht ihm, sondern allen Staatsbürgern, die es mit ihren Steuern dem Staat zur Verfügung stellen, damit er Infrastrukturen wie Straßen, Schulen, Trinkwasser etc. zur Verfügung stellt und sichert – und natürlich Unterstützung, daher auch Interessens-Abstimmung möglicher Kooperationspartner sucht. (Wohin so etwas führen kann, wenn ein „Player“ dabei, clever & smart,  Alleingänge wagt, erfährt man seit dem Vorjahr an Hand der Aufarbeitung der Ibiza-Affäre – und deswegen ist Verpflichtung zur Transparenz so wichtig.)

Paternalismus – vom lateinischen Wort „pater“ für Vater – lässt „Obere“ den „Unteren“ eine Unzahl von Entscheidungen abnehmen, Begründung: „Nur zum Besten“ der Abhängigen (klassische Beispiele: Impfpflichten oder Fluorzusatz im Trinkwasser). Jean-Claude Wolf, Ethikprofessor an der Universität Freiburg in der Schweiz, präzisiert dazu: „Eine zukünftige Zustimmung wird vorweggenommen, und wo das nicht möglich ist, wird eine hypothetische Zustimmung konstruiert. ,Du würdest mir dankbar sein oder zumindest zustimmen, wenn du mich verstehen könntest.‘“ Einander zu verstehen erfordert Information und wohlwollenden Dialog bei der Empfängerschaft der Botschaften. Das wissen alle, die sich mit dem sogenannten Kommunikationsquadrat (Bühler, Watzlawick, Schulz v. Thun, populär „4-Ohren-Theorie“) auseinander gesetzt haben. Die derzeitige Gesprächskultur auf den oberen Ebenen entspricht dem weitgehend – aber auf den unteren Ebenen fehlt leider der gewaltverzichtende Dialog … Das ist die Gegenseite zum Paternalismus: Statt ernsthaft gemeinsam mit den Elternfiguren an Lösungen zu arbeiten, wird gefordert und randaliert, wie es Dreijährige tun, die hoffen, ihren Willen schon durchzusetzen, wenn sie nur genug nerven.