Eigentlich wollte ich das aktuelle Cover „Best of Böse“ des Wochenmagazins Falter [Satire?: Presserat prüft ‚Best of Böse‘-Cover des ‚Falter‘ (horizont.at)] nicht kommentieren – erstens weil es ja nur eine Fotomontage ist, zweitens weil es mehr als veraltet ist (wieso noch Schallenberg?), drittens weil trotz Goethes Diktum [Johann Wolfgang von Goethe | zitate.eu] mich die Absicht nicht verstimmt – die Blattlinie vom Falter ist ja bekannt – und ich viertens Trolle und deren Anverwandte nicht füttern mag. (Und dass ich fünftens der Meinung bin, Satire sollte man Berufs-Satirikern – als Fachleuten – überlassen, habe ich schon mehr als oft genug geschrieben.)

Warum ich es nun aber doch tue, hat folgenden Auslöser: Kaum hatte ich die vielen empörten Sexismus- und Privatheitverletzungs-Vorwürfe (s. Art. 8 EMRK) und die wenig verständnisvollen Entgegnungen von Armin Thurnher „and friends“ [„Heilige Familie“ mit Kurz und Thier: Herausgeber Thurnher, Peter Klien und „Tagespresse“ reagieren auf „Falter“-Satire – Medien – derStandard.at › Etat] gelesen, erinnerte ich mich sofort an das Profil-Cover vom 11.03.1996 mit dem (gefaked!) „nackten“ Bundeskanzler Vranitzky [Nackt auf der Titelseite, unfreiwilliges Werbesujet – alles Satire? – Blog: Medienrecht – derStandard.at › Recht], der sich dem damaligen Zeitgeist entsprechend logischerweise dagegen wehrte.

Die Sitten sind rauer geworden, aber auch untergriffiger, und wenn man jemand anderem „Verarsche“ vorwirft, handelt es sich meist um eine Projektion – die Unterstellung der eigenen Motive – man reagiert ja üblicherweise nur auf etwas, wozu man bereits innere Resonanz besitzt. (Das „unschuldige“ Kind im Märchen reagiert nicht auf die Monster links und rechts auf dem Weg zum abgesicherten Ziel, weil es gar nicht weiß, was Monster sind.)

Meine innere Resonanz – als eine, die mehrfach von eifer- oder rachsüchtigen Kolleg:innen verleumdet wurde – ist das eigene nicht nur Fach- sondern auch Betroffenheits-Wissen um die Gesundheitsfolgen, wenn man sich unerwartet und ungerecht am medialen Pranger „bloß“gestellt sieht. Ein Politiker oder auch eine Politikerin muss immer mit solchen Infamien rechnen – das gehört zum Berufsrisiko, und dafür gibt es auch meist Rückendeckung in der Partei.

Aber, so mahne ich, es darf keine archaische Sippenhaftung geben: So etwas zählt zur psychologischen Kriegsführung, und die trifft z. B. auch die Kinder – etwa, wenn plötzlich behauptet wird, die Premiere Dame Frankreichs wäre als Mann geboren worden [„Geboren als Mann“: Brigitte Macron geht gegen Gerüchte vor – news.ORF.at]. Die Strategie besteht im Aufbau einer „Zwickmühle“: Schweigen gilt als Zustimmung (s. Grundsatz im Römischen Recht: qui tacet consentire videtur – Schockschweigen war damals noch nicht bekannt!), wer sich aber wehrt, bekommt den Vorwurf der Diskriminierung von Transpersonen.

Und dann gibt es noch eine zweite, unterschwellige Strategie gelenkter Empörung, und die spielt mit dem Problem der Nacktheit: Wer darf, wer muss, wer soll – wer darf nicht, wer muss nicht, wer soll nicht … und interessanterweise trifft das in unserer gegenwärtig schambefreiten Gesellschaft immer wieder stillende Mütter.