Es gibt Berufe, bei denen müssen die Ausübenden unentwegt üben. Ballett-Tänzer*innen etwa und andere Akrobat*innen, Konzertpianist*innen … und Chrirurg*innen. Freiberuflich arbeitende üben dann daheim – und besonders Musiker*innen sind dann leider oft mit Lärmbelästigungs-Beschwerden ihrer Nachbarn konfrontiert – auch eine Art von Mobbing. Besonders pikant dann, wenn dieselben Nachbarn abends laut Ö 3 laufen lassen … und das ist auch eine Art „Gewohnheitssache“.

Mobbing sind laut Definition regelmäßige feindselige Akte über einen langen Zeitraum (mindestens 3 bis 6 Monate), die die betroffene Person an der Ausübung ihrer Pflichten behindern. Nur rüpelhaftes Benehmen gehört nicht dazu.

Eine auf Thoraxoperationen spezialisierte habilitierte Chirurgin wurde vom Operationsprogramm ausgeschlossen (was Verlust der Feinmotorik bedeutet), laufend fehlinformiert, nachweislich zu Unrecht beschuldigt (Kurier, 17. Juni 2019. S. 15) und Ähnliches mehr. Also klassisches Mobbing. Der Richter, der über die Amtshaftungsklage der Ärztin zu entscheiden hatte, sah das nicht so – „Denn ein Recht zu operieren gäbe es für ,beamtete Chirurgen‘ nicht.“ Im Klartext: Beamtete hätten kein Recht, ihren Beruf auszuüben – ja wo sind wir denn? Im Unrechtsstaat des Dritten Reichs? Und „Ein rauer Ton gehört bei Ärzten dazu.“ Dann sollte man „die Ärzte“ – Gottlob gibt es auch andere – darauf aufmerksam machen, dass der Hippokratische Eid verpflichtet, nicht zu schaden, und raue Töne schaden immer, außer sie dienen der Abwehr eines größeren Schadens, wenn man beispielsweise jemand anschreien muss, damit er nicht handy-blind in ein Auto rennt.

Mobbing ist eine Psychoterror-Methode, jemand „rauszuekeln“ damit er von selbst geht und man sich Abfertigungen oder sonstige Prämien erspart. Ich finde, bei dieser Form von Gewalt sollten die Medienberichte besonders darauf achten, welche „Wahrheit“ sie transportieren. In diesem Fall wurden subjektive Bewertungen wie die Ärztin sei „letztlich keine ausreichend talentierte Chirurgin“ gewesen – wie denn, wenn ihr die Praxis verwehrt wird? Und: „Unter dem rauen Ton“ hätte die „besonders sensible“ Ärztin mehr gelitten als die anderen. Ich sähe „besondere Sensibilität“ eher als soziale Begabung, denn man muss sich nicht verhärten, wenn man in Blut und Wunden wühlen muss – es genügt, ruhig zu atmen. Aber das widerspricht dem soldatischen Brutal-Ideal mancher Männer (und leider auch Frauen, wenn man an die US-Soldatin Linndy England im Folterskandal von Abu Ghraib denkt), die auch an der Grenze zum Sterben arbeiten. Sie projizieren dann ihre verschüttete Menschlichkeit – da gehört Sensibilität dazu! – auf andere und bekämpfen sie dort, damit sie nicht fühlen müssen.

Ich habe die letzten Jahre am Institut für Arbeits- und Sozialrecht der Universität Wien „Angewandte Sozialpsychologie für Jurist*innen“ gelesen und genau diese Gewaltformen ausführlich behandelt. Ich hoffe, dass die künftigen Richter*innen unter meinen Student*innen sich später daran erinnern – man kann aber mehr dazu auch in meinem Buch „Gewaltprävention im Alltag“ nachlesen.