Da sah ich unlängst im Fernsehen einen Bericht über Trainings zum Überleben bei langandauernden Stromausfällen oder anderen Situationen, in denen die Errungenschaften der Zivilisation plötzlich weggefallen sind. Dabei kam ein offensichtlich aus Deutschland stammender Trainer zu Wort, der die männlichen Teilnehmer an seinem Überlebenskurs mit Namen ansprach – die einzige Frau hingegen mit „Mäuschen“. Vermutlich wollte er „nett“ sein … oder der Frau vermitteln, dass sie in diesem Herrenklub nichts verloren hat.

Kosenamen haben immer tiefere Bedeutung. Ich erinnere mich etwa an einen Bekannten, der alle seine Geliebten mit „Chérie“ (zu deutsch: Liebling) ansprach – sicherheitshalber. Ich nehme an, dass er auch seine Ehefrau so nannte – so konnte er sich auch nicht im Schlaf enttarnen. Bei Tiernamen hingegen wird es meist peinlich: Sie schreiben Eigenschaften und damit Bewertungen zu. In meinem Buch „Madonna UND Hure“ (aus 1997 und längst vergriffen) habe ich aufgezeigt, dass Männer, wenn sie über Frauen sprechen, diejenigen, die sie als „Jagdbeute“ attraktiv finden, mit Namen von Wildtieren oder zumindest dem „epitheton ornans“ („schmückendem Beiwort“) „wild“ kennzeichnen, die uninteressanten hingegen mit denen von Haustieren.

Namensgebung hat besondere Wirkung, deswegen nimmt man in besonderen Situationen auch neue Namen und damit quasi einen Auftrag oder eine Verpflichtung, jedenfalls aber eine Zugehörigkeit  an.

Fatal sind solche Ersatznamen hingegen, wenn sie historisch belastet sind oder Suggestionen verankern. Dazu zählen beispielsweise die Namen „Prinz“ oder „Prinzessin“, mit denen verliebte Eltern ihre Kinder „auf den Thron heben“ – und nicht verstehen wollen, dass sie damit wahrscheinlich den Weg in eine überhebliche Selbstgefälligkeit im späteren Berufs- wie Privatleben bahnen.

Aus solchem Wissen heraus protestierte eine von mir ausgebildete Sexualpädagogin unlängst gegen eine (Zitat) sexistische Werbekampagne der WKO auf 3 hintereinander folgenden Plakatständern:

  • 1: „Mein Job im Bezirk heißt die Prinzessin“
  • 2: „ins Bett bringen“
  • 3: „Bild von einem Teddybär, der mit der linken Hand eine Krone hoch hält“.

Unten steht dann ganz klein: meinjob-rohrbach.at (wenn ich das auf den Fotos richtig entziffert habe).

Der dafür zuständige „Urheber der Werbekampagne“, und laut Selbstaussage „Kommunikationsexperte“, antwortete, indem er die Kritikerin schroff mit Formulierungen wie „selbsternannte Moralinstanz“, „emotionale Entgleisungen“, „echauffieren“ und der Betonung, er werde seine Tochter weiterhin liebevoll Prinzessin nennen „ohne dahinter krankhafte Pädophilie oder Sexismus zu sehen“, in Schranken wies.

Wenn jemand etwas nicht sieht, heißt dies allerdings nicht, dass es nicht da ist.

Tiefenpsychologisch interessant erscheint jedoch, dass der Mann plötzlich Pädophilie assoziiert … davon war im Protestschreiben, das mir vorliegt, keine Rede …

Da er die wissenschaftliche Fachliteratur zu Sexismus nicht kennt – was man von einem „Kommunikationsexperten“ seit etwa 25 Jahren eigentlich erwarten dürfte – gebe ich gerne folgende Aufklärung: Durch die Dreiteilung der Plakate im größeren räumlich-zeitlichen Abstand entlang der Straße wird gezielt mit den Eye-Catchern „Prinzessin“ und „Bett“ gespielt – und erst dann angedeutet, dass es sich um ein Kind handeln dürfte. (Ich schreibe deswegen „dürfte“, denn viele Prostituierte haben Puppen und Teddybären auf ihren Betten und manche arbeiten auch unter dem Codenamen Prinzessin – wohl wissend, welche Klienten sie damit ansprechen.)

Und noch etwas – gewaltverzichtende Kommunikation hätte folgendermaßen lauten können: „Danke für den Hinweis, der uns sehr überrascht hat. Vielleicht möchten Sie uns Ihre Überlegungen genauer erläutern“ – und dann wäre eine Einladung zu einem Kaffee eine nette Geste um zu beweisen, dass man weder überheblich noch kritikunverträglich ist.