Ohrwürmer können sehr lästig werden (dabei sind sie leicht loszuwerden: Man muss nur eine andere einprägsame Melodie mehrfach „drüberspielen“). Bei „Augenwürmern“ – live oder auf Bildschirmen erlebten Horrorbildern – ist das viel schwerer, da braucht es oft psychotherapeutische Hilfe (weil das neue Bild sehr sinnreich konstruiert werden muss, und dazu braucht es vor allem viel amplifizierte wie auch kontrollierte Phantasie).

Leider sind sich viele Menschen ihrer Phantasien nicht bewusst, daher halten sie deren bildhafte Darstellungen in ihrem „Kopfkino“ für erwartbare Realität – und oft stammen diese Vor-Bilder aus den unzähligen Bildern der alltäglichen Filme und Fernsehsendungen. Bei Theaterstücken ist das anders, denn dort „laufen“ die Szenen nicht so rasant (und mit emotionalisierender Musik unterlegt) ab, wie in den „laufenden Bildern“ auf Leinwand und Bildschirm.

Genau diese unbewussten Erwartungen, dass es im realen Leben so zugehen wird bzw. „muss“ wie im „Emergency Room“ oder am „Tatort“, führt dann zu Suspendierungen, wenn sich etwa wie unlängst, eine Polizeibeamtin am Notruftelefon korrekt nach Dienstvorschrift verhält – nämlich die vorgesehenen Schritte anempfiehlt – und nicht gleich die Cobra losschickt (nicht einmal wissend wohin).

Natürlich ist es für die – wie der historische Verlauf ja zeigte – zu Recht angsterfüllte Frau keine sofortige Hilfe im Akutfall, wenn der unlängst bedrohende Partner – und in der Folge vermutlich extremst Delinquente, Titel „Mordversuch im Fitnessstudio“ (Der Standard, 23.12.2022, S. 9) – in der Nähe des Arbeitsplatzes aufgetaucht ist.

Wenn man aber die Realität von Zeit und Ort möglichen Einschreitens bedenkt, wäre die erste Helferschaft immer dort anzufordern, wo Kollegen und Kolleginnen oder auch Kundschaft beistehen könnten – nämlich wirklich räumlich dabei stehen – oder auch nur ansprechen, oder schreien … und diese ebenso auch die Polizei kontaktieren, denn wenn dies Unbetroffene tun, haben die Beobachtungen, mit ruhiger Stimme vorgebracht, deutlich mehr Gewicht als mit atemloser, keuchender oder zitternder (was zwar logisch ist, aber wovon sich gerade professionelle Helfer:innen nicht „anstecken“ lassen dürfen – sie müssen ja „kühlen Kopf bewahren“).

Nun gibt es zwar Menschen, die eine besondere Gabe besitzen, die Zukunft vorauszuahnen (und meist nicht ernst genommen werden, weil das oft Angst macht und dies daher verspottet oder verboten wird).

Der US-Sicherheitsberater Gavin de Becker (* 1954) sieht selbst (!) ernst genommene Intuition als wesentlichen Zugang zu Verbrechensprävention (die Taschenbuchausgabe im mvg-Verlag seines Grundsatzbuches „The Gift of Fear“, zu Deutsch ursprünglich „Mut zur Angst“, heißt nunmehr „Vertraue deiner Angst“) – eine Art „Vorstufe“ zur Präkognition, die wohl viele Menschen, vor allem Frauen, kennen, aber nicht wagen, darüber zu sprechen.

Genau deswegen gilt es, Phantasien und Vernunft in Einklang zu bringen. In der Psychoanalyse heißt dies „Realitätsprüfung“ – und zu dieser sollten wir in aller Ruhe (ohne Druck und ohne Angstmache) schon als kleinste Kinder angeleitet werden. Eltern (und alle, die Verantwortung für Kinder tragen), die sich dafür interessieren, können das im neuen Jahr im Institut für Stressprophylaxe & Salutogenese lernen s. www.salutogenese.or.at.