Im Fachblatt Nature Human Behavior wurde eine Studie vorgestellt, berichtet orf online (https://www.orf.at/#/stories/3148469/), wonach Versuchspersonen die selben Personen „auf den ersten Blick“ auf Fotos besser bewerteten, je nachdem, ob ihre Kleidung auf Armut oder Reichtum schließen ließ.

Leider wurde in dieser Meldung nicht erwähnt, ob bzw. wie die Geschlechterdifferenz zum Tragen kam – denn ich will doch annehmen, dass sowohl die Testpersonen wie auch die Menschen auf den Fotografien nicht nur einem Geschlecht zugehörten. Denn so wie eine inhaltlich gleich lautende Fachaussage von Männer meist anerkennend beantwortet, bei Frauen jedoch oft gar nicht zur Kenntnis genommen wird, wird ein Mann in lässiger Kleidung nicht unbedingt als „Leichtgewicht“ eingestuft, eine Frau aber schon (außer es handelt sich um Frauen deren gesellschaftlichen Status man kennt – man denke nur an Queen Elizabeth II in Gummistiefeln und Kopftuch!).

Das gefällt mir beispielsweise an unserer nunmehrigen ersten Bundeskanzlerin, dass sie schon als Oberstaatsanwältin ihre üppige Haarpracht nicht zu einem straff gebundenen Demutsknoten disziplinierte, wie es die selbsternannte Machtexpertin Christine Bauer-Jelinek, eine ehemalige Volksschullehrerin – vielleicht gerade deshalb! – aufstiegswilligen Frauen anempfiehlt (Mitteilung einer Klientin, die eines ihrer Seminare besuchte: Frau müsse streng anliegende glatte Haare haben, nur ja keine Locken, und uniforme anzuggleiche dunkle Kostüme mit weißen Blusen oder eng anliegenden T-Shirts), sondern statt dessen immer schon auf den Vorrang ihrer intellektuellen Leistung gegenüber ihrem attraktiven Aussehen vertraute.

Es liegt nämlich nicht an Kleidung oder Styling, sondern an Ausstrahlung und Haltung, wie jemand wirkt, und so etwas kommt auch auf Fotos für Betrachtende hinüber – wenn man beim Fotografiertwerden „bei sich bleibt“. Ich werde beispielsweise, wenn ich mich nach Vorträgen mit den Veranstalter*innen fotografieren lassen muss, immer aufgefordert zu lächeln und mag das gar nicht, weil ich ein sehr ernster Mensch bin, und zwar beim Vortrag gelegentlich heiter scherze, wenn mir danach zumute ist, aber nachher, wenn ich wieder „privat“ bin und nicht in meiner Berufsrolle, vor dem Dilemma stehe, zu wem ich halten will – zu mir oder zu den anderen. (Diese Frage stelle ich auch häufig meinen Klient*innen!)

Während sich Wladimir Putin stolz als Angler mit nacktem Oberkörper ablichten lässt, war Angela Merkels tiefes Dekolleté 2008 beim Opernbesuch fast ein Skandal (https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/mode-frau-bundeskanzlerin/1211414.html) – zumindest in den Boulevardmedien so vorgegeben. Eine Lady ist eine Lady, auch in Sack und Asche – eine Botschaft, die in vielen Märchen, den Psychologielehrbüchern der Zeit, in der „das gemeine Volk“ noch nicht lesen und schreiben konnte, vermittelt wird, wie auch, dass sich die „falsche Braut“ im Verhalten enttarnt. Oder ein Pseudo-Präsident. Denn Verhalten („ver-halten“ bedeutet auch zurück halten!) besteht nicht in der Kunst des eleganten Krebse-Essens.