Es ist zwischenzeitlich schon wissenschaftlich – nämlich nach der altmodischen Definition von Wissenschaft à la Kant und Wilhelm v. Humboldt – gut bearbeitet, dass diejenigen, die im Gefolge der „Postmodernisten“ deren wie auch andere „Konstruktionen“ von Wissenschaft kritisieren (außer logischerweise ihre eigenen), zwar die dahinter liegende Machtausübung aufdecken – ihre eigene aber als die einzig richtige selbst ziemlich gewaltsam durchsetzen wollen.

Der Blickwinkel auf innewohnende Machtstrategien gefällt mir. Ich pflege ihn ja auch. Deswegen weise ich immer wieder darauf hin, wie mit dem Versuch, Scham- und Schuldgefühle auszulösen, Macht ausgeübt wird. Andersdenkende sollen „mundtot“ gemacht werden – und das ist auch eine Form von Tod – zumindest aber verachtenswert. Kann man seit diesem Jahrhundert tagtäglich in der hohen Politik in den USA und mit Zeitverzögerung auch in Österreich beobachten.

Als in den 1970er Jahren die Aktivistinnen der emanzipatorischen Frauenbewegung begannen, diesen Einschüchterungsversuchen mit Selbstbewusstseins-Trainings Paroli zu bieten, war eines der Hauptanliegen von uns damaligen Trainerinnen, Killerphrasen „auszuhebeln“. Einer der Meister der Überheblichkeit in diesen Attacken war der Journalist und Autor Ernest Borneman, so wie er etwa in seinem Beitrag in dem Buch „Gestörte Sexualentwicklung“ (Hg. Christian König) schrieb: „Jeder, der sich je mit dem Studium der Kindersexualität befasst hat, weiß natürlich, dass die Anzahl der sexuellen Beziehungen zwischen Frauen und Knaben in fast allen Kulturen der Welt höher ist als die zwischen Männern und Mädchen.“ (S 120). Wer dieser unbewiesenen Behauptung widerspricht – z. B. mit der Forderung, dazu mehrere Forschungsberichte bzw. Statistiken vorzulegen, die es aber nachgewiesenermaßen nicht gibt – reiht sich damit automatisch in die Reihe der angesprochenen „Nicht-Wissenden“ ein. Ebenso enthält der Satz die Andeutung, Borneman hätte ein Studium absolviert, was er nicht hatte / konnte, da er 1933 als 17jähriger Austauschschüler nach England emigrierte. Er bekam sein Doktorat ersatz- bzw. ehrenhalber von der „linken“ Universität Bremen für sein Buch „Das Patriarchat“ (wie andere Zeitgenossen in Wien beispielsweise auch) verliehen. Aber „studieren“ ist ja ein dehnbarer Begriff. (Siehe „Ja das Studium der Weiber ist schwer“, aus Lehars „Die lustige Witwe“).

Mir hat unlängst ein junger Mann in Verteidigung seines Vaters, den ich nach Beweisen für seine Behauptung (er wäre diskriminiert worden) gefragt hatte, mit Hinweis auf eine Studie gepostet: „… bitte, zumindest dann auf die Fakten zurückzukommen und die Penisvergleiche mit meinem Vater einzustellen, danke.“ Genau die haben mir ja gefehlt – und seine Penis-Vergleich-Metapher einer Konkurrenz sagt mehr über sein Denken aus als über meines, aber gegen Phantasien kann man eh nichts machen, daher habe ich geantwortet „Witzig, dass ihr Männer immer nur in Peniskategorien denken könnt“ und sicherheitshalber noch einen grinse-Smiley dazugegeben. Darauf kam die totale Killerphrase: „Wer einen Satz mit ,ihr Männer‘ anfängt, dem ist dringend eine Therapie anzuraten. … Ich helfe dir gerne. Ich kann nur aufmerksam machen, mehr kann ich für dich nicht tun.“

Ich sammle solche wunderbaren Beispiele! Hier versucht jemand, der sich – wie der Vater – als Wissenschaftler versteht und offenbar neuerdings auch als Psychotherapeut, der einst unter meiner Leitung (damals ohne diese Qualifikation, die auch jetzt nur als Selbst-Disqualifizierung deutlich wird) für mich gearbeitet hat, quasi im Doppelpack eine ungläubige Frage als vermutete Infragestellung dadurch abzuwehren, dass er die fragende Person untergriffig attackiert. Kompetente Psychotherapeuten hätten nachgefragt: „Wie soll ich das verstehen?“ oder besser, „Weshalb fragst du?“ oder „Was konkret willst du wissen?“, denn sie hätten gemerkt, dass sie zu emotionalisieren beginnen, nämlich sich selbst angegriffen fühlen, und das hätten sie zuerst abgeklärt – und sich dann „aus dem Verkehr gezogen“ und hätten ihren Vernichtungswunsch z. B. in Verwunderung „redimensioniert“.