Was nun mit der angesprochenen „kalten“ Aggression los ist, wurde ich, kaum dass mein „Brief“ Nr. 9 online war, per mail gefragt.

Mit „kalt“ meine ich den erkennbaren körperlich-seelisch-geistigen Zustand der agierenden Person: Langsam atmend, mit „eiskaltem“ fokussierten Blick entschieden, d. h. ohne Schwanken oder Zweifel, ruhig, überlegt und präzise handelnd einen Schadensplan in die Tat umsetzend.

Kalte Aggression ist ein Endpunkt tage- oft jahrelanger Vorbereitung. Professionelle Jäger beobachten üblicherweise ihre Jagdbeute bzw. beauftragen Späher. Diese Verhaltensweisen finden wir auch bei Stalkern, die entweder aus Rache verfolgen oder sich in Wahngedanken verloren haben. Dies ist nicht gleichzusetzen mit verzweifelten Menschen, die darum ringen, respektiert zu werden und nicht über die sprachliche Eleganz verfügen, ihren Leidenszustand adäquat auszudrücken. Wenn diese aggressiv werden, zeigt das nur, dass sie in ihrem seelischen Tief an dem Kipp-Punkt angelangt sind, an dem die lange unterdrückte – und in wohldosierter zivilisierter Form eigentlich gesunde – Aggression hervorbricht. Deswegen ist es ja so wichtig, dass wenigstens ein achtsamer Mensch merkt, dass es jemand schlecht geht und die Parzival-Frage stellt: „Was ist denn los mit dir? Kann ich dir was für dich tun?“

Vorbereitung ist ein bewusster Akt von anscheinend logischem Vernunftdenken (auch wenn der Plan sich dann nicht bewährt).

Vorbereitung kann zum Ausdruck von lange aufgestautem Hass dienlich sein – sie kann aber auch unbewusst dem spontanen Dampf-Ablassen dienen, ohne dass sich der Täter oder auch die Täterin ihres Hasses bewusst ist.

Das kann man an den vielen Formen (z. B. auch den als „lustig“ getarnten) von Frauenhass beobachten, in dem deutlich zum Ausdruck kommt, dass Frauen als minder bis minderwertig definiert werden, und zwar meist von Männern (und gelegentlich auch von Frauen), die objektiv betrachtet über deutlich weniger ökonomische Sicherheit, Bildung, Beliebtheit und Anerkennung verfügen. Das muss nicht unbedingt Neid sein – denn der ist meist bewusstseinsfähig; es ist oft nur unbewusster Ärger über eigene Unzulänglichkeit. Deswegen formuliere ich auch immer: Die Wurzel der Gewalt ist der Vergleich. Statt sich um den eigenen Lebensweg zu kümmern, mäkelt man an anderen, scheinbar erfolgreicheren, herum und verengt den eigenen Blick bis man am Ende der Spirale in tiefem Hass gelandet ist und nicht mehr merkt, welchen Schaden man dabei an der eigenen Seele erleidet.