„Da streiten sich die Leut herum“ beginnt das berühmte Hobellied aus Ferdinand Raimunds „Verschwender“ (Hobellied – Wikipedia) – in der Politik zwar derzeit nicht um „den Wert des Glücks“, sondern umgekehrt, wie man „den Anderen“ möglichst viel Unglück bereiten kann … denn, so scheint es mir, es wird keine noch so kleine Banalität ausgelassen, den politischen Gegner runterzumachen („Kleine Kunde des Grüßens“, Der Standard, 10./11.12.2022, Seite 43).

Letzthin war es die „Frechheit“ des Niederösterreichischen ÖVP-Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner, das versammelte Tribunal mit „Grüß Gott“ zu begrüßen, worauf ihn der SPÖ-Fraktionsführer K. J. Krainer bissig schulmeisterte „Bei uns heißt das ,Guten Tag‘!“

Ein Witz aus meiner Zeit als Mandatarin der SPÖ (1973–1987, die damals noch Sozialistische Partei hieß, ehe der Name unter Vranitzky „verharmlost“ wurde), fällt mir ein: Warum sollen Schnecken nicht mit „Tempo!“ grüßen – Sozialisten grüßen ja auch mit „Freundschaft!“

Hochaktuell – gelt?

Die Pflicht zum Gruß – besonders zum formell vorgeschriebenen – war immer schon Pflicht zur Unterwerfung: Die waffenfreie offene Hand zu präsentieren kennen wir von den alten Römern, mehr aber noch vom „deutschen“ Gruß der NS-Zeit, und ebenso ist wohl auch Gesslers Hut auf der Stange, den der Sage nach jeder Vorbeigehende grüßen sollte (Gesslerhut – Wikipedia), vielen in unseliger Erinnerung … nämlich denen, die von ihren Erziehungspersonen zum Grüßen gezwungen wurden, egal ob zum Verbeugen, Knicksen oder „das schöne Handi“-Geben.

Ich kann mich noch mit Bitterkeit erinnern, wie mein Vater (der Schuldirektor) mich – damals bereits promovierte Juristin – bei einem Besuch in meiner alten Schule vor allen Anwesenden auf dem Gang in strafendem Ton überlaut anfuhr „Traute! Hast du den Herrn Professor nicht gegrüßt?!“, meinen alten Griechisch-Professor nämlich, mit dem ich eine halbe Stunde zuvor lange geplaudert hatte. Heute würde ich gelassen-freundlich antworten „Selbstverständlich – vor einer halben Stunde, als wir einander das erste Mal heute begegneten!“ Damals war ich der Demütigung halber sprachlos.

An solchen Episoden kann man das Gewaltpotenzial der jeweiligen Personen erkennen: Sie geben weiter, was man ihnen „eingebläut“ hat (das Wort stammt von „blau schlagen“). Respektvolle Personen würden entweder humorvoll freundlich reagieren („Bitte seien Sie doch so nett und grüßen Sie mich – ich fühle mich sonst nicht wertgeschätzt!“) oder einfach selbst nett grüßen. Man könnte natürlich auch diskret darüber hinwegschauen.

Es ist bekanntlich der Ton, der die Musik macht, und wenn man sich darüber unklar ist, kann man ja nachfragen („Hat das einen bestimmten Grund, dass Sie …?“).

Ich zum Beispiel grüße gerne mit „Gott zum Gruß!“ (was ich übrigens von meinem atheistischen Vater übernommen habe) – aber das, was wir mit „Gott“ bezeichnen, ist für mich keine langbärtige Patriarchenfigur – wir sollen uns ja kein Bild oder Gleichnis machen, also auch kein geistiges (2 Mose 20, 4), denn ein solches geht ja logischerweise immer jeglicher Darstellung voraus! – sondern „Gott“ ist reine Liebe, wie es im 1. Johannesbrief 4, 16 so präzise heißt: „Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“

Und da genügt zum Gruß doch auch ein freundlicher Blick, ein Zunicken – halt mit so viel Liebe, wie man gerade aufbringen kann.