Halt! Gewalt!

Der 10. Dezember ist der Tag der Menschenrechte. Zu diesen gehört das Recht auf die Unversehrtheit der Person, das in manchen Verfassungen ausdrücklich formuliert ist, in anderen sich aus dem Verbot von Folter, grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe ergibt (Art. 5 der Allgemeinen Erklärung der der Menschenrechte der UNO).

Leider werden in manchen Kulturen weibliche Menschen aber nicht als Menschen, sondern als Sachen angesehen, die man(n) im Eigentum oder Besitz hat. Das war in der Antike so, aber früher auch bei uns: Vergewaltigung galt bis ins 13. Jahrhundert nur in Verbindung mit Frauenraub – einem „Nebenprodukt“ von Kriegen – als Delikt und erst dann als „Freiheitsberaubung“ der Frau, die nun selbst das „Entschädigungsgeld“ erhielt und nicht Vater, Bruder oder Onkel quasi als „Sachbeschädigung“ deren Eigentums oder Besitzes.

Eigentum ist nach § 354 ABGB (aus 1812!) die Befugnis, mit der Substanz und den Nutzungen einer Sache nach Willkür zu schalten und jeden anderen davon auszuschließen. Wenn aber der nur Inhaber einer Sache den Willen hat, sie als die seinige zu behalten, wird er laut § 309 zu ihrem Besitzer (auch wenn er nicht der Eigentümer ist). Manche Menschen glauben noch immer, Besitzrechte auf andere zu haben – und folglich auch Einsperr-Rechte und Strafrechte, von „ehelichen Rechten“ ganz zu schweigen … Letztere folgten dem „Fortpflanzungsgebot“ der Bibel (man kann aber  1 Mose 1, 28 „Seid fruchtbar und mehret euch“ auch anders übersetzen – und das tat ich in meiner theologischen Abschlussarbeit, die im Jänner 2017 popularisiert als Buch erscheinen wird), von dem abgeleitet wurde, dass die Frau ihrem Mann immer „zu Willen“ zu sein hat, aber das wurde mit der Normierung von Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe (§ 201 StGB) beseitigt.

Genau deswegen stören mich Formulierungen wie „Herr Sowieso mit seiner Anna, Berta, Christine etc.“, wie sie in der Gesellschaftsberichterstattung in Boulevard-Medien gerne verwendet werden. Sie suggerieren genau diese Besitzrechte und fördern damit das mangelnde Unrechtsbewusstsein bei Vergewaltigern – ebenso wie manche Texte im Internet, in denen angebliche Autorinnen von erlebter Gewalt schwärmen (beispielsweise um gewalttätige Partner zu „halten“). Dass es sich dabei um erdichtete Pornographie handelt, ist aus „Skript“ und Wortwahl leicht erkennbar. In der therapeutischen Arbeit zeigt sich ein anderes Bild – selbst wenn das Erlebte zuerst verharmlost wurde. Die Erkenntnis folgt dann, wenn nicht mehr „mentalisiert“ (vom Kopf her bewertet), sondern die seinerzeitigen Gefühle und Körperempfindungen wieder durchlebt werden. Das ist nämlich Psychotherapie: Mit den Worten Sigmund Freuds „Erinnern – wiederholen – durcharbeiten“. Die Heilung geschieht im emotionalen Wiederholen und langsamen Durcharbeiten („Debriefen“), wie schmerzlich das auch sein mag. Nicht im Erinnern.

Damit holt man sich seine Lebendigkeit und Wahrhaftigkeit zurück und ist wieder Subjekt seines Lebens und nicht Objekt wie eine Sache.