Da schreibt doch Günter Traxler, im heutigen „Blattsalat“ im Standard in Bezug auf ein Loblied, das Sebastian Kurz auf seine Oma gehalten hat, nachdem er erst dessen Interviewworte aus der letzten „Krone bunt“ („Das ist die Generation, die unser Land nach dem Krieg mit viel Fleiß und Liebe aufgebaut hat; der wir unseren Wohlstand verdanken.“) zitiert, „schwadroniert der dankbare Enkel und lässt dabei geflissentlich unter den Tisch fallen, dass diese Generation unser Land zuerst ruiniert hat, um es wieder aufbauen zu können.“, und er resümiert: „Aber für solche Phrasen kann die Generation Oma sicher nichts.“

Halt, schießt es mir durch den Kopf – Sebastian Kurz ist doch soeben 31 Jahre alt geworden (geboren 1986), seine Mutter wird also vermutlich – 20 bis 25 Jahre zurück gerechnet – der Generation der zwischen 1961 und 1966  Geborenen zugehören, und seine Großmütter daher den 1941–1946 Geborenen – so wie ich (geboren 1944).

Ich verwehre mich vehement dagegen, der Generation, die „unser Land zuerst ruiniert hat“, zugezählt zu werden. Sowohl historisch als auch ideologisch.

Ich vermute, auch Günter Traxler – geboren 1939 – fühlt sich dieser „Generation Ruin“ nicht zugehörig. Wäre ich Bruno Kreisky, würde ich vielleicht brummen „Lernen Sie Geschichte, Herr Redakteur.“ Aber dahin geht nicht meine Absicht. Auch nicht, eine Entschuldigung einzufordern – selbst wenn die wohl angebracht wäre.

Meine Absicht ist, bei allem Verständnis für die Schwierigkeiten von Journalisten, passende Kolumnenthemen zu finden (denn als ich meinen künftigen Ehemann kennenlernte, sprach er einen täglichen Kommentar im Rahmen der Mittagsnachrichten auf ORF Wien und hatte oft um halb Zwölf noch kein ihn zufriedenstellendes Thema), auf die Notwendigkeit von Sprach- und damit Gedankenkontrolle hinzuweisen – außer man will ohnedies zu den Fake-News-Produzenten zählen.

Deshalb finde ich auch den Passus, die angebliche Generation Oma habe das Land zuerst ruiniert, „um es wieder aufbauen zu können“, nicht nur unwahr (und generalisierend) sondern auch tendenziös kriminalisierend. Gerade in einer Zeit, in der viele Unzufriedene Gefahr laufen, mangels grundlegender Geschichtskenntnisse realitätsferne Vergangenheitsbilder zu idealisieren, halte ich es für dringend nötig, darauf zu achten, dass eigene Ressentiments nicht zur Produktion „alternativer Wahrheiten“ führen bzw. verführen und so die Bereitschaft vermindern, sich sachlich und klar mit unliebsamen Fakten auseinander zu setzen.

Wenn ich also versuche, korrekt zu rechnen, komme ich zu der Vermutung, dass beide Großmütter von Sebastian Kurz noch leben – und wahrscheinlich sind sie auch keine „abgebrühten“ Politikerinnen. Als eine, die sich der Hege der seelischen Gesundheit verpflichtet fühlt, hoffe ich, dass sie sich nicht allzusehr kränken, wenn die Anerkennung, die ihnen ihr Enkelsohn zu Gute kommen ließ, als bloßes „Schwadronieren“ abgewertet wird.